Herbert Kickl ist am Samstag in St. Pölten mit 91 Prozent als blauer Parteichef wiedergewählt worden.

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Wie fest sitzt Herbert Kickl im Sattel? Eine Antwort in Zahlen hat der FPÖ-Chef am Samstag erhalten. Beim 34. Bundesparteitag in St. Pölten stellte er sich seiner erstmaligen Wiederwahl – und wurde mit 91 Prozent für die nächsten drei Jahre zum blauen Parteichef gewählt. Damit erhielt er mehr Zustimmung als im Juni des Vorjahres, wo er nach Norbert Hofers Abgang mit 88 Prozent zum Chef der Freiheitlichen gekürt wurde.

"Jetzt geht es los in Richtung Bundeskanzleramt", sagte Kickl nach seiner Wahl. Zu seinen Stellvertretern wurden die Landesparteichefs Manfred Haimbuchner aus Oberösterreich, Mario Kunasek aus der Steiermark, Udo Landbauer aus Niederösterreich, Marlene Svazek aus Salzburg, Erwin Angerer aus Kärnten und Justizsprecher Harald Stefan gewählt.

Empfang durch Blasmusikkappelle

Am Vormittag nahm vor dem Messe-, Kongress- und Veranstaltungszentrum in St. Pölten eine Blasmusikkappelle FPÖ-Chef Kickl, den Präsidentschaftskandidaten Walter Rosenkranz und Niederösterreichs Landesparteichef Udo Landbauer in Empfang. Schließlich zog Kickl in Begleitung sämtlicher blauer Landesparteichefs unter martialischen Musikklängen und unter Applaus in die Veranstaltungshalle ein. "Kompromisslos für Österreich" war auf der Bühne zu lesen. Ankündigen ließ er sich als Kämpfer für "Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit".

FPÖ-Chef Herbert Kickl und Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz wurden von einer Blasmusikkapelle in St. Pölten empfangen.
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Kickl zitiert Willy Brandt

In seiner eineinhalbstündigen Rede zitierte Herbert Kickl eingangs den deutschen Ex-Kanzler Willy Brand (SPD): "Wenn ich sagen soll, was mir neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: Freiheit. Die Freiheit für viele, nicht nur für die wenigen. Freiheit des Gewissens und der Meinung. Auch Freiheit von Not und von Furcht." Die FPÖ sei eine Partei, "die weiß, was es heißt, den Begriff der Freiheit nicht nur auszusprechen, sondern zu leben", sagte Kickl.

Schließlich schwor er Niederösterreichs Landeschef Udo Landbauer auf die im kommenden Jahr anstehende Landtagswahl in Niederösterreich ein. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) würde auf einer langen Liste der Versager des Innenministeriums stehen. Auch auf andere Bundesländer ging Kickl in seiner Rede ein. Wien sei etwa am Abgrund, "wir müssen alles tun, um eine sozialistische Machtübernahme zu verhindern", so Kickl.

"Kabinett Eleonore Nehammer"

Die türkis-grüne Regierung bezeichnete er als "Kabinett Eleonore Nehammer". Und Kickl machte auch klar, wohin die Reise gehen soll: "Wir werden so stark sein müssen bei der Nationalratswahl, dass sich eine linke Mehrheit in Österreich nicht ausgeht, das ist das Ziel", sagte Kickl. Die FPÖ müsse so stark werden, "dass sich nur eine Zweierkoalition mit der Freiheitlichen Partei" ausgehe. "Jeder im Saal" habe "mehr am Kasten", als die Regierung und Oppositionsparteien, die er als "Laienschauspielertruppe" bezeichnete.

Schließlich kam Kickl auch auf die in drei Wochen stattfindende Bundespräsidentenwahl und den Amtsinhaber zu sprechen. Alexander Van der Bellen habe sein "Ablaufdatum überschritten". Und: "Van der Bellen soll in Pension gehen. Es ist besser für ihn und für das Land." In Richtung des blauen Präsidentschaftskandidaten Walter Rosenkranz sagte Kickl, dass er überzeugt sei, "dass wir dich in zwei Schritten in die Hofburg bringen".

Brüssel "Hotspot der Blödheit"

Abermals sprach sich Kickl für eine Volksabstimmung über die Sanktionen gegen Russland aus. "Tausenden Firmen wird das Licht ausgehen. Die Leut' werden kein Geld mehr ausgeben, weil sie keines mehr haben." Es werde die "größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg mit Millionen Opfern". Auch die EU bekam ihr Fett ab. Brüssel sei der "Hotspot der Blödheit".

Zum Asyl- und Migrationsthema sagte er, dass die Schlangen in Traiskirchen mittlerweile so lange wie bei der Verabschiedung der Queen seien. "Als Freiheitliche würden wir keinen Asylantrag mehr annehmen." Die Situation würde alle Dimensionen übersteigen, "die wir in diesem Land packen können". Seit die ÖVP im Innenministerium sei, gehe es "mit den Asylzahlen bergauf und mit der Sicherheit bergab".

Kickl buhlt um Zustimmung

Gegen Ende seiner Rede warb Kickl um Zustimmung: "Ich habe alles gegeben, was ich habe" – dazu würden Leidenschaft, Energie und Mut gehören. "Niemand kann mir unterstellen, dass ich nicht alles versucht habe, um das Vertrauen nicht zu enttäuschen und euch als Basis nicht zu enttäuschen." Für all das habe Kickl "100 Prozent" gegeben und nun sei er bereit für das Kanzleramt. Für seine Ansprache erhielt er stehenden Applaus.

Nach ihm kamen sämtliche Landesparteichefs zu Wort, die in ihren Reden ebenfalls ihre Unterstützung zusicherten. Worte der Kritik gab es von ihnen keine – auch nicht von Kickls schärfsten internen Kritikern. So gratulierte etwa Wiens Landeschef Dominik Nepp Kickl zu seiner Rede. "Die Geschlossenheit war noch nie größer", sagte Nepp. Die einzig kritische Stimme kam – wie schon beim Parteitag 2021 – vom niederösterreichischen Funktionär Karl Wurzer. Für seine Kritik erntete er lautstarke Buh-Rufe.

Blaues Gewitter im August

Von den internen Verwerfungen der vergangenen Wochen war in St. Pölten nichts zu spüren. Die FPÖ hatte seit Anfang August ein heftiges blaues Gewitter durchlebt. Hans-Jörg Jenewein, Ex-Nationalratsabgeordneter und rechte Hand Kickls, soll bekanntlich eine anonyme Anzeige gegen Parteikollegen in der Wiener FPÖ verfasst haben, in der diesen der Missbrauch von Fördermitteln und persönliche Bereicherung vorgeworfen werden. Jenewein trat nach Bekanntwerden der Anzeige aus der Partei aus. Dass es angesichts der Causa Jenewein in der Partei rumort, hat Kickl zuletzt bestritten.

Und auch auf dem Parteitag demonstrierte die Partei einmal mehr Geschlossenheit. Das liegt nicht zuletzt daran, dass mehrere Wahlen vor der Tür stehen. Honoriert wird freilich auch, dass es in den Umfragen konstant bergauf ging, seit Kickl Parteichef ist. In Frage gestellt wurde Kickls radikaler Oppositionskurs am Parteitag nicht – er wurde mit 91 Prozent bestätigt. Nach der Wahl bekam der passionierte Bergsteiger von Salzburgs Landeschefin Marlene Svazek schließlich noch zwei mit rot-weiß-rotem Band zusammengebundene Eispickel überreicht – symbolhaft, um die Partei an die Spitze und in die Regierung zu führen. (Sandra Schieder aus St. Pölten, 17.9.2022)