Foto: AFP/EMMANUEL DUNAND

Der Gründungsakt der neuen Mitte-Partei fand am Samstag nicht zufällig unter der Glaspyramide des Pariser Louvre-Museums statt: Dort hatte Emmanuel Macron 2017 seinen ersten Wahltriumph vor tausenden von Anhängern zelebriert. Seine Bewegung En Marche ("Vorwärts") geriet allerdings bald ins Stocken – wegen der Gelbwestenkrise, dann wegen der Covid-Pandemie.

Zeit für eine "Wiedergeburt", auf Französisch: Renaissance. So heißt die Partei, die Macron am Wochenende gründete. Der Staatschef war selber abwesend; er sandte den 27.000 Mitgliedern nur eine – eher konventionelle – Videobotschaft, bevor er zum Ehrenpräsidenten gekürt wurde.

Macron wird bei den nächsten Präsidentschaftswahlen von 2027 nicht mehr kandidieren können; die französische Verfassung lässt nur zwei Mandate in Folge zu. Warum dann eine neue Partei? Macron will seiner zweiten Amtszeit neue Dynamik einflößen, um im Elysée-Palast nicht als "lahme Ente" zu enden. In den letzten Tagen hat er mehrere neue Reformen angekündigt – zur Arbeitsversicherung, dem Pensionsalter oder dem Einwanderungsrecht.

Keine Mehrheit mehr

Doch im Unterschied zur ersten Amtszeit hat seine Bewegung in der neuen Nationalversammlung keine Mehrheit mehr. Inflation, Zinserhöhung und Staatsschuld drücken zusätzlich auf den Reformeifer der Nation. Zumal Macron unpopulär bleibt, bei seinen politischen Gegnern geradezu verhasst.

Die Frage, ob sich Macron überhaupt bis 2027 halten kann, ist da gar nicht mehr so abwegig. Fünf Jahre sind eine lange Zeit für einen Staatschef, auch wenn ihm die Verfassung einen fast unanfechtbaren Status verleiht. An Thronprätendenten fehlt es aber in Paris nie, schon gar nicht im Lager eines Präsidenten, dessen Tage oder zumindest Jahre von Verfassungs wegen gezählt sind.

Philippe mit eigener Partei

Macrons schärfster, weil populärster Konkurrent ist Edouard Philippe, der sein erster Premierminister von 2017 bis 2020 war. Der nonchalante Ex-Konservative hat bereits eine eigene Partei namens Horizons gegründet, um für die Präsidentschaftswahl 2027 – oder notfalls auch früher – bereit zu sein. Macron versuchte, ihn mit dem Vorsitz von Renaissance zu ködern, um ihn an sich zu binden, doch Philippe lehnte dankend ab.

Auch der christdemokratische Juniorpartner François Bayrou bringt seine Partei Modem nicht in Renaissance ein. Nur die zwei unbedeutenden Formationen Agir und Territoires de Progrès vom linken und rechten Rand der Macron-Galaxie lösten sich am Wochenende in der neuen Partei auf.

Orchestriert wurde der Gründungsakt von Premierministerin Elisabeth Borne, einer loyalen Technokratin, die Macron nicht gefährlich werden kann. Sie kündigte ein "neues Kapitel unserer politischen Geschichte" mit dem Kampf gegen Klimawandel und für Vollbeschäftigung an.

Jung und ambitioniert

Zum neuen Generalsekretär von Renaissance wurde Macrons Vertrauter Stéphane Séjourné gewählt. Der 37-jährige Politberater war der einzige Kandidat für den Chefposten. Er leitet heute schon in enger Abstimmung mit Macron die liberale Fraktion Renew im Europaparlament. Wie sein Lebensgefährte Gabriel Attal, derzeit Budgetminister Frankreichs, gehört Séjourné zum engsten Kreis des Präsidenten. Diese Macronisten sind jung, ambitioniert und verdanken ihren Aufstieg ganz ihrem Mentor, sodass dieser von ihnen kaum etwas zu befürchten hat.

Séjournés vorrangige Mission wird es sein, dem Staatspräsidenten potenzielle Nachfolger vom Leib zu halten. Das wird nicht leicht sein, wie auch Macron weiß. Laut der Zeitschrift "Paris Match" nennt er seine Widersacher, die sich langsam in Stellung bringen und ihm bald einmal das Leben im Elysée schwer machen dürften, "die Kannibalen". (Stefan Brändle aus Paris, 18.9.2022)