Wie hoch fallen die Lohnforderungen der Metaller aus? Am Montag um 11 Uhr ist die Katze aus dem Sack.

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Die Gewerkschaft ist zurück. In den vergangenen Monaten war die politische Debatte rund um die Inflationskrise in Österreich eindimensional. Alle schielten auf den Staat: Er sollte das mit den hohen Preisen in den Griff bekommen, ob nun mit Eingriffen in die Energiemärkte oder mit Beihilfen wie dem Klimabonus.

Dabei ist es bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eigentlich Aufgabe der Gewerkschaften, dafür zu sorgen, dass Löhne und Gehälter mit der Teuerung mithalten können. Unter dem Credo "Preise runter!" probte der ÖGB am Samstag schon die Mobilisierung.

Mehr als 32.000 Menschen sind nach Angaben der Gewerkschaft zur Demo gegen die Teuerung in Wien gekommen. Die wirkliche Bewährungsprobe der Gewerkschaft beginnt aber am Montag: Da startet die Herbstlohnrunde mit den traditionell wichtigen Verhandlungen der Metaller.

Richtschnur für andere

Um 11 Uhr werden die Industriegewerkschaft Pro-Ge und die Angestelltengewerkschaft GPA ihre Forderungen an die Arbeitgeber in der Wirtschaftskammerzentrale in Wien überreichen.

Bei den Metallern geht es zwar "nur" um die Löhne und Gehälter von rund 200.000 Beschäftigten. Das Ergebnis der Metaller dient anderen Gewerkschaften und Arbeitgebern aber als Richtschnur dafür, wohin es bei den Lohnverhandlungen gehen kann.

Als Faustregel orientieren sich die Verhandler an der Benya-Formel: Diese besagt, dass sich das Lohnplus nach der Inflation in den vergangenen zwölf Monaten plus dem gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs richtet. Allerdings spielen noch andere Faktoren mit hinein, wie die Lage am Arbeitsmarkt, die Gewinnsituation der Betriebe und der Wirtschaftsausblick.

Die aktuelle Gemengelage dürfte die Verhandlungen heuer schwierig machen, sagt der Ökonom Benjamin Bittschi vom Forschungsinstitut Wifo. Denn während die vergangenen zwölf Monate für die Industrie unbestreitbar gut gelaufen sind, sieht der Ausblick angesichts der Energiekrise zweifelhafter aus. Aber was zählt mehr, der Blick zurück oder nach vorn? Das ist eine zentrale Frage bei den Gesprächen.

Ebenso relevant ist, wie mit der außergewöhnlich hohen Inflation umgegangen werden soll. Lohnverhandlungen mit solchen Teuerungsraten wie der aktuellen gab es zuletzt Ende der 1970er-Jahre.

Die rollierende Inflationsrate, also die durchschnittliche Teuerung über jeden der vergangenen zwölf Monate hinweg, liegt bei 6,3 Prozent. Das ist der erste wichtige Wert für die Gespräche. Er ist damit niedriger als es die Inflationsrate im August war, die bei 9,3 Prozent lag. Dieser Wert bildet aber nur die Veränderung der Preise zu Augst 2021 ab.

Schwieriger ist es, die Produktivitätsentwicklung abzuschätzen. Das Forschungsinstitut Wifo schätzt, dass das gesamtwirtschaftliche Produktivitätsplus je Erwerbstätigen heuer bei 1,4 Prozent liegen wird. Auf Basis gearbeiteter Stunden sind es plus 0,3 Prozent. Der Produktivitätsindex der Statistik Austria, der den weniger produktiven Dienstleistungsbereich ausspart, zeigt ein besseres Bild: Zwischen Juni 2021 und Juni 2022 ist die Produktivität demnach um 10,4 Prozent (je Erwerbsperson) oder 8,7 Prozent (je gearbeitete Stunde) gestiegen.

Zweistellige oder einstellige Forderung?

Im Prinzip hätte also die Gewerkschaft auch Argumente, ein Lohnplus in zweistelliger Höhe zu fordern. Ob es dazu kommt und ob die Arbeitgeber darauf eingehen, ist aber alles andere als gewiss.

Fix ist, dass der Chef der Pro-Ge, Rainer Wimmer, die Wirtschaftsforscher Lügen strafen will. Das Wifo prognostiziert für heuer einen Bruttoreallohnverlust von fast vier Prozent, der auch im kommenden Jahr nicht kompensiert werden soll. Das würde also bedeuten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über zwei Jahre hinweg einen Reallohnverlust hinnehmen müssten. "Das wird es mit uns nicht geben", sagt Wimmer. Die Gewerkschaft werde eine volle Abgeltung der Inflation plus eine ordentliche Beteiligung an den Rekordgewinnen der vergangenen Monate erreichen.

Die Staatshilfen seien für die Verhandlungen nicht relevant, sagt Wimmer, deshalb werde man nicht weniger fordern. Die kalte Progression wird 2023 zwar abgeschafft, aber damit werde nur verhindert, dass die Steuern steigen. Und mit den Hilfen gebe der Staat nur zurück, was Arbeitnehmer via höhere Steuern schon einbezahlt hätten.

Konkret verhandeln werden die Metaller in sechs Fachgruppen, den Auftakt macht die größte Gruppe, der Fachverband Metalltechnische Industrie, ab Montag. Deren Obmann Christian Knill sieht die Betriebe in schwierigen Zeiten. Angesichts der Energiekrise und des Krieges in der Ukraine erwarte die "Mehrheit der Unternehmen in der Metalltechnischen Industrie für die kommenden Monate einen Einbruch bei der Nachfrage, fast jeder dritte Betrieb rechnet heuer mit einem negativen Ergebnis".

Rutsche für Einmalzahlung

Zu den Streitfragen zählt, ob Arbeitnehmer auf Ideen der Arbeitgeber eingehen, die Lohnanpassung geringer ausfallen zu lassen, dafür aber höhere Einmalzahlungen zu fixieren. Wimmer sieht das kritisch: Einmalzahlungen schmälern das künftige Gehaltsplus, weil Lohnsteigerungen immer auf Basis bestehender Kollektivvertrags- und Ist-Löhne verhandelt werden.

Die Regierung hat hier eine Rutsche gelegt, Einmalzahlungen bis zu 3.000 Euro sind ab heuer steuerfrei.

Aus Sicht von Bittschi wird eine Kernfrage sein, ob Arbeitgeber bereit sind, die Situation der Beschäftigten mit drohenden Reallohnverlusten anzuerkennen. Umgekehrt sei es an der Gewerkschaft, einzugestehen, dass nicht alle Betriebe die Preissteigerungen weitergeben können, also die Inflation einen Teil des Produktionszuwachses auffresse. (András Szigetvari, 19.9.2022)