In der Imperial State Crown finden sich Teile des "Great Star of Africa". In Südafrika spricht man von Diebstahl und fordert die Rückgabe des Diamanten.

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Zu allem Unglück jetzt auch noch das. In Südafrika werden Rufe laut, die eine Rückgabe wesentlicher Teile der britischen Kronjuwelen fordern. Gemeint ist vor allem der "Great Star of Africa": der mit seinen ursprünglichen 3106 Karat größte Diamant der Welt, dessen Bestandteile sowohl im königlichen Zepter wie in der Krone Verwendung fanden.

Gefunden wurde der Edelstein von der Größe eines menschlichen Herzens Anfang des vergangenen Jahrhunderts im südafrikanischen Städtchen Cullinan: Damals war das Land noch eine Kolonie der britischen Krone. Offensichtlich war es selbstverständlich, dass der wertvollste Gesteinsfund der Menschheitsgeschichte dem Herrscher über das umfangreichste Imperium der Weltgeschichte zukommen musste: und zwar kostenlos, als Geburtstagsgeschenk für Edward VII.

Dessen Urenkelin Elizabeth trug den Stein 70 Jahre lang zur Schau. "Nichts anderes als kolonialer Diebstahl", schimpft die Sprecherin der südafrikanischen Oppositionspartei Economic Freedom Fighters (EFF), Leigh-Ann Mathys: Wie alle anderen gestohlenen Kunst- und Schmuckstücke Afrikas müsse der Große Star zurückgegeben werden.

Welle der Empörung

Die von zahlreichen politischen Aktivisten in Afrika erhobene Forderung ist nur der vorläufige Höhepunkt einer Welle der Empörung, die angesichts der beispiellosen Zeremonien um den Tod der britischen Monarchin über den Kontinent schwappte. Besonders drastisch drückte sich die aus Nigeria stammende Professorin an der Carnegie Mellon University, Uja Anya, aus. Sie wünschte Elizabeth II. einen "qualvollen" Tod: "Wer erwartet hatte, dass ich etwas anderes als Verachtung für eine Monarchin übrig habe, die eine Regierung beaufsichtigte, die einen Völkermord unterstützte, der die Hälfte meiner Familie massakrierte oder vertrieb, der täuscht sich gewaltig", schrieb sie auf Twitter. Sie meinte den nigerianischen Biafrakrieg, der Ende der 1960er-Jahre bis zu zwei Millionen Angehörige des Igbo-Volkes das Leben kostete: Damals unterstützte London die mörderische Strategie des Aushungerns seitens der nigerianischen Regierung. Twitter nahm den anstößigen Beitrag vom Netz, die Universität mahnte sie ab.

Die Kritik an der zumindest stillschweigenden Tolerierung brutalster Exzesse der britischen Kolonialmacht durch die Queen wird so allerdings nicht zum Verstummen gebracht: Zu präsent ist die Erinnerung daran. Etwa die blutige Niederschlagung des kenianischen Mau-Mau-Aufstands nur wenige Monate nach dem historischen Besuch Elizabeths im Februar 1952: Dort war sie als Prinzessin schlafen gegangen und nach dem Tod ihres Vaters als Königin aufgewacht. In den folgenden acht Jahren fanden bei der Niederschlagung der Rebellion mindestens 11.000 Kenianer den Tod: Mehr als 1000 von ihnen ließ die britische Kolonialbehörde exekutieren, Tausende foltern, 160.000 in Konzentrationslager sperren.

In der posthumen Lobhudelei um die "pflichtbewusste" Monarchin kommen solche Geschehnisse nicht zur Sprache: Die "königliche Mythenmaschine" drehe sich auf Hochtouren, meint die kenianische Autorin Shailja Patel. Die Mythenmacher konzentrieren sich auf den Einsatz der Queen beim Aufbau des Commonwealth, dem Nachlassverwalter des zerbrochenen Empires.

Warten auf Entschuldigung

Als Oberhaupt des anachronistischen Zusammenschlusses tanzte Elizabeth mit dem sozialistischen Panafrikaner Kwame Nkrumah und duzte nach dessen Freilassung Nelson Mandela. Dass sie dessen Befreiungskampf unterstützt hätte, lässt sich indes kaum behaupten. Seit Jahrzehnten warten Millionen Afrikaner vergeblich auf Reparationszahlungen oder zumindest eine offizielle Entschuldigung der britischen Krone für die Gräuel der Sklaverei und des Kolonialismus: Dass unter Charles III. die Chancen dafür wachsen, wird nicht erwartet. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 18.9.2022)