Mit Gas wird nicht nur geheizt, mit Gas wird auch Strom erzeugt, wenn die Kapazität erneuerbarer Energien zur Deckung der Nachfrage nicht ausreicht. Das hat zuletzt die Preise nach oben schnellen lassen.

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Dass etwas getan werden muss gegen die Ausritte der Strompreise, ist nahezu unbestritten. Nur was? Während die EU-Kommission zuletzt einen Preisdeckel von 180 Euro je Megawattstunde (MWh) bei aktuellen Strompreisen um die 500 Euro/MWh ins Spiel gebracht und eine große Reform des Preisbildungsmechanismus angekündigt hat, ist die Strombranche mit dem einen wie dem anderen unglücklich.

Ein Preisdeckel auf Strom mit Abschöpfung von Zufallsgewinnen zur Umverteilung an Haushalte und Unternehmen sei eine "Symptomkur"; das Problem werde damit nicht gelöst, sagte Verbund-Chef Michael Strugl in seiner Funktion als Präsident von Österreichs Energie. Weil die Reform des Marktdesigns wegen hoher Komplexität so rasch wohl nicht komme, macht sich die Branche interimistisch für ein zweistufiges Vorgehen stark.

Merit Order wie bisher

In einem ersten Schritt sollten die Strompreise EU-weit wie bisher ermittelt werden. Anbieter von Kraftwerksleistung melden an der Börse, wie viel sie zu jeder Stunde produzieren können, Großeinkäufer melden ihren Bedarf. Ist die notwendige Strommenge für den Folgetag fixiert, steht auch der Preis fest. Dieser bemisst sich nach den Vorstellungen von Österreichs Energie am letzten Kraftwerk, das zur Abdeckung der Gesamtnachfrage noch zugeschaltet werden muss (Merit-Order). Weil das in der Regel ein Gas- oder Steinkohlekraftwerk ist, marschiert der Preis aller Anbieter aufgrund des Marktmechanismus nach oben.

In einer zweiten Runde sollte auf Basis der dann schon feststehenden Mengen der im Auktionsverfahren für jede Stunde des Folgetags ermittelte Höchstpreis für Strom mit dem Zielpreis überschrieben werden. Damit wären die Preisspitzen gekappt, und ein Hauch von Normalität würde wieder am Strommarkt einkehren.

Deckel und Kompensation

Um die passende Höhe des Preisdeckels zu bestimmen, seien wiederum Experten gefragt und sollte auf europäischer Ebene festgelegt werden, fordert Strugl. Nationale Alleingänge funktionierten nicht, weil die europäischen Strommärkte gekoppelt sind, was gut sei, da Österreich zum Beispiel im Winter auf Stromimporte angewiesen ist. Künstlich verbilligter Strom würde auch in andere Märkte fließen, wie das Beispiel Spanien zeige. Die iberische Halbinsel ist zwar vergleichsweise schlecht mit dem Rest Europas verbunden; seit die Regierung in Madrid aber begonnen habe, den Strompreis künstlich niedrig zu halten, gehe billige elektrische Energie, soweit dies eben möglich sei, von Spanien auch nach Frankreich.

Die Betreiber jener Kraftwerke, deren Gestehungskosten über dem Preisdeckel liegen, müssten entsprechend kompensiert werden. Wie? Indem der Staat Geld in die Hand nimmt, wie Strugl ausführte. Würden Kraftwerksbetreiber auf ihren Kosten sitzenbleiben, würden sie gar nicht anbieten. Die Folge wären Versorgungsengpässe bis hin zu möglichen Blackouts. Österreichs Energie will den Vorschlag als Diskussionsbeitrag auf europäischer Ebene verstanden wissen. Die Branche ist überzeugt, dass damit, zeitlich beschränkt, Gutes bewirkt werden könne.

(Günther Strobl, 20.9.2022)