Diversität findet sich aktuell in den wenigsten geförderten Start-ups. Investoren und Gründer sind fast ausschließlich Männer.

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90 Prozent des Finanzierungsvolumens für Start-ups in Österreich gehen an rein männlich besetzte Gründungsteams. Das hat viele Gründe – unter anderem, dass es viel zu wenige Frauen in diesem Bereich gibt. Das gilt für die Founder- ebenso wie für die Investorenseite. Eine neue Studie hat diese Fakten nun in Zahlen gegossen, um auf den Missstand hinzuweisen.

Rekordvolumen

Trotz schwieriger Zeiten und einer drohenden Rezession erhielten österreichische Start-ups im ersten Halbjahr 2022 mehr Kapital als je zuvor. Mit rund 881 Millionen Euro wurde das Volumen des Vorjahreszeitraums um 67 Prozent überschritten. Einziger Wermutstropfen: Die Szene bleibt weiterhin stark männerdominiert. "Der Venture-Capital-Markt ist nach wie vor überwiegend ein 'Boys-Club'. Mehr als neun von zehn investierten Euros gingen 2022 an rein männlich besetzte Gründungsteams," bestätigt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich, die Situation. Dieses Ungleichgewicht sei laut Haas nichts Neues. Nach wie vor liege der Anteil an Gründerinnen bei nicht einmal einem Fünftel, bei Investorinnen sogar noch niedriger.

"Wie viele Studien zeigen, investieren männliche Investoren vor allem in männliche Gründer." Hier könne man nur gegenwirken, wenn man Initiativen für Female Entrepreneurship in Österreich startet, sagt Haas. Dies noch besser aufzuzeigen war Aufgabe des Female Funding Index 1/2022. Initiiert von Female Founders und der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, wurden dafür Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt, in den Index mitaufgenommen. Die ausgewerteten Zahlen sprechen für sich.

Bei 63 von 75 Finanzierungsrunden im ersten Halbjahr 2022 bestanden die Gründungsteams nur aus Männern – das entspricht 84 Prozent. Bei zwölf Finanzierungsrunden bestanden die Founding Teams aus männlichen und weiblichen Gründern (16 Prozent). Für ein rein weiblich besetztes Führungsteam gab es im ersten Halbjahr 2022 kein Kapital. Damit erhalten Female Start-ups, also Jungunternehmen mit mindestens einer Frau im Gründungsteam, unterdurchschnittlich viele Investments. Zitiert wird auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des WU Gründungszentrums im Auftrag des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Diese zeigt, dass 36 Prozent aller Start-ups in Österreich von Frauen oder mit Co-Founderinnen gegründet werden – das ist der höchste Wert in der EU. Dem gegenüber stehen allerdings nur 16 Prozent Female Start-ups mit einem Investment im ersten Halbjahr 2022.

Noch größer ist das Ungleichgewicht beim Finanzierungsvolumen: Mehr als 90 Prozent des investierten Kapitals flossen in Start-ups und Scale-ups, bei denen das Founding Team nur aus Männern besteht. Das liegt knapp über dem langfristigen Durchschnitt von 88 Prozent zwischen 2010 und 2021.

"Leider zeigt sich das massive Ungleichgewicht in der Finanzierung rein männlicher beziehungsweise gemischter und rein weiblicher Gründungsteams auch in Österreich ganz deutlich. Ich würde mir wünschen, dass sich der hohe Anteil an weiblichen (Co-)Gründerinnen, den wir in Österreich verzeichnen, auch sehr bald in den Finanzierungsrunden widerspiegelt", sagt Lisa-Marie Fassl, Co-Founder und CEO von Female Founders. Mittlerweile sollten laut Fassl doch auch männliche Investoren erkannt haben, dass Diversität mit unternehmerischem Erfolg einhergeht – immerhin seien genderdiverse Teams 20 Prozent profitabler und nachweislich resilienter. Zwei Faktoren, die besonders in Zeiten von Krisen essenziell seien, fasst Fassl ihre Meinung zusammen.

Richtige Richtung

"Gerade in den letzten Jahren gab es sehr positive Entwicklungen in Richtung einer stärkeren Gender-Diversity und Zunahme an Female Entrepreneurship," will Haas die Hoffnung auf Besserung nicht aufgeben. Trotzdem sei der geringe Frauenanteil, vor allem auch bei Business-Angels und Venture-Capitalists, kontraproduktiv für diese Entwicklung. Es sei wichtig, hier eine positive Spirale in Gang zu setzen: "Wenn Gründerinnen Finanzierungen bekommen und einen erfolgreichen Exit machen, erhöht das den Anteil an weiblichen Kapitalgeberinnen, was wiederum die Chance für Investments für Gründerinnen erhöht", sagt Haas.

Auch Fassl sieht positive Entwicklungen. Der Trend, dass Investmententscheidungen immer faktenbasierter und bewusster getroffen werden, könnte zwei positive Aspekte mit sich bringen. Erstens seien die Geschäftsmodelle von diversen oder weiblichen Teams oftmals eine bessere "Verbindung von Impact und Wachstum", was für Kapitalgeberinnen immer attraktiv sei. Zweitens: Frauen, die die finanziellen Mittel für Direktinvestments oder Investments in Venture-Capital-Fonds haben, "beginnen in diese Assetklasse zu investieren".

Das sei laut Fassl gut für das Ökosystem – es fehle dann nur noch an geeigneten Maßnahmen von staatlicher Seite, die diese Entwicklungen beschleunigen würden. Diesbezüglich scheint aktuell aber noch nichts geplant zu sein. (red, 20.9.2022)