Toni Kronke möchte Schulbiographien verändern und Bildungsabbrüche verhindern.

Foto: Christian Fischer

Eigentlich wollte Toni Kronke "nie wieder einen Schritt in die Schule machen". Tatsächlich steht er nunmehr seit zehn Jahren mit beiden Beinen in Schulen. Und er weiß fast schicksalhaft, dass er als Co-Geschäftsführer und Spiritus Rector von Teach for Austria genau dorthin gehört: "Erst wenn ich zynisch werde, höre ich auf."

Sein Anliegen ist jetzt in der Non-Profit-Bildungsorganisation weit gediehen, aber auch weit entfernt von erfüllt: Jedes Kind soll die Chance auf ein gutes Leben haben, egal wie viel Geld und Bildung die Eltern mitbringen. Noch sind etwa zwölf Prozent der 15- bis 24-Jährigen – das sind jährlich etwa 120.000 Menschen im Land – frühe Bildungsabbrecher und haben damit höchstes Risiko für Armut, gesundheitliche Probleme und kürzere Lebenserwartung.

Genau da setzt Teach for Austria an. Das System: Hochschulabsolventinnen und -absolventen durchlaufen ein mehrstufiges Auswahlverfahren, werden einen Sommer lang gezielt geschult und erhalten dann für zwei Jahre einen Sondervertrag als Lehrpersonen in einer Mittelschule oder einem Polytechnikum, also in sozial meist hochbelasteten Schulen. Dort, wo Elternhäuser und Schulsystem limitiert oder überfordert sind. 481 solcher Fellows waren bis jetzt im Programm in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich tätig und haben rund 50.000 Kids begleitet, Impulse in die Schulen gebracht, teilweise auch als Freizeitbuddys für die jungen Menschen gearbeitet. 40 Prozent der Fellows sind bisher länger als die zwei Jahre geblieben. Manche sind dann selbst "Edupreneurs" geworden. Everyone Codes, Vienna Hobby Lobby oder More Than One Perspective sind bekannte Namen solcher Gründungen.

Es geht um Wandel in der Gesellschaft

Rund zwei Millionen Euro sammelt Kronke mit seinem Team von Stiftungen, Familienunternehmen und Spendern für die Infrastruktur der Organisation ein. Der Erfolg bemisst sich an der Wirkung: 85 Prozent (statt rund 75) der solcherart betreuten Jungen machen eine weiterführende Ausbildung und fallen nicht mit 15 Jahren aus den Bildungssystemen.

Teach for Austria hat im Bildungssystem viel bewegt und wird mittlerweile auch als fixer Player anerkannt und gefragt – etwa beim Thema Quereinstieg in den Lehrberuf. Obwohl, sagt Kronke, es gehe ihm nicht um Quereinstieg, sondern "um Wandel in der Gesellschaft, um Partizipation".

Das war dem aus Rostock stammenden Kulturwissenschafter immer schon ein Anliegen, schon von Beginn an in seiner entwicklungspolitischen Arbeit etwa in Brasilien, wo er auch Community-Radios in die Welt brachte. Zurück in Deutschland dockte er bei der Schwesterorganisation Teach First Deutschland an und unterrichtete in einer Hauptschule. "Das hat mich sehr geprägt. Kids, die sich ein Bett mit den Geschwistern teilen, die in der Nacht arbeiten müssen. Es hat mich zuerst wirklich überrascht, dass es das in Deutschland, vor der eigenen Haustür, gibt. Und diese Kids wissen genau, dass sie eigentlich schon aussortiert sind. Das wollte ich ändern." Bei einem Vernetzungstreffen der Dachorganisation Teach for All traf Kronke auf Walter Emberger, der einen österreichischen Ableger gründen wollte. "Dann haben wir zwei angefangen." Das wird nicht gehen, war allgemein die Reaktion – sie scheint die beiden umso mehr angespornt zu haben. Und es ging. 2012 standen dann erstmals auch in Österreich Fellows in der Schule.

Allen Widrigkeiten zum Trotz

Mittlerweile ist Teach for Austria auch in Wien-Favoriten in Kindergärten tätig. Das will Kronke ausbauen. Und die "Lücke Volksschule schließen". Bis jetzt hat geklappt, was er sich vorgenommen hat – irgendwie ist seine Leidenschaft für Bildungsgerechtigkeit auch sehr ansteckend. Kronke lächelt: "Ja, du nimmst es dann leicht auch persönlich, wenn das anderen nicht so wichtig ist." Also zum zehnjährigen Jubiläum auf weitere zehn Jahre? Der 44-jährige Vater einer Tochter mit Wohnsitz in Wien-Ottakring nickt heftig.

Schwierigkeiten nimmt er zur Kenntnis und sucht nach Lösungen. Aktuell etwa im Recruiting neuer Fellows. Denn auch wenn ein solches Fellowship für Absolventen vom Operngesang bis zur Medizin sehr attraktiv ist – nach der Corona-Zäsur hat sich auch in der Sinnarbeit im Bildungsbereich einiges verändert. Auch hier tauchen in den Recruitinggesprächen viel mehr Teilzeitwünsche auf. Aber: Kronke hat ja wirklich schon viel größere Hürden genommen. (Karin Bauer, 22.9.2022)