ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger hatte vergangene Woche im U-Ausschuss viel zu klopfen, zu besprechen und dazwischenzurufen.

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Harmonie hatte vergangenen Donnerstag im U-Ausschuss niemand erwartet: Dass die ÖVP den sogenannten "Tirol-Tag" mehr als skeptisch sah, war klar. Eine derartige Abwehrschlacht, wie sie Fraktionsführer Andreas Hanger und seine Kollegenschaft führten, hat es im U-Ausschuss allerdings bisher kaum gegeben. Rund hundert Mal wurde die Zulässigkeit von Fragen bestritten, auch durch die drei Auskunftspersonen aus der ÖVP. Das zeigen die vorläufigen stenografischen Protokolle der Sitzung, die zu Wochenbeginn an die Abgeordneten geschickt wurden.

"Wir werden jede einzelne Frage in jedem Punkt hier bekämpfen", kündigte der ÖVP-Abgeordnete Christian Stocker schon früh in der ersten Befragung an. Die Volkspartei war besonders grantig, weil sie am vergangenen Mittwoch Personen aus dem Umfeld der SPÖ geladen hatte, um Auftragsvergaben unter den Kanzlern Werner Faymann und Christian Kern zu prüfen. Da waren jedoch kaum Fragen zugelassen worden, weil sich die Themen außerhalb des Untersuchungsgegenstands oder Untersuchungszeitraums befunden hatten.

Schon in der ersten Wortmeldung der Sitzung vom Donnerstag zeigte Hanger die Stoßrichtung:

Hanger: "Wir reden von der Vollziehung des Bundes. Wir debattieren hier nicht Fragen einer Landesverwaltung. Wir debattieren hier nicht Fragen einer Parteifinanzierung oder jener derer Teilorganisationen."

Tatsächlich bewegten sich Opposition und Grüne am Donnerstag entlang eines schmalen Grats. Es ging vor allem um Inserate in Medien, die der Tiroler Volkspartei zugerechnet werden, sowie um Corona-Hilfen an die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend. Untersucht werden darf nur, was eine Verbindung zur Bundesverwaltung hat: Die Corona-Hilfen des NPO-Fonds also schon, die genaue interne Struktur der ÖVP Tirol jedoch nicht. Daher war die ÖVP mit ihren "Einsprüchen" gegen diverse Fragen immer wieder erfolgreich.

Schon bei einfachen Fragen, die Usus im U-Ausschuss sind, kam es jedoch zu Verzögerungen und Debatten, etwa rund um die Tätigkeiten des Tiroler ÖVP-Geschäftsführers Martin Malaun.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Stimmt das, dass Sie auch eine Funktion in einer sogenannten Tiroler Pressegesellschaft haben? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Dr. Martin Malaun: Frau Vorsitzende, ich bitte um die Zulässigkeitsfrage.

(Abg. Hanger – auf den Tisch klopfend und die Hand hebend –: Moment, Moment, zur Geschäftsbehandlung!)

(Abg. Krainer: Zu Wort melde ich mich durch Handheben, nicht durch Klopfen!)

(…)

Krainer: Wenn er erst nachfragen muss, ob er Geschäftsführer ist und ob er überhaupt bei der ÖVP ist, dann dauert das Ganze natürlich länger, das ist mir klar.

Die SPÖ wollte von Malaun Details zu einem Magazin wissen, das im Wahlkampf 2018 verteilt wurde.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das Magazin, das Sie hier ansprechen, war das 2018 diese Ausgabe für den Landtagswahlkampf 2018, die an alle Tiroler Haushalte gegangen ist, das sogenannte "VP Magazin"? (Die Vertrauensperson wendet sich an die Auskunftsperson.)

Dr. Martin Malaun: Ich bestreite die Zulässigkeit dieser Frage.

Verfahrensrichter-Stellvertreterin Mag. Christa Edwards: Ich glaube, dass Herr Abgeordneter Stocker recht hat. Landtagswahlkampf und so weiter kann nicht Vollziehung des Bundes sein.

Stocker: Ich halte diese Vorsitzführung für sehr parteilich, für nicht ausgewogen und auch für nicht der Rechtsordnung entsprechend. Das ist meine Meinung, die ich hier kundtue, und ich sage hier ganz offen: Ich hätte mir nie gedacht, dass ich mir überlegen muss, der Auskunftsperson beziehungsweise ihrer Vertrauensperson zu empfehlen, eine Frage nicht zu beantworten, obwohl sie als zulässig erachtet wurde, damit Gerichte klären, was hier vorgeht.

Dr. Martin Malaun: Das heißt, ich muss mir jetzt das ganze Magazin anschauen, ob jede Seite mit dem identisch ist, was ich noch in Erinnerung habe? Da brauche ich allerdings ein bisschen Zeit.

Vorsitzender-Stellvertreterin Mag. Selma Yildirim: Was ist schwierig an dieser Frage, ob ein Medium bekannt ist oder nicht bekannt ist? Jetzt drehen wir uns seit einer halben Stunde um genau diese Frage. Mit Verlaub, Frau Verfahrensrichterin, ist diese Frage aus Ihrer Sicht zulässig oder nicht zulässig?

Verfahrensrichter-Stellvertreterin Mag. Christa Edwards: Ja!

Kaum Antworten zu Corona-Hilfen

Auch rund um Corona-Hilfen für die Jungbauernschaft, die laut Vizekanzleramt der ÖVP zuzurechnen sind, blockten Malaun und die türkise Fraktion ab.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Haben Sie Wahrnehmungen, in welcher Höhe diese Gelder zurückzuzahlen sind? (Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Dr. Martin Malaun: Darf ich zuerst wieder nach der Zulässigkeit dieser Frage fragen?

Verfahrensrichter-Stellvertreterin Mag. Christa Edwards: Welchen Einwand hätten Sie dagegen? Es würde mir jetzt keiner einfallen. Das habe ich jetzt schon – –

Dr. Martin Malaun: Weil halt immer mehr versucht wird, das Ganze in einen Wahlkampf zu bringen, das ist das Einzige. Darum frage ich das immer wieder.

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich halte einmal mehr fest, dass diese ganze Befragung absurd ist, denn wenn die Auskunftsperson – –

Vorsitzender-Stellvertreterin Mag. Selma Yildirim: Ich ersuche Sie bitte Ihre Wortmeldung auf die Verfahrensordnung – –

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Nein, ich rede jetzt, ich bin jetzt am Wort, und wir haben ein freies Rederecht im österreichischen Parlament! Wenn Sie mir das freie Rederecht entziehen wollen, dann sagen Sie das, aber das werde ich mir nicht nehmen lassen. Ich halte fest, dass diese Befragung absurd ist. Bei jeder Frage zum NPO-Fonds sagt die Auskunftsperson: Ich habe keine Wahrnehmungen dazu! – Und da werden irgendwelche Dinge konstruiert, wo man dann auch wieder keine Information geben kann. Bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass eben keine Wahrnehmung da ist!

Und später:

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Haben Sie dann mit dem Vizekanzleramt Kontakt aufgenommen, oder waren Sie da involviert? Ich meine, das ist immer die vergebende Stelle. – Ist hier der Zusammenhang gegeben?

Dr. Martin Malaun: Darf ich hier wieder um die Entscheidung zur Zulässigkeit bitten?

Verfahrensrichter-Stellvertreterin Mag. Christa Edwards: Am liebsten würde ich sagen: Beantworten Sie es doch einfach. (Unruhe im Saal.)

"Hallo! Hallo! Hallo! Hallo!"

Dasselbe Bild ergab sich dann bei der zweiten Auskunftsperson, dem Tiroler Bauernbund-Obmann und stellvertretenden Landeshauptmann Josef Geisler – und die Stimmung wurde zusehends hitziger.

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sie haben keine Wahrnehmungen zu den Förderansuchen der Zweigvereine?

(Abg. Hanger: Aus den Medien, ich meine ...!)

Abg. Hafenecker: Ja, ja, aber dass das alles so eine Eigendynamik entwickelt, ist natürlich spannend.

(Abg. Hanger: Na gut, das wird ja dann zusammengefasst ...!

Abg. Stögmüller: Hallo! Hallo! Hallo! Hallo! –

Abg. Tomaselli – in Richtung Abg. Hanger –: Jetzt hör mal auf mit der Störerei! Das nervt!

Abg. Stögmüller: Kann man mal einen Ordnungsruf machen?)

Skurriler Höhepunkt der Befragung war eine Diskussion, ob eine Ausgabe eines ÖVP-nahen Magazins während des Wahlkampfs ein türkises oder ein blaues Cover hatte.

Verfahrensrichter-Stellvertreterin Mag. Christa Edwards: Bitte, wenn es von wirklich tiefschürfender Bedeutung ist, möchte ich jetzt schon auch fürs Protokoll festhalten – Frau Abgeordnete Tomaselli, ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel! –: Die Farbe ist tatsächlich mehr blau als türkis.

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Pardon, entschuldigen Sie bitte das Druckgerät der Parlamentsdirektion, das in den Klubräumlichkeiten der Grünen untergebracht ist. Man kann es gern auch digital nachschauen, in dem Aktenbestandteil ist es sehr klar.

Verfahrensrichter-Stellvertreterin Mag. Christa Edwards: Ich glaube, verzeihen

(Abg. Matznetter: Auch die Geräte verweigern schon türkis ...! –

Abg. Tomaselli: Ja, es ist vorbei! –

Abg. Krainer: Vielleicht sollten wir schauen, ob der Sobotka daran schuld ist! Vielleicht ist er gar kein Türkiser mehr!)

"Horchen Sie ein bisschen besser zu!"

Bei der dritten Auskunftsperson, dem Tiroler Jungbauern-Obmann und ÖVP-Landtagskandidaten Dominik Traxl, hatten die Abgeordneten dann schon mehr als sechs Stunden solcher Debatten erlebt. Traxl selbst zeigte sich dann recht unwissend, was die Vorgänge in seiner Organisation betraf – immer wieder verwies er auf das "Landesbüro", das Dinge wie Inserate, Magazin und NPO-Förderungen bearbeite.

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Der Sitz ist in der Brixner Straße 1, korrekt?

(Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Dominik Traxl, BEd: Das Landesbüro befindet sich in der Brixner Straße.

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): An derselben Adresse wie der Tiroler Bauernbund, das ist dieselbe Hausnummer.

(Die Auskunftsperson berät sich mit ihrer Vertrauensperson.)

Dominik Traxl, BEd: Also die genaue Adresse des Tiroler Bauernbundes müsste ich Ihnen nachschauen.

Auch die Akustik wurde offenbar schlechter: Dagmar Belakowitsch (FPÖ), die statt Wolfgang Sobotka den Vorsitz führte, forderte den SPÖ-Abgeordneten Reinhold Einwallner auf, mit seinen Fragen ein "bisschen mehr darauf zu achten, im Untersuchungsgegenstand" zu bleiben. Hanger wollte hingegen gehört haben, Einwallner solle laut Belakowitsch nur "ein bisschen im Untersuchungsgegenstand" bleiben – und beschwerte sich gleich über die Vorsitzführung.

Vorsitzender-Stellvertreterin Dr. Dagmar Belakowitsch: Herr Kollege Hanger, ich habe auch nicht gesagt, er soll ein bisschen im Untersuchungsgegenstand sein, sondern er soll sich ein bisschen mehr bemühen, dass er den Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand findet. Das ist etwas ganz anderes. Ich würde Sie auch bitten: Horchen Sie ein bisschen besser zu!

(Abg. Krainer hebt die Hand.)

Am Ende krachten dann sogar die Koalitionspartner mit voller Wucht aufeinander:

Vorsitzender-Stellvertreterin Dr. Dagmar Belakowitsch: So, bitte um Ruhe im Saal! Am Wort ist Abgeordneter Hafenecker.

(Abg. Tomaselli: Nein! Nein! Du bist nicht die moralische Instanz! – Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Vorsitzender-Stellvertreterin Dr. Dagmar Belakowitsch: Herr Kollege Hanger, Frau Kollegin Tomaselli! Wenn Sie ein Problem haben, bitte machen Sie das draußen, damit wir in der Befragung weiterkommen können!

Zahlt sich so ein U-Ausschuss-Tag überhaupt aus? Aus Sicht der Opposition und der Grünen: durchaus. Denn in solchen Sitzungen geht es weniger darum, Auskünfte durch die geladenen Personen zu finden, sondern mehr darum, Erkenntnisse und Kritikpunkte durch die Fragestellungen zu transportieren. So wurde das Thema der Inseratenvergabe medial verbreitet; außerdem präsentierte die Opposition interne Besprechungsnotizen aus der ÖVP, die die Volkspartei bezüglich ihres Verhältnisses zur Jungbauernschaft in einige Erklärungsnot brachten. (Fabian Schmid, 20.9.2022)