"Eine ORF-Gremienreform ist nicht Teil der Verhandlungen": ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger.

Robert Newald

Mitten im großen Clinch zwischen privaten Medienhäusern und dem ORF über mehr digitale Möglichkeiten für den ORF wurde Kurt Egger im Juli neuer ÖVP-Mediensprecher. Pünktlich zu Dienstantritt in der Funktion kippte der Verfassungsgerichtshof GIS-freies Streaming mit Reparaturfrist bis Ende 2023. Und der Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes startete in die Endverhandlungen über eine neue, kolportiert 20 Millionen Euro schwere Journalismusförderung, über neue Regeln für Regierungsinserate und für die staatliche "Wiener Zeitung".

Egger hat sich rasch eingearbeitet und die neue Rolle, in der man zwischen vielen gegensätzlichen Interessen steht, nach eigenem Bekunden noch nicht bereut. Der ÖVP-Mediensprecher sagt im STANDARD-Interview:

  • Eine Haushaltsabgabe statt der GIS könnte den ORF teuer kommen – wenn der Vorsteuerabzug wegfällt, würde das nach Eggers Infos an die 140 Millionen Euro pro Jahr kosten.
  • Bei einer Geräteabgabe statt der heutigen GIS "muss man sich überlegen, wie man kontrolliert, wer welches Gerät betreibt".
  • Befreiungen von der Rundfunkgebühr dem ORF abzugelten wie Telekomunternehmen und Post "ist im Regierungsprogramm nicht vorgesehen".
  • Eine Reform der ORF-Gremienderzeit prüft der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Burgenlands die Politiknähe – sei "nicht Teil der Verhandlungen" über eine Novelle.
  • Mehr digitale Möglichkeiten für den ORF und für private Medienhäuser finanzierbarer Qualitätsjournalismus sind für Egger kein Widerspruch: "Da geht es darum, sich aufeinander zuzubewegen."
  • Ein Aus für ORF.at, wie es die Neos forderten, ist für Egger kein Thema: "Keine Ahnung, wie man auf die Idee kommt." Aber die "blaue Seite" des ORF müsse ihr Textangebot reduzieren.
  • Zu Werbebeschränkungen für den ORF äußert sich der ÖVP-Mediensprecher eher zurückhaltend. Hier machten vor allem internationale Digitalplattformen österreichischen Medien Konkurrenz.
  • Die neue, zusätzliche Journalismusförderung will Egger noch nicht beziffern, kolportiert wird ein Fördervolumen von um die 20 Millionen Euro – auch für allein digitale Medien. Egger: "Es wird eine Summe sein, für die wir uns nicht schämen müssen."
  • Eine Obergrenze für Regierungsinserate will sich Egger nicht vorstellen. Sinnvoller findet er die öffentliche Darstellung von Kampagnenzielen und -inhalten und des Mitteieinsatzes – dann könnten die Wählerinnen und Wähler die Werbung öffentlicher Stellen beurteilen.
  • Die republikseigene "Wiener Zeitung" soll nun tatsächlich die Pflichtveröffentlichungen von Unternehmen verlieren, die den Großteil ihrer Einnahmen ausmachen. Wird die älteste noch erscheinende Tageszeitung als Wochen- oder Monatstitel fortgeführt, was die Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger schon als Perspektive nannte? "Ich bin zuversichtlich, dass wir da eine gemeinsame Lösung zustande bringen, die beide mittragen können."
  • Hat der Wirtschaftsbund-Generalsekretär schon Inserate verkauft? Nicht nach seiner Erinnerung; in Sachen Vorarlberger-Wirtschaftsbund-Zeitschrift würden Behörde und Gerichte entscheiden.
  • Job-Perspektive ÖVP-Generalsekretär? "Mich hat noch niemand gefragt", sagt Egger diplomatisch nicht Ja und nicht Nein. Und bewegte sich Laura Sachslehners Abgang womöglich nahe an einer Parteischädigung? "Ich hätte es anders gemacht."


ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger: "Den ORF unmittelbar aus dem Budget zu finanzieren, wäre nach meinem Informationsstand rechtlich nicht möglich, das müsste man zum Beispiel über eine unabhängige Behörde regeln."
Robert Newald

"Wir müssen die GIS-Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs umsetzen."

STANDARD: Müssen wir alle ab 1. Jänner 2024 für den ORF zahlen, ob wir ihn nun nutzen oder nicht und ob wir streamen oder nicht?

Egger: Wir müssen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs umsetzen.

STANDARD: Der Verfassungsgerichtshof hat Ende Juni entschieden: Eine wesentliche Nutzungsmöglichkeit für den ORF wie Streaming von der GIS auszunehmen widerspricht der Verfassung. Er hat eine Frist bis Ende 2023 gesetzt, um eine neue, verfassungskonforme Regelung zu finden.

Egger: Dafür gibt es im Grunde drei Möglichkeiten: Erstens eine öffentliche Finanzierung, die gefällt dem Regierungspartner nicht so gut …

STANDARD: Sie meinen Finanzierung aus dem Bundesbudget – Sie könnten sich das vorstellen?

Egger: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk soll unabhängig sein. Das Staatsbudget ist eine Möglichkeit, ihn zu finanzieren. Das ist nicht meine Erfindung, das gibt es in vielen Mitgliedsstaaten der EU. Aber man müsste sicherstellen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch eine solche Finanzierung nicht von der Regierung abhängig ist. Dafür müsste man Mechanismen finden …

STANDARD: Damit der ORF-Generaldirektor nicht Jahr für Jahr beim Finanzminister um sein Budget betteln muss.

Egger: Das wäre jedenfalls nicht die Idee der Budgetfinanzierung. Den ORF unmittelbar aus dem Budget zu finanzieren wäre nach meinem Informationsstand rechtlich nicht möglich, das müsste man zum Beispiel über eine unabhängige Behörde regeln.

STANDARD: Aber mit dem Koalitionspartner Grüne ist Budgetfinanzierung ohnehin eine eher unwahrscheinliche Variante.

Egger: Möglichkeit zwei ist eine Abgabe auf Empfangsgeräte, gemäß Verfassungsgerichtshof erweitert um Streaming. Und Variante drei ist eine Haushaltsabgabe. Klar ist: Es muss eine Nachfolgeregelung zur heutigen GIS-Gebühr geben, weil die mit 1. Jänner 2024 so nicht mehr eingehoben werden darf. Und daher wird es in den nächsten Wochen Gespräche geben müssen, um auszuloten: Wohin geht die Reise?

"Wenn man sich für eine Geräteabgabe entscheidet, muss man sich überlegen, wie man kontrolliert, wer welches Gerät betreibt."

STANDARD: Welches Modell ist aus Ihrer Sicht das sinnvollste?

Egger: Jedes Modell hat Vor- und Nachteile. Wenn man sich für eine Geräteabgabe entscheidet, muss man sich überlegen, wie man kontrolliert, wer welches Gerät betreibt.

STANDARD: Im Grunde braucht man dann wieder eine Art GIS, die an der Tür klingelt oder sonst wie nachfragt, welche Geräte man betreibt, mit denen man ORF-Inhalte nutzen kann.

Egger: Die Haushaltsabgabe hat aber auch ihre Herausforderungen: Wie gehe ich dann mit den Abgaben um, die Bund und Länder derzeit auf die GIS einheben? Kann das mit einer Haushaltsabgabe so weiter funktionieren und, wenn ja, wie? Und man muss bedenken: Mit der Haushaltsabgabe ist der Vorsteuerabzug für den ORF weg.

STANDARD: Ist das zwingend so?

Egger: Das sagen mir die Experten so. Dann ist der Vorsteuerabzug für den ORF weg, und da geht es um 140 Millionen Euro für den ORF, und die müssten dann anders finanziert werden.

"Die ORF-Gebühren wurden Anfang des Jahres bereits um acht Prozent erhöht. In Zeiten allgemeiner Teuerung sollten alle schauen, wie und wo sie am besten einsparen können – das gilt für private Haushalte gleichermaßen wie für den Staat und auch für den ORF."

STANDARD: Einige ORF-Stiftungsräte und auf Nachfrage auch der ORF-General Roland Weißmann würden sich jedenfalls nicht dagegen wehren, wenn die Republik dem ORF – wie Post und Telekomunternehmen – Gebührenbefreiungen für sozial Schwache abgelten würde. Das sind laut ORF pro Jahr 63 Millionen Euro. 2010 bis 2013 gab es eine solche "Refundierung" an den ORF schon, befristet und an Sparauflagen gebunden. Was halten Sie davon?

Egger: Die ORF-Gebühren wurden Anfang des Jahres bereits um acht Prozent erhöht. In Zeiten allgemeiner Teuerung sollten alle schauen, wie und wo sie am besten einsparen können – das gilt für private Haushalte gleichermaßen wie für den Staat und auch für den ORF. Ich werde den laufenden Verhandlungen nicht vorgreifen und auch den Verhandlungspartnern meine Meinung nicht über die Medien ausrichten. Eine Refundierung ist im Regierungsprogramm allerdings nicht vorgesehen.

ORF-Novelle mit neuer GIS-Regelung "muss sich ausgehen" bis Frühjahr 2023.
Robert Newald

STANDARD: ORF-Stiftungsräte – türkise, rote, grüne – und ORF-General Weißmann haben vorige Woche an den Gesetzgeber appelliert, dass die GIS bis März 2023 neu zu regeln ist, sonst ließe sich das nicht mehr bis Anfang 2024 umsetzen. Kriegen Sie das hin?

Egger: Es muss sich ausgehen. Es braucht eine Finanzierung des ORF ab 2024, und sie muss implementiert werden. Nach meinen Informationen hat Deutschland zwei Jahre gebraucht, um eine Haushaltsabgabe umzusetzen. So viel Zeit haben wir in Österreich nicht. Wir haben einen gewissen Handlungsdruck, und ich gehe davon aus, dass die Gespräche zügig starten, um auszuloten, wohin die Reise geht.

STANDARD: Verstehe ich Sie richtig, dass sich eine Haushaltsabgabe nicht mehr ausgeht bis 2024?

Egger: Das habe ich nicht gesagt. Wir haben nur bis 1. Jänner 2024 Zeit – also nicht zwei Jahre, wie sie Deutschland dafür brauchte.

STANDARD: Und könnte man sie so schnell umsetzen?

Egger: Ich kann nicht beurteilen, ob eine schnellere Umsetzung möglich ist. Man muss sich überlegen und klären: Wie hebt man so eine Haushaltsabgabe ein, wer hebt sie ein? Dafür braucht man technische Voraussetzungen. Ich verstehe, dass das nicht von heute auf morgen geht, also verstehe ich auch den Appell der Stiftungsräte. Wenn ich das im November 2023 beschließe, geht sich das nicht mehr aus.

"Der ORF muss seine Kosten im Griff und seine Strukturen bestmöglich aufgestellt haben. Am Ende des Tages muss die GIS-Regelung für den Rundfunk passen wie für jene, die den Rundfunk finanzieren."

STANDARD: Wenn künftig auch für die Möglichkeit der Streamingnutzung GIS fällig wird, müssen merklich mehr Haushalte zahlen. Soll sie dann pro Haushalt günstiger als bisher werden und insgesamt etwa aufkommensneutral – oder darf der ORF mit deutlichen Mehreinnahmen rechnen?

Egger: Das Ziel muss sein, öffentlich-rechtlichen Rundfunk entsprechend zu finanzieren, damit er seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen kann. Dafür muss er seine Kosten im Griff und seine Strukturen bestmöglich aufgestellt haben. Am Ende des Tages muss es für den Rundfunk passen wie für jene, die den Rundfunk finanzieren.

"Da muss man die Bedenken der Medienhäuser sehr, sehr ernst nehmen und auch die Wünsche des ORF."

STANDARD: Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs kann man davon ausgehen, dass die wichtigste Einnahmequelle des ORF, die GIS oder künftig eine anders gestaltete ORF-Gebühr, abgesichert wird. Zugleich will der ORF mit einer Digitalnovelle mehr Möglichkeiten online, insbesondere im Streaming. Nun warnen aber etwa die Chefredakteurinnen und Chefredakteure österreichischer Printmedien in einem gemeinsamen offenen Brief: Wenn der ORF online mehr Spielraum bekommt, dann bedrohe das digitalen Printjournalismus existenziell.

Egger: Die zwei Wünsche widersprechen einander nicht. Der ORF will mehr Möglichkeiten online in Video und Audio und mehr Möglichkeiten, auf Plattformen wie Tiktok präsent zu sein. Und den Medienhäusern geht es vor allem um ihr Geschäftsmodell mit Textangeboten. Da geht es darum, sich aufeinander zuzubewegen.

STANDARD: Aufeinander zugehen kann man auch in kriegerischer Absicht.

"In Zeiten wie diesen sind alle gefordert, sich aufeinander zuzubewegen."
Robert Newald

Egger: In Zeiten wie diesen sind alle gefordert, sich aufeinander zuzubewegen. Es geht darum zu definieren: Wie schaut die Medienvielfalt in Österreich aus? Da muss man die Bedenken der Medienhäuser sehr, sehr ernst nehmen und auch die Wünsche des ORF. Und wenn beklagt wird, dass 120 bis 160 tägliche Nachrichten auf ORF.at zu viel sind, muss man darüber diskutieren, wie man das einschränken kann, und dabei gleichzeitig den privaten Medienhäusern funktionierende Geschäftsmodelle ermöglichen. Ich verstehe die Sorge privater Medienhäuser, dass man sich schwertut, Qualitätsjournalismus online zu finanzieren, wenn ein übermächtiger Gegner Content ohne Bezahlschranke liefert. Da muss man einen gangbaren Mittelweg finden.

"Keine Ahnung, wie man auf die Idee kommt, ORF.at abzudrehen."

STANDARD: Gibt es schon konkrete Vorstellungen, wie man die "blaue Seite" ORF.at beschränkt? Die Neos wollen ORF.at gleich ganz abdrehen.

Egger: Keine Ahnung, wie man auf die Idee kommt. Die blaue Seite ist gut eingespielt, sie liefert viel Inhalt, man wird sie aber verändern müssen.

STANDARD: Das heißt: Weniger Text, mehr Video auf ORF.at.

Egger: ARD und ZDF sehen online ganz anders aus als ORF.at, sie beziehen sich nur auf ihre Sendeformate. Die Lösung für ORF.at wird irgendwo in der Mitte liegen.

STANDARD: Der ehemalige ORF-General Alexander Wrabetz hat gerade im STANDARD-Gastkommentar vorgeschlagen, private Medienhäuser an ORF.at zu beteiligen. Was halten Sie davon?

Egger: Da bin ich der falsche Ansprechpartner, da muss man die Medienhäuser fragen, was sie davon halten. Das ist nicht die Aufgabe der Politik. Das ist eine unternehmerische Entscheidung.

STANDARD: Eine solche Beteiligung wäre vermutlich auch wettbewerbsrechtlich schwierig. Der Gesetzgeber könnte dafür Sonderregelungen finden.

Egger: Das Ziel ist, Medienvielfalt, Qualität und Wettbewerb unter den Medien zu unterstützen, damit am Ende des Tages etwas Positives herauskommt.

"Die Konkurrenz sitzt ja nicht nur in Österreich, sondern vor allem auf den großen internationalen Digitalplattformen."

STANDARD: In den Branchenverhandlungen über eine ORF-Novelle sind Werbebeschränkungen im ORF-Radio, im ORF-Fernsehen Thema. Was halten Sie davon?

Egger: Die erlaubten Werbeminuten im ORF sind schon relativ niedrig. Und man muss sagen: Die Konkurrenz sitzt ja nicht nur in Österreich, sondern vor allem auf den großen internationalen Digitalplattformen. In Wahrheit muss man schauen, wie man hier wettbewerbsfähig bleiben kann.

"Ich gehe davon aus, dass alle gleich zufrieden sein werden oder gleich unzufrieden" mit der ORF-Novelle.
Robert Newald

STANDARD: Wenn Sie im Frühjahr 2023 eine ORF-Novelle mit GIS und Digitalthemen vorlegen – wie wird die nach Ihren Erwartungen in der Branche angenommen?

Egger: Ich gehe davon aus, dass alle gleich zufrieden sein werden oder gleich unzufrieden. Die Politik ist hier gefordert, unterschiedlichste Interessen unter einen Hut zu bringen – von Verlagshäusern, Privatsendern, ORF. Wir werden nie alle Wünsche erfüllen können – also wird es für alle Kompromisse bedeuten.

STANDARD: Medienpolitik ist wegen dieser sehr gegensätzlichen Interessen ein Match, das man schwer gewinnen kann, jedenfalls nicht hoch. Haben Sie schon bereut, dass Sie die Funktion des Mediensprechers übernommen haben?

Egger: Nein, Politik zu machen ist immer ein Kompromiss. Und Medienpolitik ist eine der spannendsten Herausforderungen, wie ich in den letzten Wochen gelernt haben. Mit den Grünen gemeinsam gibt es da schon den Willen zu gestalten und vor allem, das auf längere Sicht auch abzusichern.

"Es gibt das gemeinsame Verständnis, den Qualitätsjournalismus zu unterstützen."

STANDARD: Konkreter als die ORF-Novelle sind die Verhandlungen über eine neue Medienförderung.

Egger: Wir verhandeln, und wir werden das in den nächsten Tagen und Wochen über die Ziellinie bringen. Es gibt das gemeinsame Verständnis, den Qualitätsjournalismus zu unterstützen, nach unterschiedlichsten Kriterien …

STANDARD: Das ist eine neue Journalismusförderung neben der existierenden Presseförderung, die sich insbesondere nach der Zahl der Journalistinnen und Journalisten bemisst …

Egger: … nach Auslandskorrespondenten, regionaler Berichterstattung, Frauenförderung, redaktioneller Qualitätssicherung, Mitgliedschaft beim Presserat – einer Reihe von nachvollziehbaren Kriterien.

STANDARD: Kolportiert wurde dafür ein Fördervolumen von 20 Millionen Euro.

Egger: Es wird eine Summe sein, für die wir uns nicht schämen müssen. Aber man sollte Dinge präsentieren, wenn sie fertig verhandelt sind.

STANDARD: Und die Förderung soll 2023 kommen, wenn die EU sie rechtzeitig notifiziert, also geprüft hat nach Brüsseler Wettbewerbskriterien?

Egger: Ja, genau.

STANDARD: Können diese Förderung nun auch rein digitale Medien bekommen – im Gegensatz zu den übrigen Medienförderungen?

Egger: Ja.

"Ich glaube, das bringt mir mehr, als dass ich einen Deckel nach oben einziehe."

STANDARD: Parallel verhandelt die Regierung über eine Novelle des Medientransparenzgesetzes, das die Werbung öffentlicher Stellen regelt und die Bekanntgabepflichten für solche Buchungen. Die Novelle soll zusammen mit der neuen Journalismusförderung kommen. Die Grünen sprachen sich für eine Obergrenze für solche Werbebuchungen aus – was halten Sie von so einem Limit?

Egger: Es gab Überlegungen, das für Bundesländer und Gemeinden zu limitieren. Die Frage ist aber doch: Wofür gebe ich da Geld aus? Welches Kommunikationsziel will ich damit erreichen? Ich bin eher dafür zu haben, dass man sich sehr genau anschaut, wofür wird das Geld eingesetzt, wie kann ich kontrollieren, ob die Mittel sinnvoll eingesetzt wurden? Und wie kann ich auch transparent darstellen, wofür es ausgegeben wurde? Ich glaube, das bringt mir mehr, als dass ich einen Deckel nach oben einziehe.

STANDARD: Das Medientransparenzgesetz schreibt schon vor, dass solche Buchungen öffentlicher Stellen "ausschließlich der Deckung eines konkreten Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit dienen" dürfen und nicht "ausschließlich oder teilweise der Vermarktung", also Werbung für die jeweilige Stelle. Bisher ist nur niemand für die Kontrolle zuständig, ob Ministerien oder Länder diese Vorgaben einhalten. Kommt eine solche Kontrolle?

Egger: Wer könnte das kontrollieren?

STANDARD: Die Medienbehörde Komm Austria, vielleicht der Rechnungshof?

Egger: Wenn öffentliche Stellen verpflichtet werden, transparent zu machen, welche Inhalte sie mit welchen Zielen und Mitteln gebucht haben, dann kontrolliert das in Wahrheit der Wähler. Ich glaube, wir sind alle sehr dafür, dass reine PR-Schaltungen der Vergangenheit angehören werden.

STANDARD: Wien hat gerade einen großen Transparenzbericht über seine Werbebuchungen angekündigt – der dann allerdings auch nur sehr grob und wenig erhellend darlegte, worum es bei den Kampagnen ging und nichts darüber sagte, wo konkret wie viel geschaltet wurde. Das könnte man bei einer Novelle des Medientransparenzgesetzes noch etwas sinnvoller vorgeben.

Egger: Öffentliche Stellen sollten offenlegen müssen: Wo habe ich was geschaltet, mit welchem Inhalt und welchem Kommunikationsziel.

"Fest steht: Die Pflichtveröffentlichungen belasten die Unternehmen."

STANDARD: Sie sind Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Eine langjährige Forderung dieser Wirtschaft, schon in ein paar Regierungsprogrammen zu finden, lautet, Pflichtinserate von Unternehmen in der republikseigenen "Wiener Zeitung" abzuschaffen. Die bringen aber bisher zwei Drittel bis drei Viertel der Einnahmen dieses Unternehmens. Ohne die wird es schwer, eine Tageszeitung zu finanzieren – auch wenn es die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt ist.

Egger: Wir verhandeln, ich kann Ihnen noch keine Ergebnisse präsentieren. Fest steht: Die Pflichtveröffentlichungen belasten die Unternehmen.

STANDARD: Die Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger hat mehrfach davon gesprochen, dass sich ohne die Pflichtveröffentlichungen wohl nur eine Wochen- oder Monatspublikation plus Online finanzieren lassen. Können Sie sich dem anschließen?

Egger: Da eine solche Maßnahme nur mit Mehrheit beschlossen werden kann, gehe ich davon aus, dass wir uns darauf einigen werden, wie das ausschaut. Mit Kollegin Blimlinger gibt es ein gutes Einvernehmen, und ich bin zuversichtlich, dass wir da eine gemeinsame Lösung zustande bringen, die beide mittragen können.

STANDARD: Die vereinten Chefredakteure haben in ihrem offenen Brief zudem appelliert, doch bitte endlich in Österreich vom Amtsgeheimnis zu einem Informationsfreiheitsgesetz zu kommen – als letztes Land Europas.

Egger: Am Montag erst gab es darüber Gespräche von Ministerin Karoline Edtstadler und Vizekanzler Werner Kogler mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig als Vorsitzendem der Landeshauptleutekonferenz. Die Länder und Gemeinden haben ja organisatorische Bedenken geäußert. Es wird verhandelt.

"Ich könnte mich nicht erinnern, dass ich selbst ein Inserat verkauft habe."

STANDARD: Die ÖVP-Teilorganisation Wirtschaftsbund und frühere Funktionäre scheinen in Vorarlberg nach bisherigen Erkenntnissen gut mit Inseraten verdient zu haben, die laut Unternehmern auch mit in Aussicht gestellten Vorteilen bei Behördenverfahren verkauft wurden. Haben Sie schon Inserate verkauft, zum Beispiel als Wirtschaftsbund-Direktor in der Steiermark?

Egger: Wir hatten bis vor sieben, acht Jahren ein Magazin in der Steiermark. Weil das nie ein Geschäft ist …

STANDARD: … in Vorarlberg offenbar schon.

"Ich hätte es anders gemacht": Egger über den Abgang von Laura Sachslehner als ÖVP-Generalsekretärin.
Robert Newald

Egger: Ohne Polemik: Wie in den meisten Bundesländern zahlte man dazu, also haben wir das in der Steiermark eingestellt. Ich könnte mich nicht erinnern, dass ich selbst ein Inserat verkauft habe. Wir in der Steiermark haben den Inseratenverkauf an ein Unternehmen ausgelagert. Was in Vorarlberg wie gelaufen ist, werden Behörden und am Ende vielleicht Gerichte entscheiden.

STANDARD: Aber da diente Inseratenverkauf zumindest auch der Parteienfinanzierung. Das gab es auch in anderen Bundesländern mit Teilorganisationen der Volkspartei.

Egger: Unsere Statuten sehen vor, dass wir unsere Mitglieder informieren. Eine Schiene sind Druckwerke, und dafür überlegt man sich einen angemessenen Inseratenpreis. Manche – wie der Wiener Wirtschaftsbund – haben sich entschieden, das inseratenfrei zu machen. Die ÖVP ist aber die einzige Partei, in deren Rechenschaftsbericht alle Teilorganisationen, auch der Wirtschaftsbund, enthalten sind. Das ist bei der Grünen Wirtschaft, beim Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband, bei der Freiheitlichen Wirtschaft anders. Das neue Parteiengesetz fasst die "nahestehenden Organisationen" aber weiter – und damit die Veröffentlichungspflichten. Ich habe nichts zu verstecken.

"Mich hat noch niemand gefragt."

STANDARD: Die ÖVP sucht gerade einen neuen Generalsekretär. Wären Sie bereit dazu, würde Sie der Job interessieren?

Egger: Mich hat noch niemand gefragt.

STANDARD: Interessieren würde es Sie?

Egger: Karl Nehammer wird sich sein neues Team zusammenstellen. Er wird einen geeigneten Generalsekretär oder eine geeignete Generalsekretärin finden. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit dem oder der gut zusammenarbeiten werden.

STANDARD: Der Abgang der bisherigen Generalsekretärin Laura Sachslehner grenzte nach Ansicht unserer Kommentatoren an parteischädigendes Verhalten. Wie sehen Sie das?

Egger: Ich hätte es anders gemacht.

"In der Natur der Sache ist natürlich, dass es auch Unzufriedenheiten geben wird, weil wir insgesamt dort und da nicht alle Wünsche erfüllen können."

STANDARD: Sie haben gesagt, alle würden nach den anstehenden Neuerungen in der Medienpolitik gleichermaßen zufrieden oder gleichermaßen unzufrieden sein. Worüber können private Medienunternehmen denn dann zufrieden sein? Die neue Journalismusförderung wird wohl dazu zählen …

Egger: Ich gehe davon aus, dass alle mit allem sehr zufrieden sein werden. Aber in der Natur der Sache ist natürlich, dass es auch Unzufriedenheiten geben wird, weil wir insgesamt dort und da nicht alle Wünsche erfüllen können. Und damit wird es immer ein Kompromiss sein.

STANDARD: Fürchten muss sich keiner?

Egger: Unser Ziel kann es nur sein, Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, mit denen man gescheit arbeiten kann, mit denen man wettbewerbsfähig ist, mit denen man sein eigenes Geschäftsmodell weiterentwickeln kann. Wir können nur Grundlagen schaffen, unterstützend tätig sein, und das werden wir, glaube ich, nach besten Wissen und Gewissen machen.

STANDARD: Die Hälfte aller Werbeausgaben in Österreich geht an internationale Digitalkonzerne wie Google und Meta, wissen wir aus den Einnahmen aus der Digitalsteuer auf diese Werbebuchungen. Braucht es da regulative Eingriffe – österreichische oder europäische oder darüber hinaus?

Egger: In Wahrheit kann es nur überregionale Lösungen geben, wie man mit der Situation umgeht. Man muss fairen Wettbewerb sicherstellen. Und es muss auf den digitalen Plattformen rechtlich das gelten, was auch im realen Leben gilt. Recht muss auch im digitalen Raum Recht bleiben. Und es muss Möglichkeiten geben, dagegen vorzugehen, wenn sich manche nicht daran halten.

"Eine Gremienreform ist allerdings nicht im Regierungsprogramm festgelegt und meinem Verständnis nach dementsprechend auch nicht Teil der Verhandlungen."

STANDARD: Wir haben mit dem ORF und seiner Unabhängigkeit begonnen: Das Burgenland hat dem Verfassungsgerichtshof den Besetzungsmodus der ORF-Gremien zur Prüfung vorgelegt. Die Mehrheit dort werde parteipolitisch etwa von Bundesregierung und Landesregierungen, Parteien, mittelbar auch vom Kanzleramt bestimmt, das widerspreche "verfassungsrechtlich gebotener Unabhängigkeit und Regierungsferne". Der Gesetzgeber könnte mit der geplanten ORF-Novelle auch gleich die ORF-Gremien neu und vielleicht politikferner, unabhängiger aufstellen – auch wenn die ÖVP dort gerade die Mehrheit hat?

Egger: Ich werde den Verhandlungspartnern nicht via Medien ausrichten, wie die geplante ORF-Novelle im Detail ausgestaltet sein soll. Eine Gremienreform ist allerdings nicht im Regierungsprogramm festgelegt und meinem Verständnis nach dementsprechend auch nicht Teil der Verhandlungen. (Harald Fidler, 21.9.2022)