Kocher setzt sich für eine Entkopplung von Strom- und Gaspreis ein.

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Wien – Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) rechnet für das Jahr 2023 mit einem geringeren Wirtschaftswachstum als bisher prognostiziert. Aktuell liegt der Wert bei 1,5 Prozent, dieser wird wohl nicht halten, sagte Kocher am Dienstag. Der Oktober wird zudem ein entscheidender Monat für die Arbeitslosigkeit: Dann werde sich zeigen, ob sie stärker steigt als saisonal üblich.

Noch liege Österreichs Wirtschaftswachstum über dem EU-Schnitt, und auch der wöchentliche Wirtschaftsindikator, der die realwirtschaftliche Aktivität Österreichs abbildet, liege höher als in der gleichen Woche des Vorjahrs. Aber die aktuellen Preisanstiege bei Energie seien für Haushalte wie auch für Unternehmen "bedrohlich", so Kocher.

Darum werde nun an einem Energiekostenzuschuss für Unternehmen gearbeitet. Dieser werde aufgrund von EU-Regeln für "energieintensive Unternehmen" kommen, deren Energiekosten mehr als drei Prozent des Umsatzes ausmachen. Die Höhe der Förderung wird dann am Anstieg der Energiekosten anknüpfen – über die Details werde noch verhandelt.

Preisentkopplung "optimale Lösung"

Kocher geht von "zehntausenden" Unternehmen aus, die davon profitieren – von produzierenden über Verkehrsunternehmen bis zu beispielsweise einem Hotel mit Sauna sei ein breites Empfängerfeld denkbar.

Noch wichtiger als die kurzfristige nationale Unterstützung wäre aus Kochers Sicht die Entkopplung von Strom- und Gaspreis. Diese müsse aber auf EU-Ebene erfolgen. Kocher würde sich einen fixen Preis für Gas, das für die Stromerzeugung verwendet wird, wünschen. Wenn der Marktpreis für Gas höher liegt, müsste das Gas für die Stromerzeuger entsprechend subventioniert werden. Damit würde automatisch der Strompreis gedeckelt, und es gäbe Planungssicherheit für Betriebe. "Das wäre aus meiner Sicht die optimale Lösung", so Kocher, weil die Preisspitzen der Stromproduktion wegfallen und dennoch der Marktmechanismus bestehen bleibt. Ein ähnliches Modell hatte zuletzt Oesterreichs Energie, die Interessenvertretung der E-Wirtschaft, vorgelegt.

Geringere Nebenkosten ein "Signal"

Kocher rechnete auch vor, dass für Unternehmen in Österreich seit Jahresanfang eine Senkung der Lohnnebenkosten um 0,4 Prozentpunkte beschlossen wurde – durch die Verringerung von Unfallversicherungsbeitrag und Insolvenzentgeltfonds um je 0,1 Punkte und die mit Anfang 2023 vorgesehene Senkung des Beitrags zum Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) um 0,2 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent.

"Das soll natürlich auch ein Signal für die Lohnverhandlungen sein", so sei es im Juli beim Beschluss auch gedacht gewesen. Das schaffe Spielraum für die Verhandlungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die Lohnnebenkostensenkungen zusammen kämen "nicht ganz" auf eine Milliarde Euro, würden aber "in die Richtung" gehen.

Die Industriellenvereinigung würdigte am Dienstag die Lohnnebenkostensenkungen als "klugen Schritt, der Arbeitsplätze sichert und den Standort stärkt", forderte aber "weitere Senkungsschritte, um eine Entlastung bei den im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Lohnnebenkosten zu erreichen". Für die Neos sind die Maßnahmen lediglich eine "kosmetische Senkung". Die Lohnnebenkosten sollten unverzüglich auf das OECD-Durchschnittsniveau verringert werden. Das sei erreichbar, "weil knapp ein Drittel der Lohnnebenkosten keine arbeitnehmerbezogenen Versicherungsleistungen darstellt".

Optimismus am Arbeitsmarkt

Die Diskussionen über eine Reform der Arbeitslosenversicherung laufen derzeit intensiv, es gebe "fast täglich" Gespräche auf allen Ebenen. Strittig sind die möglichen Stufen in der Höhe des Arbeitslosengeldes, Zuverdienstmöglichkeiten, aber auch die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Jedenfalls gehe es um langfristige strukturelle Veränderungen, die frühestens im Sommer 2023 in Kraft treten werden und nicht um eine Krisenintervention.

Derzeit sind nach Zahlen des Arbeitsministeriums 300.547 Personen ohne Job, davon 235.073 arbeitslos und 65.474 in Schulungen. Damit sind 8.884 Menschen weniger in der Statistik erfasst als vor 14 Tagen, also Ende August. Schulungen haben in den letzten zwei Wochen deutlich zugelegt, Kocher erwartet nach der Sommerpause einen weiteren Anstieg. Zur Kurzarbeit vorangemeldet sind 5.943 Personen, geringfügig weniger als Ende August. Zugleich ortete Kocher zuletzt hohes Interesse an der Maßnahme.

Die Arbeitsmarktlage sei "fast etwas überraschend weiter sehr gut", so Kocher. Die große Unsicherheit in der Wirtschaft habe noch nicht durchgeschlagen. Einerseits wüssten Unternehmen aus der Corona-Krise, dass sie ihre qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten müssten. Andererseits gebe es aus dem sehr guten ersten Halbjahr noch Reserven. (APA, red, 20.9.2022)