Im Gastblog interpretiert Psychotherapeut und Psychoanalytiker Timo Storck die fünfte Folge der Prequel-Serie zu "Game of Thrones".

Wer kennt Jacques Lacan? Er ist bis heute eine der wichtigsten (und kontroversesten) Figuren der französischen Psychoanalyse. Lacan mochte Homophonien, also wenn etwas gleich klingt (so hätte er zum Beispiel den in "The Trial of the Chicago Seven" zitierten Witz gemocht: "Why do French people only have one egg for breakfast? – "Because it is un oeuf.").

Der bekannteste Gleichklang der Theoriebildung Lacans besteht darin, dass "le nom du père" genau so klingt wie "le non du père", also der Name des Vaters und das Nein des Vaters. Damit ist gemeint, dass "der Vater" für Begrenzung, Gesetz oder soziale Regeln steht – was nicht bedeuten muss, dass diese Position auch mit der konkreten Person "Vater" zusammenfällt, sondern es geht eher darum, dass Gebote und Verbote Begrenzungen schaffen und Schutz, soziale Orientierung und Entwicklung möglich werden.

Auch in der fünften Folge geht es um den Thron, diesmal aber in Verbindung mit Hochzeiten.
Foto: Sky/HBO

Aber genug Proseminar. Ein zentraler Satz in der fünfte Episode wird von Criston Cole gesprochen. Er begleitet Rhaenyra auf dem Schiff (ich erinnere an meinen Titanic-Vergleich zur vierten Folge) nach Driftmark, wo sie Laenor Velaryon heiraten wird. Criston ist aufgewühlt. In seiner Rolle als Beschützer von Rhaenyra hat er es zugelassen, dass jemand mit ihr schläft: nämlich er selbst. Er hat damit also nicht nur das Keuschheitsgelübde der Mitglieder der King’s Guard gebrochen, sondern auch die Prinzessin entehrt.

Er meint, er habe das Weiß seiner Uniform beschmutzt – und das sei "the only thing I have to my fucking name". Alles, wofür sein Name stehe, sei die Ehre, King’s Guard zu sein. Wie so gut wie jeder männliche Charakter kommt nun auch er auf die Idee, er könnte ja Rhaenyra heiraten und mit ihr zusammen in die Freiheit fliehen. Und Rhaenyra so: Nee, safe machen wir das nicht so, du bist ja voll lost. Und wie recht sie hat.

Wir merken uns das mal. Rhaenyra heiratet also Laenor, das war letzte Woche so besprochen worden und sie hält sich daran. Sie hält sich aber auch an Daemons Empfehlung, man könne heiraten und nebenher überlegen, zu wem man sich wirklich hingezogen fühle. Das sagt sie ihrem zukünftigen Ehemann bei einem Strandspaziergang – was auf wache Ohren trifft, denn auch Laenor führt eine Liebesbeziehung zu jemandem, den er nicht heiraten wird, nämlich Joffrey. Ja, genau, so hieß schon mal jemand, für den eine Hochzeit nicht gut ausging.

Hochzeiten in Farbe

Auch bei den Hochzeitsplanungen spielen Namen eine Rolle. Viserys, ebenfalls mit dem Schiff angereist (allerdings eher als "der Seekranke" statt "die Seeschlange" – was sich als gravierend herausstellt; das mit der Thronfolge wird wohl ziemlich bald realmonarchisch relevant werden), spricht bei Corlys und Rhaenys (seiner Cousine) vor, um die Ehemodalitäten zu klären. Dass Viserys einmal mehr überaus schwach dasteht, überrascht nicht – immerhin setzt er durch, dass ein mögliches Kind von Rhaenyra und Laenor (egal welchen Geschlechts) König ode Königin werden und ab dann (!) den Namen Targaryen tragen wird. Gut, ein Doppelname (Shakyra Targaryen-Velaryon…?) wäre auch merkwürdig gewesen und dass Thronerben denselben Namen tragen wie die Beerbten scheint ein legitimer Anspruch zu sein.

Aber auch hier im Spiel: der Name des (Groß-) Vaters (Targaryen bei Krönung) und der Name des Vaters (Velaryon bei Geburt). Nur mal nebenbei: Kennt jemand die Parodie, in der Chris Martin von Coldplay ein "Game of Thrones"-Musical komponiert und mit den Darstellerinnen und Darstellern einspielt? Darin singt Emilia Clarke, die Darstellerin von Daenerys Targaryen den Song "Rastafarian Targaryen"…. Was wusste Chris über Rhaenyras und Laenors Kinder, was wir heute nur ahnen können?

Hochzeiten haben in "Game of Thrones" und "House of the Dragon" eine besondere Funktion, sodass sie dann auch gern mal mit einem Farbattribut belegt werden ("red" und "purple" sind schon vergeben, bis zu "rainbow" ist es noch ein weiter Weg). Für die Hochzeit in der fünftenFolge bietet sich der Titel "The green wedding" an.

Und das kommt so: Königin Alicent wird von ihrem Vater Otto gewarnt, dass sie verhindern müsse, dass ihre Stief- und (!) Schwiegertochter Rhaenyra den Thron einnehme, denn dann (oder zuvor) werde diese Alicents Kinder (unter anderem Aegon II., den manche eher auf dem Thron sehen würden, weil er ein männliches Geschlechtsteil sein eigen nennt) töten wollen. Alicent geht nochmals dem Gerücht über Rhaenyras Entjungferung (durch Daemon!) nach und befragt dazu, wait for it: Criston Cole.

Der wiederum ist beschämt (siehe oben: weiße Uniform beschmutzt) und gekränkt (siehe oben: kein gemeinsames Durchbrennen), sodass er gesteht, dass er es war, der mit Rhaenyra geschlafen hat. Mal im Ernst, Cris, das ist nicht gerade ein guter Move. Seit knapp fünf Episoden machen alle im Grunde immer nur das, was ihnen mehr Macht oder Einfluss auf andere verleiht, und jetzt das: Nicht nur gibt er Alicent machtrelevante Informationen, sondern er bittet sie auch, ihn statt mit Kastration nur mit dem Tod zu bestrafen.

Alicent ist veritabel angepisst. Nicht nur hat Rhaenyra sie belogen, sondern es ist auch noch ihr Vater auf Lügenbasis vom Hof gejagt worden und ihre Stief-/Schwiegertochter unterläuft den Plan der Krone. Aber sie erkennt auch ihre Chance. Alicent zieht also ihr bestes grünes Kleid an (Hochzeitsgäste kommentieren: Das trage ihr Haus, wenn es gelte, in einen Krieg zu ziehen!) und unterbricht Viserys Hochzeitsrede (nicht mal das kriegt er auf die Kette), bleibt ansonsten aber vorerst still.

Allianzen und Schlägereien

Laut sind andere. Gesprochen wird zunächst eher leise-bedrohlich: Als Daemon vom Cousin seiner inzwischen verstorbenen Frau Rhea (naja, gut, verstorben – er hat sie vom Pferd stürzen lassen und danach erschlagen) zur Rede gestellt wird, führt er an, dass er beabsichtige, sein Erbe anzutreten und ihrer Familie Ländereien zu nehmen. Und Joffrey, der Geliebte von Ehemann-Prinz Leanor, tritt an Criston Cole heran, der ja bekanntlich mittlerweile "to his name" nur noch eine befleckte weiße Uniform hat. Joffrey verdeutlicht Criston, dass sie beide diejenigen seien, die das Brautpaar eigentlich liebe und begehre – da solle man sich doch gegenseitig schützen und ehren. Es ist ebenso das Angebot einer fragilen Allianz wie es eine Drohung ist. Es ist der Hinweis auf eine Balance, die zum Wohl aller aufrechterhalten werden solle.

Aber nicht mit Criston "Name" Cole! Er beginnt eine Prügelei mit Joffrey, in deren Verlauf er dessen Gesicht, man kann es nicht anders sagen, zu Brei schlägt. Die Bildsprache ist fast etwas zu platt: Er, der sein Gesicht verloren zu haben meint, zertrümmert ein anderes Gesicht. Unmittelbar danach will er sich selbst töten, wird aber per Königinnendekret aufgehalten von: Alicent. Die nun wirklich einiges an Trümpfen in der Hand hält.

Laenor und Rhaenyra heiraten schließlich "in kleinen Kreis", der eher wie eine Trauergemeinde wirkt. Dabei hilft es auch nicht gerade, dass Viserys, geschwächt von seiner Krankheit, zusammenbricht. Auch nicht ohne Bezug zur Psychoanalyse: Die Hochzeit der Tochter versetzt dem Vater den (fast) letzten Stich.

Frage der Motive

"House of the Dragon spielt seine Stärken aus. Einiges ist vorhersehbar, natürlich überbieten sich alle in Intrigen und Machtpositionierungen. Und natürlich ist es eine Hochzeit, die alle subtil und weniger subtil miteinander verfeindeten Gruppen zusammenbringt. Trotzdem ist es ein komplexer Aufbau der Figuren in einem neuen Spiel um den Thron, die meisten Motive sind ineinander verschachtelt und es hat einen hohen Reiz, mitzuverfolgen, wer was über wen weiß oder jemanden ihm Nahestehendes mit einer anderen wichtigen Figur verheiratet hat.

Vielleicht am spannendsten: Wen oder was erschlägt Criston hier eigentlich und warum? Den Mann, der ihn subtil mit dem Wissen über ihn bedroht und ihn so beschämt hat? Den Mann, der den Mann küsst, der die Frau küsst, die er küsst? Den Mann, der ihn daran erinnert, dass er die Ehe der Häuser Targaryen und Velaryon als Baustein mitträgt? Seinen eigenen beschämten Selbstanteil (#gesichtsverlust)? Seine eigene verdrängte Homosexualität (immerhin taucht in der "Game of Thrones"-Welt einmal mehr – männliche – Homo- oder Bisexualität auf, um dann recht schnell zerschlagen zu werden)?

Lacan würde sagen: Cristons Scham ist deshalb so groß, dass er seinen Gesichtsverlust mit dem Zerschlagen des Gesichts des anderen Mannes beantwortet, weil er seinen Namen verloren oder beschmutzt zu haben meint und darin erinnert wird. Ihm fehlt der Name und das Nein des Vaters als Ordnungsprinzip, er verbleibt in einer Logik des "Auge um Auge, Zahn um Zahn, Gesicht um Gesicht", es gibt keine ordnende Struktur von Gebot und Verbot und Entwicklung.

Und interessanterweise steht dann Alicent, die hier immerhin auch als eine Mutter handelt, die weiß, dass ihre Kinder sterben werden, wenn sie ihre eigene Macht nicht stärkt, für die Unterbrechung des Talionsprinzips: Erst, indem sie die Unzucht nicht mit der Kastration vergelten soll, dann, indem sie Criston daran hindert, sich für seine Tat das Leben zu nehmen.

Ausblick

Es bleibt nun wirklich aber mal spannend. Geheimtipp-Charakter: Der an Doc Holliday erinnernde Sohn der neuen Hand des Königs, Larys Strong, der Alicent intri-elegant verdeutlicht, dass man Rhaenyra einen Abtreibungstee verabreicht habe. Und was erwartet uns: Wie wird Haus Joyce mit Daemons Mord an seiner Frau und seinem Erbanspruch umgehen? Wie geht es mit Alicents grünem Kleid und dem, wofür es steht, weiter? Wann macht Jason Lannister den nächsten sexistischen Witz? Wann werden Rhaenyra und Laenor welche Art von Kind haben? Wann stirbt Viserys? Was plant Aegon? (Timo Storck, 20.9.2022)