Fragt man Barkeeper nach Trends, lässt sich eines festhalten: Wermut hat den Gin-Hype abgelöst. Gründe dafür gibt es einige: Wermuthaltige Cocktailklassiker sind wieder gefragt, neue Manufakturen erweitern mit ihren Produkte die Geschmacksvielfalt, und es wird weniger und wenn doch – leichterer Alkohol konsumiert. Wermut ist keine hochprozentige Spirituose, sondern ein mit Kräutern aromatisierter Wein. Seine wesentliche Ingredienz ist das bittere Wermutkraut. Die Methode, Wein mit unterschiedlichsten Kräutern zu versetzen, wurde schon vor tausenden Jahren von China bis in den Nahen Osten angewandt. Einerseits, um den Geschmack des Weins zu verbessern, andererseits, um Heilkräuter genießbarer zu machen. Für die Produktion von Wermutwein wird meistens "Artemisia Absinthium", das "Echte Wermutkraut" verwendet, das sich auch in der berühmt-berüchtigten Spirituose "Absinth" wiederfindet.

Foto: AT-Verlag / Joss Andres

Beim Wermut geht es um deutlich weniger Volumsprozente, denn der Alkoholgehalt muss in der EU unter 22 Prozent liegen. Dem Basiswein wird bei der Produktion hochprozentiger Alkohol hinzugefügt, das wird "spriten" genannt. Für die Süße kommt Zucker, Traubenmost oder Honig hinzu – je nach Zuckergehalt gibt es Klassifizierungen von süß bis extra trocken.

Wie Parfum

Die wesentlichste Zutat aber, das, was den einen Wermut vom anderen unterscheidet, sind die sogenannten Botanicals, die Kräuterauszüge. Die Produzenten machen daraus ein Geheimnis, schließlich ist viel Zeit und Tüftelei nötig, um die richtigen Mischungen zu finden. Master-Mixologist Hercules Tsibis, der dem Wermut ein umfangreiches Buch gewidmet hat, vergleicht den Prozess mit der Herstellung eines Parfums: "Die größte Herausforderung besteht darin, eine harmonische Kombination von Botanicals zu finden, sowie in der Kunst der Extraktion dieser Essenzen", schreibt er. Dafür werden häufig bittere Wurzeln wie jene des Enzians verwendet, aber auch Blüten wie Kamille oder Nelken. Früchte, Zimtrinde, Gewürzsamen oder Vanille sind ebenfalls oft dabei.

Die Art von Gewürzwein, wie wir ihn heute als Wermut bezeichnen, wurde 1786 in Turin entwickelt. Antonio Benedetto Carpano mischte Weißwein mit einem von ihm entwickelten Kräuterauszug und gab Karamell hinzu, was ihm eine dunkle Farbe verlieh. Die Idee dahinter war, ein liebliches Gegenstück zum herben Rotwein zu entwickeln, das vor allem Frauen schmecken sollte. Das Getränk war ein durchschlagender Erfolg, seine Rezeptur ist heute als "Antica Formula" erhältlich. Es folgten weitere Marken wie "Cinzano" oder "Martini & Rosso". In Frankreich entstanden im Vergleich zu Italien trockenere, hellere Varianten, die erste davon war Noilly Prat. Er wird – wie andere trockene Wermuts auch – gerne in der Küche eingesetzt. Mit der Zeit wurden auch Rotweine für die Herstellung verwendet. Doch roter Wermut heißt nicht, dass er aus Rotwein gemacht wurde: Der Großteil wird aus Weißwein produziert und mit Zuckercouleur oder Karamell dunkel gefärbt.

Klassische Mischung

Auch in Österreich wird schon lange Wermut hergestellt. Burschiks Vermouth im 15. Wiener Bezirk besteht schon seit 1891, daneben gibt es neuere Wermutmarken wie "Vreimuth" oder "Pontica". Wermut kann natürlich pur genossen werden, er ist aber auch in vielen klassischen Drinks wie Manhattan, Americano oder Negroni enthalten. Der berühmteste Wermutcocktail ist der Martini (nicht zu verwechseln mit der Marke), aus trockenem Wermut und Gin – oder Wodka, wobei man dann streng genommen vom Wodka Martini spricht. "Geschüttelt, nicht gerührt" ordert ihn Filmheld James Bond, wie sein Erfinder Ian Fleming. Die Cocktail-Bestellung taucht regelmäßig in den Bond-Filmen seit 1962 auf, der Ausspruch gilt als einer der berühmtesten der Filmgeschichte. Doch auch für Superagenten gibt es Grenzen. Nachdem er in Casino Royale dem Gifttod mithilfe eines Defibrillators entkommen ist, entgegnet Bond auf die Frage des Barkeepers "Geschüttelt oder gerührt?": "Sehe ich aus, als ob mich das interessiert?" (RONDO, Petra Eder, 15.10.2022)