Wien – Dieser Tage kann wahrlich von einer Woche der direkten Demokratie gesprochen werden. Gleich sieben Volksbegehren liegen auf den Gemeinde- und Bezirksämtern auf, um unterschrieben zu werden. Zusätzlich beschäftigt sich der Nationalrat nach seiner Sommerpause am Mittwoch mit sechs Volksbegehren, die es im Mai zu mehr als 100.000 Unterschriften gebracht haben.

Das Parlament beschäftigt sich in seiner Sitzung am Mittwoch mit sechs Volksbegehren, mit der Veröffentlichung von Corona-Förderungen und mit drei Rechenschaftsberichten.
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Doch dass die direktdemokratischen Instrumente tatsächlich zu einem Gesetz führen, ist selten der Fall, betont Politikwissenschafter Armin Mühlböck von der Universität Salzburg: "Oftmals führen Volksbegehren bloß zu einer politischen Debatte. Aber auch das kann für die Initiatoren als Erfolg angesehen werden."

Als erstes und erfolgreichstes Volksbegehren steht jenes gegen Lebendtiertransporte von FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl auf der Tagesordnung. Mehr als 400.000 Unterstützerinnen und Unterstützer unterzeichneten im Mai sein Anliegen. Tierleid solle verhindert werden, Schlachttransporte sollen nach Wunsch des Volksbegehrens nur noch vom Bauernhof zum nächsten Schlachthof stattfinden.

Erfolg, aber kein Gesetz

Viele Unterschriften korrelieren jedoch nicht unbedingt mit dem Erfolg einer Initiative. Das erfolgreichste Volksbegehren der Zweiten Republik, jenes gegen das Austria Center im Jahr 1982 mit mehr als 1,3 Millionen Unterschriften, wurde vom Parlament ignoriert, das Austria Center in Wien wurde trotzdem gebaut.

Zwei weitere Volksbegehren fordern von den Parlamentariern die Abschaffung der Impfpflicht, beide erreichten rund 247.000 Unterschriften. Diese ist aber ohnehin bereits ausgesetzt. Auch in der aktuellen Eintragungswoche befinden sich zwei Volksbegehren, die die ausgesetzten Corona-Maßnahmen ins Visier nehmen. Der Initiator Robert Marschall, der im Mai sowie diese Woche ein "Corona-Volksbegehren" initiierte, spricht trotzdem von einer Notwendigkeit: "Diese Volksbegehren sind ein Schutz gegen die Wiedereinführung der Maßnahmen im Herbst", sagte er auf Anfrage dem STANDARD.

Um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sorgt sich das Mental-Health-Volksbegehren. Es wünscht sich vom Parlament mehr Angebote, um die Situation zu verbessern. Eine weitere Initiative setzt sich für die Etablierung eines bedingungslosen Grundeinkommens ein. Beide Volksbegehren erreichten im Mai weniger als 200.000 Unterschriften.

"Atomfreies Österreich" wurde Gesetz

Ein Beispiel für ein erfolgreiches Volksbegehren: Mit der Unterstützung von nur rund 250.000 Wahlberechtigten – also vier Prozent – wurde im Jahr 1997 die Initiative "Atomfreies Österreich" fast wortgleich als Gesetz vom Nationalrat beschlossen. "Es ist eines der wenigen Beispiele in der Vergangenheit, als ein Volksbegehren beinahe ohne Änderungen erfolgreich als Gesetz verabschiedet wurde", erklärt Politologe Mühlböck.

Aufsehen erregten auch die Korruptionsaffären der Volkspartei in den letzten Monaten. Diesen will das Antikorruptionsvolksbegehren in Zukunft einen Riegel vorschieben. Gefordert wird mehr Transparenz, Pressefreiheit und eine Bekämpfung der Inseratenkorruption. Es hat im Mai 300.000 Unterschriften erreicht.

Ob es eines der Volksbegehren tatsächlich in die Form eines Gesetzes schafft, wird sich zeigen. Jedenfalls wird der Nationalrat neben den Volksinitiativen auch über die Veröffentlichung von Corona-Förderungen debattieren. ÖVP und Grüne wollen dazu einen Gesetzesvorschlag einbringen, um mehr Transparenz zu schaffen. Zudem stehen drei Rechnungshofberichte zur Diskussion. (Max Stepan, 21.9.2022)