Die Klimakrise in Pakistan: Rund ein Drittel des Landes steht unter Wasser, mehr als 33 Millionen Menschen haben ihre Häuser verloren. Dabei hat das Land selbst kaum zur Erderhitzung beigetragen.

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Die Klimakrise müsse die erste Priorität jeder Regierung sein – doch derzeit werde der Klimaschutz auf die lange Bank geschoben, kritisierte der UN-Generalsekretär António Guterres zum Auftakt der jährlichen Vollversammlung in New York. "Wir haben ein Rendezvous mit dem Desaster", sagte er in gewohnt scharfem Ton. Es brauche jetzt dringend die Unterstützung für jene Länder, die heute bereits am meisten mit den Folgen des Klimawandels kämpfen, gleichzeitig aber kaum zu ihr beigetragen haben, so Guterres, der kurz zuvor Pakistan besucht hatte.

Mit seinem Appell spricht Guterres eines der Themen an, die im Zentrum der großen Klimakonferenz (COP27) stehen werden, die im November im ägyptischen Sharm El-Sheik ausgetragen wird: Die Frage nach dem Umgang mit Klimaschäden und -verlusten, im Fachjargon "loss and damage".

Wenn etwa Pakistan komplett überschwemmt wird: Wer finanziert den Wiederaufbau? Oder wenn ein Inselstaat im Meer verschwindet: Wer übernimmt die Verantwortung? Diese Fragen werden bereits seit den 90er-Jahren debattiert – damals schlug die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) vor, eine Art Versicherung einzurichten, um die Opfer des Meeresspiegelanstiegs zu entschädigen. Weit kam sie damit nicht: Bis heute konnten sich die Staaten nicht auf eine Lösung einigen. Von der diesjährigen COP27 erhoffen sich besonders betroffene Regionen einen Durchbruch.

Neuer Fonds für Klimaschäden

Um diesen Durchbruch zu erreichen, will AOSIS in New York dafür werben, einen eigenen multilateralen Fonds einzurichten, um die verwundbarsten Länder dabei zu unterstützen, mit Klimadesastern umzugehen. Sowohl die G77 als auch China haben bereits Unterstützung für den Fonds zugesagt, jetzt fordern die Inselstaaten auch den Rest der Länder dazu auf, ihre Unterstützung zu erklären. Das sei eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss der Klimakonferenz, erklärt AOSIS.

So sieht es auch Pakistans Klimaministerin Sherry Rehmann, deren Land momentan zu rund einem Drittel unter Wasser steht. "Die Abmachung zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden funktioniert nicht", sagte sie zur britischen Zeitung The Guardian. Ihr Land bekomme die Klimakrise mit voller Wucht zu spüren – obwohl es weniger als ein Prozent der globalen Treibhausgase ausgestoßen hat. Es sei an der Zeit, dass Industrieländer die Verantwortung für ihre Emissionen übernehmen und Länder wie Pakistan für die Schäden kompensieren, so Rehmann.

Bei der vorletzten Klimakonferenz in Madrid im November 2019 wurde dazu das sogenannte Santiago-Netzwerk ins Leben gerufen. Dieses soll Staaten dabei helfen, mit Klimaschäden fertigzuwerden, indem Know-how ausgetauscht wird und technische Unterstützung angeboten wird.

An konkrete finanzielle Zusagen, wie sie Pakistan und die AOSIS-Staaten nun fordern, ist es allerdings nicht geknüpft. Auch kam die Umsetzung dieses losen Netzwerks bislang kaum voran. Bei der diesjährigen Klimakonferenz wollen die Staaten einen neuen Anlauf starten.

Klimadiplomatin: Krisen miteinander verknüpfen

In Vorbereitung darauf veranstaltet Guterres heute, Mittwoch, in New York ein Zusammentreffen von politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern. Dort soll es unter anderem darum gehen, Staaten an ihre bisherigen Versprechen zu erinnern und die großen Lücken beim Klimaschutz und der nötigen Finanzierung zu unterstreichen.

Wie wichtig Letzteres ist, betont auch die afrikanische Entwicklungsbank mit Nachdruck: Sie beziffert die fehlende Klimafinanzierung mit 1,3 Billionen Euro bis 2030. Denn bereits heute verliere Afrika zwischen fünf und 15 Prozent seines BIPs aufgrund von Folgen des Klimawandels.

Einen neuen Finanzierungsmechanismus einzurichten dürfte derzeit allerdings angesichts der hohen Energiepreise kein Leichtes werden, erklärte die französische Diplomatin Laurence Tubiana, die federführend an der Einigung zum Pariser Abkommen beteiligt war.

"Die Aufgabe der Generalversammlung ist es jetzt, die vielen verschiedenen Krisen zu verknüpfen", sagte sie. Dazu zähle auch, sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass Erdöl und Erdgas zu Wohlstand führen würden. Nur ein Fokus auf saubere Energie könne das langfristig erreichen, so Tubiana.

Und vor allem gehe es um eines: Zumindest an den Versprechen, die bei der Klimakonferenz in Glasgow im vergangenen Jahr gemacht wurden, dürfe nicht gerüttelt werden. (Alicia Prager, 21.9.2022)