Im Herbst werden Österreichs Beiträge der nächsten drei Jahre für die europäische Raumfahrtagentur Esa beschlossen. Die nationalen Beiträge fließen zu 90 Prozent in Form von Aufträgen an Unternehmen in den jeweiligen Esa-Staaten zurück. Dieter Grebner, Gründer des oberösterreichischen Unternehmens Peak Technology und Chef der Branchenvertretung Austrospace, hofft nach einem Rückgang 2019 auf einen kräftigen Anstieg der Beiträge, die aus den Mitteln des Klimaschutzministeriums kommen.

Dieter Grebner, Firmengründer von Peak Technology und Chef der Branchenvertretung Austrospace
Foto: Peak Technology

STANDARD: Ihr Unternehmen arbeitet in einem Esa-Projekt an Treibstofftanks, die beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen und so zur Vermeidung von Weltraumschrott beitragen. Wann wird der Erste dieser Tanks ins All starten?

Grebner: Das Projekt ist herausfordernd. Der fehlende Sauerstoff in den oberen Atmosphärenschichten sorgt dafür, dass die Faserverbundstoffe sich nur sehr schwer auflösen. Wir simulieren den Wiedereintritt in einem Plasmawindkanal, in dem Gasdruck, Temperatur und die Geschwindigkeit eines abstürzenden Satelliten von 20.000 Kilometern pro Stunde simuliert werden.

Wir haben eine patentierte Teillösung, bei der die Kohlenstofffaserummantelung in einzelne Segmente unterteilt wird. Sie lösen sich beim Wiedereintritt ab, sodass die Hitze besser eindringen kann. Ein zweiter Ansatzpunkt ist die Entwicklung spezieller Harzsysteme, die leichter verglühen. In ein bis zwei Jahren wollen wir das Produkt fertig haben. Die Esa stellt Testmissionen zur Verfügung, in denen wir die Tanks dann testen können – in drei bis vier Jahren soll es so weit sein.

STANDARD: Eine Ihrer ersten Entwicklungen in der Weltraumtechnik war ein Zündergehäuse für die europäische Vega-C-Rakete. Sie hatte vergangenen Juli ihren Jungfernflug. Ist aus Ihrer Sicht alles gutgegangen?

Grebner: Neuentwicklungen sind nie leicht. Man denke an die Blue-Origin-Rakete, die vor kurzem bei einem Start in den USA explodierte. Auch bei Vega-C gab es immer wieder Probleme und Verschiebungen. Nach zehn Jahren Entwicklungszeit ist sie nun aber perfekt geflogen. Für uns geht es nun in die laufende Produktion der Komponenten. Für die nächsten Jahre sind wir diesbezüglich ausgebucht.

STANDARD: Peak Technology kommt ursprünglich aus dem Autorennsport. Wie finanzieren Sie die Forschung an Weltraumtechnik?

Grebner: Der Space-Bereich hat heute einen Umsatzanteil von 70 Prozent, und er wächst rapide weiter. Wir haben in den letzten Jahren viele Millionen an Eigenmitteln hineingesteckt, um die entsprechenden Prozesse zu etablieren. Neuentwicklungen werden aber im Wesentlichen über die Esa finanziert. Die einzelnen Staaten bestimmen mit der Höhe ihrer Beiträge, wie viel Geld von der Esa an die heimische Weltraumindustrie zurückfließt.

Im Mittel liegt der Wertschöpfungshebel beim Faktor vier. Das, was die Staaten an die Esa zahlen, kommt in vierfacher Höhe an Wertschöpfung zurück. Die Entwicklung unserer Vega-C-Komponenten wurde etwa weitgehend von der Esa finanziert, die nun folgenden Aufträge haben aber nichts mehr mit dem Esa-Budget zu tun.

STANDARD: Im Herbst werden die nationalen Esa-Beiträge Österreichs für die nächsten drei Jahre festgelegt. Was erwartet sich die Branche von dem Beschluss?

Grebner: Bei der letzten Festlegung 2019 wurde Österreich um 70 Prozent zurückgeworfen. Die Übergangsregierung hat damals die Beiträge gegenüber 2016 reduziert. Wir plädieren dafür, dass man das Budget von 2016 als Ausgangspunkt nimmt und auf 2022 hochrechnet. Für alle drei Jahre wären das neben dem vom Bruttoinlandsprodukt abhängigen Pflichtprogramm etwa 200 Millionen Euro netto in den Wahlprogrammen.

STANDARD: Kann man in Zeiten von Corona, Energiekrise und Rekordinflation tatsächlich mit einem hohen Abschluss rechnen?

Grebner: Mit der Investition in Hochtechnologie stärkt man die Wirtschaft auf Dauer. Gutscheine für die Bürger helfen heute, für langfristige Stabilität muss man aber in Forschung investieren. Weltraumtechnik ist ein wachsender, exportorientierter Wirtschaftssektor. Andere vergleichbare Staaten in Europa sagen nicht nur, dass sie eine Raumfahrtnation werden wollen. Dort werden zum Teil Esa-Budgets übersteuert und Unternehmen ermutigt, in den Space-Bereich zu gehen.

Technologie aus Österreich ist auch bei der europäischen Vega-C-Rakete mit an Bord. Im vergangenen Juli hat sie ihren Jungfernflug erfolgreich absolviert.
Foto: Esa / Jacky Huart

STANDARD: Wie leicht ist es für Start-ups in Österreich, im Weltraumbereich Fuß zu fassen?

Grebner: Potenzial ist da. Beispielsweise hat ein Spin-off des Space-Teams der TU Wien ein regelbares, kostengünstiges Triebwerk für Kleinsatelliten entwickelt. Die Studierenden stehen auf Messen und versuchen, Kunden dafür zu interessieren. Andererseits ist etwa der österreichische Gründer von Isar Aerospace in München, mit dem wir kooperieren, hier auf keinen grünen Zweig gekommen und nach Deutschland gegangen.

Wir hätten die Leute und die Technologien, die Möglichkeiten werden aber andernorts geboten. Ist also Österreich ein gutes Land für Space-Start-ups? Im Vergleich zu anderen Nationen wie Deutschland, Belgien, Tschechien oder die Schweiz leider eher nicht.

STANDARD: Österreich hat heuer 35 Jahre Esa-Mitgliedschaft gefeiert. Wie wird sich die Agentur mit der Kommerzialisierung der Raumfahrt Ihrer Meinung nach verändern?

Grebner: Eine Organisation, in der so viele Länder und Institutionen mitreden, kann im Vergleich mit privaten Akteuren nicht schnell und effizient agieren. Das sieht man auch in den USA, wenn man Entwicklungen der Raumfahrtagentur Nasa mit jenen des Unternehmens Space X vergleicht, das die wiederverwendbare Raketentechnik enorm schnell zur Reife führte.

Die Esa wird sich weiter und verstärkt auf Wissenschaftsmissionen, auf Technologien für Mond- und Marsmissionen konzentrieren – Dinge mit extrem hoher Komplexität. Technologien auf einem niedrigeren Niveau, etwa kleine Trägerraketen und Satelliten für den niedrigen Erdorbit, werden – etwa durch das Boost-Programm der Esa – mehr und mehr in die Industrie überführt.

STANDARD: Apropos Kommerzialisierung: Um Missionskosten zu drücken, sollen künftig mehr Raumfahrtkomponenten aus Serienfertigungen stammen. Ist das auch für Sie relevant?

Grebner: Ja. Unsere Tanks werden nach einem Baukastensystem designt. Wir wollen modulare "Tankfamilien" mit Systemen verschiedener Größe entwickeln. Der nächste Schritt ist, dass wir die Prozesse aus dem Prototypenstadium auch in der Serienfertigung stabil hinbekommen. In ein paar Jahren wollen wir dann drei bis vier Tanks pro Tag produzieren. Projekte wie diese machen die Zeichnung der Esa-Programme so wichtig. (Alois Pumhösel, 25.9.2022)