Landeshauptmann Markus Wallner war krankheitsbedingt mehrere Wochen außer Dienst. Vor seiner Auszeit musste er noch dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss Rede und Antwort stehen.

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Schon wieder muss sich Markus Wallner (ÖVP) mit Kritik am Gebaren seiner Regierung beschäftigen. Da wäre einmal ein verheerender Bericht des Landesrechnungshofs, der viele Fragen nach der Vergabepraxis im Bregenzer Landhaus aufwarf. Der Landeshauptmann äußerte sich zu dem vergangene Woche erschienenen Bericht überhaupt nicht. Und dann kam nun noch eine aufsehenerregende Anfragebeantwortung in den Landtag – bei der einige brisante Details ausgespart worden sein sollen.

In der Verwaltung sorgt das nun bereits für ein lautes Rumoren. Wallner verhalte sich genauso wie vor seinem Krankenstand, sagt einer. Dabei müsse er doch mitgenommen haben, dass es ein entschlosseneres Auftreten für saubere Strukturen dringend brauche.

Dem STANDARD liegen jene Dokumente vor, die im Ländle für Aufruhr sorgen könnten. Es geht dabei auch um die Kommunikationsagentur Clavis mit Büros in Wien, Innsbruck und Bregenz. Einer ihrer drei Geschäftsführer und Miteigentümer ist Dieter Bitschnau, der Ehemann von Wallners einstiger Büroleiterin Susanne Sonntag.

"Formulierung Triage"

Während deren Amtszeit führten Clavis und dort auch Bitschnau viele Projekte für die Landesregierung durch, gerade zu Beginn der Corona-Pandemie. Tausend Euro täglich gab es für Medienbeobachtung an 19 Tagen, exklusive Umsatzsteuer. Immerhin 62 Euro kosteten die fünfzehnminütigen Überlegungen zu "Namensvorschlägen für ein Videoformat", 500 Euro die "Recherche und Formulierung Wording Patienten Triage". Von der digitalen Weihnachtsfeier bis hin zum Stadttunnel Feldkirch wurde die Clavis hinsichtlich vieler Themen beauftragt – obwohl der Landespressedienst und andere Referate im Landhaus eigentlich gut ausgestattet seien. Das sagen zumindest kritische Beamte.

Die Aufträge werden einige Fragen danach auslösen, was aus dem Motto "Spära, spära" wurde, also der sparsamen Verwaltung.

Die Landespressestelle bestreitet, dass die Aufgaben aus eigener Kraft bewältigbar gewesen seien. Zu Beginn der Pandemie sei die Kommunikationsarbeit "sehr aufwendig und zeitintensiv" gewesen, sagt Florian Themeßl-Huber, Leiter der Landespressestelle: "Die Anforderung war, von 7 Uhr in der Früh bis 22.30 Uhr die Nachrichtenlage zu sichten, zu ordnen und zur Verfügung zu stellen – und zwar mehrmals täglich und inklusive der Wochenenden." Die Beamtenschaft hätte bei dieser Aufgabe die vorgeschriebene maximale Arbeitszeit überschritten, zudem sei nicht klar gewesen, wie lang die Krisensituation anhalten würde.

"Der Zeitdruck war hoch"

Und warum wurde eine Agentur ausgewählt, die einen direkten Draht zu Wallners damaliger Büroleiterin hatte? Es gebe nur wenige Agenturen in Vorarlberg, die solche Aufgaben schaffen. "Die Auswahl war also stark begrenzt, der Zeitdruck hoch", sagt Themeßl-Huber.

Direktvergaben bis 100.000 Euro seien zulässig, außerdem habe er telefonisch ein Vergleichsangebot eingeholt. "Die Beziehung von Frau Sonntag und Herrn Bitschnau steht in keinem Zusammenhang zur Vergabe. Frau Sonntag war zu keiner Sekunde in die Vergabe eingebunden, noch war sie darüber informiert."

Das sagt auch Bitschnau selbst. Er verweist darauf, dass zu Beginn der Pandemie "für diesen Journaldienst mehrere unserer Kommunikationsberaterinnen und Kommunikationsberater aus allen Standorten im Einsatz" gewesen seien, "um das Monitoring, die Abstrahierung und Zusammenfassung der wesentlichen Entwicklungen mehrfach täglich in einem Bericht zu erstellen".

Zählt man einzelne Aufträge zusammen, bewegen sich die Projektkosten teilweise jenseits der 100.000 Euro. Bitschnau meint, die Aufträge durch die Landesregierung würden etwa 2021 nur "rund zehn Prozenten" der gesamthaften Aufträge seiner Agentur ausmachen. Außerdem habe diese "zum überwiegenden Teil" Zuschläge erst nach Ausschreibungen erhalten.

"Vergrabenes, verlochtes Geld"

Auch die Begleitung des Stadttunnels Feldkirch regt auf. Wieso ein Tunnelbau überhaupt eine solch aufwendige Medienbegleitung braucht, erklärt sich zum Teil aus der Historie des Projekts: Seit Jahren wird in Vorarlberg über den Bau diskutiert bzw. gestritten: Der Verfassungs- und der Verwaltungsgerichtshof wiesen Anfang des Jahres die Beschwerde einer Bürgerinitiative zurück, seither gibt es grünes Licht für den Bau des Megaprojekts. Die Kosten werden derzeit auf etwa 300 Millionen Euro geschätzt, fertig sein soll der Tunnel 2030. Die Grünen, Koalitionspartner der ÖVP in Vorarlberg, üben von jeher Kritik an dem Projekt. Zuletzt etwa Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch, der den Bau als antiquiert bezeichnete. "Der Stadttunnel ist vergrabenes, verlochtes Geld", sagte Rauch im Sommer, was ÖVP und Wirtschaftsvertreter naturgemäß echauffierte. Sie verweisen auf die Verkehrsentlastung, die der Tunnel bringen soll.

Neos-Klubobfrau Sabine Scheffknecht spricht von "einem weiteren Versuch (Landeshauptmann Markus, Anmerkung) Wallners, unzumutbare Vorgänge in der Landesregierung und vor allem in der ÖVP unter den Teppich zu kehren". Die Neos, die die erwähnte Landtagsanfrage stellten, wollten zu all diesen Vergaben mehr Details. Allerdings soll die Beamtenschaft die Anweisung erhalten haben, bei der Beantwortung nur Aufträge anzuführen, die in der aktuellen Legislaturperiode begonnen und auch abgeschlossen wurden. Laufende Aufträge oder solche, die schon vorher erteilt wurden, scheinen damit nicht in der Beantwortung auf. Laut Beamten könnten es ohne diese Grenze etwa 50 Prozent mehr Aufträge sein – auch einige Clavis-Projekte fallen der Begrenzung wegen weg.

Objektivierungskommission von Sonntag

SPÖ und FPÖ brachten am Mittwoch ebenfalls jeweils eine Anfrage ein. Darin fordern sie unter anderem weitere Details zur Vergabe an die Agentur Clavis und zur Vergabe von Aufträgen durch die Landespressestelle generell sowie Auskünfte darüber, wie genau die Auswahl der gelieferten Daten für die Anfragebeantwortung an die Neos erfolgte.

Zuständig war die Abteilung von Sonntag: Sie war im Juni 2021 von Wallners Büroleiterin zur Chefin "Regierungsdienste" aufgestiegen. Damals gab es deutliche Kritik: etwa weil für diese Position eigentlich Juristen vorgesehen waren. Die Regierung verwies auf eine Objektivierungskommission, die Sonntag vorgeschlagen habe. (Fabian Schmid, 20.9.2022)