Marko Arnautovic hatte schon 102 Mal ein Leiberl im Team. Mehr als eines wird er auch am Donnerstag (20.45 Uhr) in Paris nicht haben.

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Die Welt ist ein Durcheinander, der Mensch sucht im Wahnsinn nach Konstanten, nach Verlässlichkeit. Einen winzigen Beitrag kann Marko Arnautovic liefern, wobei sein Einfluss auf Klimawandel, Krieg und steigende Energiekosten verschwindend gering ist. Aber es ist eine Tradition, dass der 33-Jährige vor jedem Länderspiel den Medien Auskunft gibt, im konkreten Fall betrifft es das Match der Nations League am Donnerstag im Stade de France gegen Weltmeister Frankreich.

Es ist ein spezielles Ereignis für Herrn Arnautovic, er steigt zum österreichischen Rekordinternationalen auf, stellt die Marke von Andreas Herzog mit 103 Einsätzen ein. Am Sonntag in Wien gegen Kroatien liegt er solo an der Spitze, sofern er sich nicht verletzt. Die Frage nach seinen Gefühlen hat ihn natürlich nicht am falschen Fuß erwischt. "Die Antwort kennt ihr, es ist eine Ehre. Ich bin stolz, meine Familie ist stolz, Aber ich gehe in jedes Spiel normal rein, werde jetzt keine andere Superkraft bekommen."

Dem Herzog Andi habe er einiges zu verdanken, "als Trainer der U21 hat er meine Karriere beeinflusst." Wobei ihm Rekorde ziemlich egal sind. "Ich spiele Fußball, weil ich es liebe." Arnautovic debütierte 2008 im Team, er hält bei 33 Toren. Er sei gereift, sagt er, von einem Käfigkicker, der sich selbst überschätzte, zu einem Mannschaftsspieler. "Ohne Mannschaft bin ich nichts."

Suspendierung

Als Tiefpunkt nennt er das 0:2 im Jahre 2011 in der Türkei, Teamchef war Didi Constantini. Arnautovic wollte einen Elfer schießen, es trat dann aber Stefan Maierhofer an – und vergab. Anschließend kam es in der Kabine zu einem Disput mit Maierhofer, wobei sich auch Jürgen Macho und Emanuel Pogatetz einschalteten. "Da habe ich nicht viel nachgedacht."

Arnautovic wurde suspendiert. "Zurecht. Gott sei Dank sind sie dann draufgekommen, dass sie mich doch brauchen." Höhepunkt sei die EM-Qualifikation unter Marcel Koller 2016 gewesen, Österreich blieb unbesiegt, holte von 30 Punkten 28. "Bei der EM haben wir wie Amateure agiert. Hochs und Tiefs liegen knapp beisammen. Nicht nur im Fußball, im Leben."

Bei Bologna läuft es für ihn persönlich prächtig, er führt nach sieben Runden mit sechs Toren die Schützenliste der Serie A an. Insgesamt hat Bologna siebenmal getroffen, ohne Arnautovic wäre der Verein nicht 16., sondern 20. und Letzter. Trainer Sinisa Mihajlovic wurde gefeuert, für Arnautovic eine extrem bittere Erfahrung. "Er war für mich wie ein älterer Bruder." Mihajlovic leidet an Leukämie. "Ich hoffe, dass es bei ihm im Leben nur mehr bergauf geht."

Selbstvertrauen

Arnautovic macht seinen Job. "Ich habe Selbstvertrauen." Fußball finde in der Gegenwart statt, und die heißt Frankreich. "Eine überragende Mannschaft, vielleicht die beste der Welt, es wird sehr schwierig. Wir wissen, was auf uns zukommt. Aber wir sollten uns auf uns konzentrieren, brauchen uns nicht zu verstecken. Keiner ist unschlagbar, beim 1:1 in Wien haben wir sie überrascht." Das System Ralf Rangnick habe gegriffen. Im ersten Lehrgang vermochte Arnautovic als Pressingmaschine zu überzeugen. Der Teamchef hat das erwartet. "Warum sollte er das nicht können?"

Arnautovic hat noch einiges vor. Eine WM wäre wunderbar. "Ob es sich bei mir ausgeht, wird sich weisen." Wie gesagt, er sei ein Teil der Mannschaft. "Ich bin nicht der Größte, der Beste." Seine Kollegen halten Lobgesänge auf den Rekordler. Christopher Trimmel sagt: "Er ist ein Unterschiedspieler, davon gibt es nicht viele auf der Welt. Sein Wille, sein Ehrgeiz sind herausragend." Michael Gregoritsch, möglicher Sturmpartner, legt nach. "Ein Supertyp. Vielleicht erzähle ich davon einmal meinen Enkerln, ich war ja bei diesem historischen Moment dabei." Und Marcel Sabitzer ergänzt: "Viele Tore, viele Vorlagen, eine Konstante, ein Kumpel. Er bringt Lockerheit in die Kabine." (Christian Hackl, 20.9.2022)