Übergriffe sollen auch im schulischen Umfeld – bei einer Schulsportwoche sowie im Rahmen einer Lesenacht mit Übernachtung im Turnsaal der Schule – stattgefunden haben. Bisher hatte das die Bildungsdirektion ausgeschlossen.

Foto: Regine Hendrich

Ein Pädagoge einer Mittelschule in der Wiener Leopoldstadt soll zwischen 2004 und 2019 Schüler sexuell missbraucht sowie kinderpornografische Fotos und Videos angefertigt und gehortet haben. Den polizeilichen Ermittlungen zufolge gibt es zumindest 25 Opfer. Übergriffe sollen auch im schulischen Umfeld – bei einer Schulsportwoche sowie im Rahmen einer Lesenacht mit Übernachtung im Turnsaal der Schule – stattgefunden haben. Nach einer Anzeige wurde im Mai 2019 beim betroffenen Lehrer eine Hausdurchsuchung durchgeführt, wenige Tage später beging dieser Suizid. Die Einzelheiten und die Dimension des Falles sind der Schule und der Wiener Bildungsdirektion spätestens seit Herbst 2019 bekannt.

Zwar wurde im Jahr 2020 eine Kommission, bestehend aus Mitgliedern der Bildungsdirektion, der Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie der Kinder- und Jugendhilfe, eingerichtet. Offensiv kommuniziert oder veröffentlicht wurde die Causa aber vorerst von den Behörden nicht. Das wird nun mit Verspätung nachgeholt: Mindestens 1.000 ehemalige Schülerinnen und Schüler sowie Ex-Pädagogen der Bildungseinrichtung ab dem Jahr 2004 sollen in den kommenden Tagen und Wochen einen Brief der Bildungsdirektion erhalten.

In diesem wird erwähnt, dass "der Vorwurf von Übergriffen im Raum" stehe. "Als Schulbehörde ist es uns ein Anliegen, die Umstände so umfassend wie möglich aufzuklären", heißt es. Verwiesen wird hier auch auf die seit dem Jahr 2020 tätige Kommission. "Sollten Sie als ehemaliger Schüler / ehemalige Schülerin dazu Fragen haben, sich austauschen wollen oder psychosoziale Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an eine der folgenden Anlaufstellen:

– Schulpsychologischer Dienst
Telefon: +43 1 525 25 – 77550, E-Mail: schulpsychologie@bildung-wien.gv.at

– Kinder- und Jugendanwaltschaft
Telefon: +43 1 4000 – 85920, E-Mail: post@jugendanwalt.wien.gv.at

– Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wien
Telefon: +43 1 4000 – 8011, E-Mail: service@ma11.wien.gv.at

Wenn Sie sich mit Informationen oder Hinweisen direkt an die Untersuchungskommission wenden möchten, kontaktieren Sie uns bitte per E-Mail: kommission@bildung-wien.gv.at", heißt es weiter. Die Angebote könnten freiwillig und auch anonym angenommen werden.

Bis alle ehemaligen Schülerinnen und Schüler sowie Pädagoginnen und Pädagogen seit dem Jahr 2004 kontaktiert werden können, dürfte es aber noch dauern. So müssten laut Bildungsdirektion noch zahlreiche Kontaktadressen aktualisiert werden.

Auch jahrelang in Sportvereinen und Feriencamps tätig

Der betroffene Lehrer galt in seiner Schule als überaus beliebt und übte auch die Funktion als Vertrauenslehrer aus. Er war seit dem Jahr 1996 Pädagoge. Zudem war er auch jahrelang in teils führenden Funktionen für Nachwuchssportler in Wiener Sportvereinen tätig. In den Ferien wirkte er jahrzehntelang als Betreuer in einem Feriencamp mit. Der veranstaltende Verein bestätigte dem STANDARD auf Anfrage, dass der Pädagoge dort "mit Unterbrechungen von 1990 bis 2010" als Betreuer tätig war. "Bis zum heutigen Tag ist uns kein Vorfall, der in unserem Camp stattgefunden hat, bekannt", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme.

Die Betreuer würden sehr sorgsam ausgewählt, "der Schutz der uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler" habe oberste Priorität. Die Betreuer würden unter Supervision stehen und würden "vor jedem Sommer durch mehrere Vorbereitungsseminare geschult und überprüft". (David Krutzler, 21.9.2022)