Esther Kasabian (Meret Becker) in
Esther Kasabian (Meret Becker) in "Babylon Berlin".
Frédéric Batier/ARD/SKY

Berlin – Selbst dem enthusiastischsten Nachtmenschen vergeht bei der Aussicht die Lust aufs Tanzen: Die Nationalsozialisten beginnen in der neuen Staffel von "Babylon Berlin", nach mehr Macht zu greifen. Während Unsereiner weiß, was kommen wird, sind die Ermittler Gereon Rath (Volker Bruch) und Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) mittendrin in den krisengebeutelten Anfängen der 1930er-Jahre – und tanzen in einer der vierten Staffel ab 8. Oktober auf Sky trotzdem weiter.

Dabei leiten heitere Töne die erste Folge ein: Brachte man die erste und zweite Staffel noch mit dem hypnotisch-düsteren Titelsong "Zu Asche, zu Staub" heraus, so singt Max Raabe nun mit "Ein Tag wie Gold" gegen die Wirtschaftskrise an. Die koexistiert in "Babylon Berlin" mit einer Aufbruchsstimmung, will Unternehmer Alfred Nyssen (Ex-Jedermann Lars Eidinger) doch zum Mond fliegen, womit sich Parallelen zu heutigen Milliardären wie Jeff Bezos oder Elon Musk aufdrängen.

Mit Lyrics wie "was kümmer'n mich Bilanzen, lass uns tanzen", beweist die Serie, dass sie den ihr gut stehenden, subtilen Humor auch in diesen düsteren Zeiten nicht verloren hat. Das fröhlich geträllerte Lied läuft weiter, als Gereon Rath eine SA-Uniform anlegt. Fragt man sich zunächst, ob sich Charlotte und Gereon nun näher kommen – in der ersten Folge machen sich die beiden noch aus, am ersten Tag des Jahres 1931 miteinander das Tanzbein zu schwingen – so setzt nach dieser Enthüllung eine Entfremdung ein.

Regietrio mit Henk Handloegten, Achim von Borries und Tom Tykwer

Nicht den in der Rückschau allwissenden Blickwinkel, sondern den der damaligen Zeit nimmt das aus Henk Handloegten, Achim von Borries und Tom Tykwer bestehende Regietrio ein. Ein guter Kniff, scheint es beim Zusehen doch wirklich plausibel, dass alles hätte anders kommen können, hätten sich nur einige wenige Parameter verändert.

Auch abseits der aufkeimenden Macht nationalsozialistischer Truppen machen die Regisseure es ihren Protagonistinnen und Protagonisten nicht leicht, stellen sie vor emotionale Zwangslagen und harte Entscheidungen. Eine solche trifft etwa Charlotte, die im Job Kopf und Kragen riskiert. Sie setzt sich für ihre Schwester Toni ein – Irene Böhm gibt diese erstmals in einem größeren Part als sture, abgehärtete junge Frau aus dem Armutsmilieu -, die nach einem Diebstahl in Schwierigkeiten gerät. Sowohl Boxclubs als auch Polizisten stehen diesmal außerdem im Zentrum der Ermittlungen der auf Volker Kutschers Kriminalromanen basierenden Serie.

Nachdem die Schauspieler über den roten Teppich flaniert waren, bekam man bei der Premiere im Berliner Delphi Filmpalast am Dienstagabend die ersten drei Folgen zu sehen. Das Gebäude mit dem großen, rotverkleideten Kinosaal stammt aus den 1920er-Jahren und war – passenderweise – ursprünglich Tanzlokal. Aber auch in den aus der Serie bekannten Vergnügungstempel Moka Efti konnten sich Premierenbesucher per Fotoautomat hineinversetzen lassen. (APA, 1.10.2022)