Aktivistinnen und Aktivisten von Extinction Rebellion sorgten mit ihrem Protest für eine Sitzungsunterbrechung.

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Das neue Parlamentsjahr war noch keine halbe Stunde alt, da sah sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bereits veranlasst, einen ersten Ordnungsruf zu erteilen und einen Appell an die Abgeordneten zu richten. "Ich bitte Sie wirklich, sich zu mäßigen", bat Sobotka die Abgeordneten, nachdem er dem ÖVP-Mandatar Michael Hammer für einen Zwischenruf einen Ordnungsruf erteilte. "Beginnen wir doch das neue Parlamentsjahr mit einer ein bisschen mehr der Würde des Hauses entsprechenden Form." Der Appell des Nationalratspräsidenten blieb – wie sich später noch herausstellen sollte – ungehört. Es folgten weitere Ordnungsrufe, mehrmals rief Sobotka die Abgeordneten zur Räson.

Erteilte gleich in der ersten Sitzung nach der Sommerpause mehrere Ordnungsrufe: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).
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Der Grund für die heftigen Wortgefechte zwischen den Regierungsparteien ÖVP und Grüne und den Abgeordneten der Opposition: die enorme Teuerung. Anstatt diese zu bekämpfen, würde die Regierung lediglich Einmalzahlungen beschließen, die gleich wieder verpuffen. "Ihre Einmalzahlungen wirken nicht. Gehen Sie doch zu den Sozialmärkten und schauen Sie sich die langen Schlagen dort an", poltere SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch in Richtung Regierung. Heftig gestritten wurde auch über die Pensionen beziehungsweise deren Anhebung. Das vorgesehene Plus von 5,8 Prozent sei schlichtweg zu wenig, so der Befund der SPÖ.

"Wasser predigen, Wein trinken"

Dass ÖVP und Grüne nicht genug gegen die Teuerung tun, wiesen die beiden Regierungsparteien scharf zurück. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) erzürnte die harsche rote Kritik. Nur von Einmalzahlungen zu sprechen "halte ich für etwas frivol", sagte Rauch. Für "noch frivoler" halte er es, zu behaupten, dass diese einer Alleinerzieherin oder einem Pensionisten nicht nützen würden. "Das sind Beträge, die diese Menschen in die Lage versetzen, ihre Rechnungen zu bezahlen", sagte Rauch und fragte in Richtung SPÖ auch gleich: "In welcher Welt leben Sie?" Der Kritik in Sachen Pensionen hielt Rauch entgegen, dass die Steigerung für kleine Pensionen wohl höher ausfallen dürfte. Mittwoch Nachmittag fand eine weitere Verhandlungsrunde dazu statt, die allerdings keine Einigung brachte.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger wiederum konterte der roten Kritik mit einem Verweis auf das SPÖ-geführte Wien und die dortigen Gebührenerhöhungen. "Gebührenerhöhungen: 92 Prozent bei der Fernwärme, 97 Prozent beim Strom, 85 Prozent beim Gas. Hier wird Wasser gepredigt und Wein getrunken."

Der von der Bundesregierung angekündigte Strompreisdeckel – er firmiert für ÖVP und Grüne nun unter dem Titel "Stromkostenbremse" – ist Mittwochabend im Nationalrat als Initiativantrag eingebracht und dem Energieausschuss zugewiesen worden. Beschlossen werden soll die Bremse dann im Oktober-Plenum. Ab 1. Dezember soll die Maßnahme direkt auf den Stromrechnungen wirksam werden, und zwar bis 30. Juni 2024.

Sitzungsunterbrechung wegen Klimaprotests

Für die FPÖ ist jedenfalls klar, wo die Wurzel der enormen Teuerung liegt – und zwar in den Sanktionen gegen Russland, die laut FPÖ abgeschafft werden müssten. "Es wäre jetzt endlich einmal an der Zeit, in der EU aufzutreten und zu sagen, diese Sanktionen schaden uns viel mehr als Putin", sagte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.

In der darauffolgenden Europastunde, die ebenfalls die Sanktionen gegen Russland zum Thema hatte, sprach sich auch FPÖ-Chef Herbert Kickl einmal mehr gegen die Sanktionen aus. Dieser verwies darauf, dass die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg drohen würde, und wertete das Vorgehen der Regierung im Einklang mit der EU als erbärmlich.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ließ dies nicht gelten, schließlich gehe es darum, dass man eine klare Haltung gegen den Völkerrechtsbruch Russlands einnehmen müsse. "Hören Sie auf, die österreichische Gesellschaft zu spalten", rief sie Kickl zu.

Was denken sich Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und FPÖ-Chef Herbert Kickl wohl gerade?
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Als SPÖ-Klimasprecherin Julia Herr am Wort war, musste die Sitzung schließlich kurz unterbrochen werden. Grund dafür war eine Aktion von Klimaschützern auf der Besuchergalerie. "Hört auf den Klimarat" war auf dem ausgerollten Transparent zu lesen. Die Aktivisten von Extinction Rebellion warfen Flugblätter nach unten zu den Abgeordneten. Der Klimarat, zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger, übergab der Regierung noch vor dem Sommer einen Katalog an Maßnahmen, um der Klimakrise Herr zu werden. Die Einrichtung eines Klimarats war übrigens eine Forderung aus dem einstigen Klimavolksbegehren.

Abgeschmetterte Anträge der Opposition

Apropos Volksbegehren: Davon standen in der ersten Sitzung nach der Sommerpause am Mittwoch gleich sechs zur Debatte. Unter anderem das Antikorruptionsvolksbegehren. Darin wird auch eine politisch unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft gefordert. Die von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe hat zuletzt in ihrem Endbericht vorgeschlagen, dass ein bis zwei Dreiersenate für Weisungen an Staatsanwälte zuständig sein sollen und das Weisungsrecht der Justizministerin abgeschafft werden soll.

Die Grünen nutzten diese Gelegenheit, um einmal mehr für die geplante Reform für Weisungen an Staatsanwälte zu werben. Die Weisungsspitze solle unabhängig von der Politik, aber nicht frei von Kontrolle sein. "Ein Hineinregieren der Politik in staatsanwaltschaftliche Behörden soll nicht mehr möglich sein", sagte Agnes Sirkka Prammer. Die ÖVP hingegen gab sich weiter zurückhaltend. Christian Stocker betonte aber, diskussionsbereit zu sein. Wenig begeistert zeigte er sich von der Idee, dem Parlament die Kontrollmöglichkeit zu entziehen und der Justizministerin die ganze Verantwortung abzugeben.

Geendet hat die erste Sitzung nach der Sommerpause Mittwochabend schließlich mit mehreren Gesetzesbeschlüssen. Beschlossen wurde unter anderem ein Gesetzesvorschlag, der die rechtlichen Grundlagen für die Veröffentlichung von Corona-Hilfen des Bundes schafft. Mit großer Mehrheit hat der Nationalrat außerdem beschlossen, dass vor dem Krieg geflüchtete Ukrainer Zugang zum Kinderbetreuungsgeld erhalten, und zwar rückwirkend ab März 2022. Auch Erleichterungen beim Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte für Drittstaatenangehörige wurden paktiert. Mit ihren Anträgen gescheitert sind hingegen FPÖ und SPÖ. Die Freiheitlichen wollten Asylwerbern und Häftlingen den Klimabonus aberkennen, die Sozialdemokraten die CO2-Bepreisung ab Oktober verschieben. (Sandra Schieder, 21.9.2022)