Verwirrendes Ziffernsammelsurium ohne Ende für die einen, die faszinierende Zahl Pi für andere, auch Kreiszahl π genannt.

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Das Urteil der Lehrergewerkschaften über die neuen Lehrpläne für Volks- und Mittelschulen sowie AHS-Unterstufen fiel recht einmütig aus: Der fachliche Teil sei teils "unleserlich", die Vermittlung überfachlicher Kompetenzen wie Motivation oder Selbstwahrnehmung in oft großen, heterogenen Klassen "schier unmöglich", die Implementierung von 13 fächerübergreifenden Themen von Entrepreneurship Education über Sexualpädagogik bis zu Verkehrs- und Umweltbildung "schwer umsetzbar", weil "praxisfern". Zudem würden die vielen neuen Vorgaben im Entwurf zu "Mehrarbeit führen", was sie aber "keinesfalls dürften".

Ruf nach Entrümpelung

Freude über die fächerübergreifenden Komplexe kam hingegen von der Bundesjugendvertretung, sie vermisst aber das Fach Politische Bildung und den Bereich Medienbildung. Die Eltern wiederum urgieren die "Entrümpelung" der Lehrpläne.

Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) will alle Stellungnahmen "sorgfältig sichten" und Kritik "jedenfalls ernst nehmen", verteidigte den Entwurf aber, zumal "sehr viele Experten", auch Lehrerinnen und Lehrer, beteiligt gewesen seien.

Von Expertenseite kam aber auch scharfe Kritik am Lehrplanentwurf. So hatte im Ö1-"Morgenjournal" der emeritierte Bildungswissenschafter Stefan Hopmann gemeint: "Ich habe selten ein so überfrachtetes, mit Erwartungen völlig überzogenes Dokument gesehen."

Für massive fachliche Einwände sorgt vor allem der Mathematiklehrplan. Jürgen Maaß, vormals Professor für Mathematikdidaktik an der Uni Linz, sagt dazu im STANDARD-Gespräch: "Durch die vielen ausführlichen Stoffkataloge verstellt er den Weg zu gutem Unterricht, zur Erreichung der allgemeinen Lehrziele wie Erziehung zur Mündigkeit und schädigt durch die abschreckende Wirkung eines auf Üben und Ausrechnen reduzierten Unterrichts auch den Standort Österreich im internationalen Wettbewerb."

Verstehen ist das Wichtigste

Maaß nennt drei Hauptprobleme: zu wenig fachdidaktische Expertise (internationaler Forschungsstand zu wenig berücksichtigt), mehr statt – wie eigentlich gefordert – weniger Inhalte und überdies falsche, veraltete Zugänge. "Statt den Mathematiklehrplan zu entrümpeln, ist der neue Lehrplan vollgestopft mit allerlei Sachen, die schon mal überwunden waren." Beispielhaft nennt er, "dass wieder ohne Technologie, nur mit der Hand auf Papier gerechnet werden soll. Dabei zeigen andere Länder vor, wie es geht. Es kommt auf das Verstehen an, das hat sehr wenig damit zu tun, ob man dauernd händisch rechnet." So komme etwa in der Volksschule das schriftliche Rechnen weiterhin zu früh: "Schriftlich dividieren kann ich endlos machen lassen, und viele Kinder verstehen dennoch nicht, was das mit dem Teilen ihrer Geburtstagstorte zu tun hat."

Leider würden auch viele Lehrkräfte "lieber die Technik üben lassen, statt das Verstehen zu fördern", sagt der Didaktikprofessor. Das alles führe dann allzu oft zum bekannten, kontraproduktiven Ablauf: "Die Lehrkräfte sagen: 'Zur nächsten Schularbeit kommen die Seiten x bis y aus dem Schulbuch', die Schüler wissen, was zu tun ist, die Eltern organisieren die Nachhilfe. Mit dem Endergebnis, dass sich die Kinder nicht auskennen und dann Mathematik blöd finden. Zu Recht, weil so der Mathematikunterricht für nichts gut ist." (Lisa Nimmervoll, 21.9.2022)