Lebensgefährten haben nur ein "außerordentliches Erbrecht", das in der Praxis keine Bedeutung hat.

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Mit der großen Reform des Erbrechts vor fünf Jahren wurden die Rechte von Lebensgefährten zwar nicht wesentlich gestärkt, in der Praxis dürfte sich deren Stellung dennoch deutlich verbessert haben. Denn vielen Menschen wurde erst durch die Reform bewusst, wie wenig Rechte Lebensgefährten in der gesetzlichen Erbfolge haben. Das führte zu einem Boom an Testamenten, wie Anwälte dem STANDARD erzählen.

Seit der Reform im Jahr 2017 haben Lebensgefährtinnen und Lebensgefährten ein außerordentliches Erbrecht. Dieses wird allerdings nur dann schlagend, wenn keine gesetzlichen Erben vorhanden sind. In der Praxis habe er noch keinen derartigen Fall erlebt, sagt Rechtsanwalt Nikolaus Becker von HSP.

Abgesehen davon haben Lebensgefährten seit 2017 auch das Recht auf ein Vorausvermächtnis. Personen, die mit dem Verstorbenen zumindest drei Jahre lang eine Lebensgemeinschaft hatten, dürfen dessen Wohnung weiter benützen – allerdings nur für einen Zeitraum von einem Jahr. Im Fall von Ehegatten gilt dieses Recht auf unbeschränkte Zeit.

Jüngere Paare betroffen

"Es mag verwundern, aber das Thema betrifft vor allem jüngere Paare, die häufiger unverheiratet und kinderlos sind", sagt Becker. Meist leben in diesen Fällen noch die Eltern, die ein gesetzliches Erbrecht haben. Lebensgefährten gehen dann ohne Testament leer aus – auch wenn sie jahrelang mit dem Verstorbenen zusammengelebt haben.

Selbst in einem Testament können Erblasser ihre Lebensgefährten nicht völlig mit Ehegatten gleichstellen. War der Verstorbene verheiratet, haben dessen Kinder ein Pflichtteilsrecht auf insgesamt ein Drittel. Seiner Gattin kann er zwei Drittel überlassen. War der Verstorbene in einer Lebensgemeinschaft, erben die Kinder gemeinsam zumindest die Hälfte; der Lebensgefährtin bleibt die andere, erklärt Rechtsanwalt Marcus Marakovics.

Mehr Rechte?

Aus Sicht von Marakovics sollte der Gesetzgeber die Rechte der Lebensgefährten ausweiten. "Die Gesellschaft hat sich gewandelt, weg von der Ehe, hin zur modernen Lebensgemeinschaft", sagt der Anwalt. "Da hinkt unser Gesetz hinterher". Ähnlich sieht das Becker: "Lebensgemeinschaften werden immer üblicher. Ich glaube, dass das Gesetz diese Lebensrealität besser abbilden sollte."

Das Problem sei, dass Lebensgemeinschaften in der Praxis schwierig zu definieren sind, was viele Rechtsstreitigkeiten auslösen könnte. "Bei der Ehe gibt es eine öffentliche Urkunde, die die Partnerschaft nachweist. Bei der Lebensgemeinschaft ist dieser Nachweis schwieriger", gibt Marakovics zu Bedenken.

Der Anwalt glaubt dennoch, dass man in der Praxis einen Weg finden könnte. Auch im Sozialversicherungsrecht oder im Mietrecht spielt der Begriff des Lebensgefährten eine Rolle. "Meistens gibt es gemeinsame Fotos, einen gemeinsamen Freundeskreis oder Nachrichten" sagt Marakovics. "Bevor der siebte Cousin von links erbt, entspricht es wohl eher dem Willen des Erblassers, dass der Lebensgefährte oder die Lebensgefährtin zum Zug kommt." (Jakob Pflügl, 25.9.2022)