Der Espenwald Pando in Utah ist in Wirklichkeit ein einziger zusammenhängender Organismus.
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Er ist ein Lebewesen, das zu Recht als Superorganismus bezeichnet wird. Schätzungen zufolge ist er 6000 Tonnen schwer und einige Tausend Jahre alt. Das macht ihn zum an Biomasse größten Lebewesen auf der Welt und zu einem Anwärter für den ältesten lebenden Organismus. Die Rede ist von einer Ansammlung amerikanischer Espen, genannt Pando, die zum Fishlake-Wald in der Nähe der US-amerikanischen Stadt Salt Lake City gehört. Im Herbst ist sie für ihre Farbenpracht bekannt. Doch die größte Besonderheit liegt unter der Erde verborgen: Die etwa 47.000 Bäume sind genetische Kopien und teilen sich ein gemeinsames Wurzelsystem.

Seit einigen Jahren ist dieser Superwald bedroht. Diesmal ist es nicht der Klimawandel, der das größte Risiko darstellt, sondern eine sich stark vermehrende Wildpopulation. Sie frisst die jungen Triebe der Espen, die auch als Zitterpappeln bezeichnet werden, und verhindert das Aufkommen neuer Bäume.

Nun fand der Ökologe Paul Rogers von der Universität Utah Anzeichen dafür, dass die Population begonnen hat, sich in mehrere Teile aufzuspalten, wie er im Fachjournal "Conservation Science and Practice" berichtet.

Schutz durch Zäune

Bereits vor fünf Jahren warnte Rogers vor dem Verbiss, der von Wild und zu einem kleineren Teil auch von Nutzvieh verursacht wird. Vonseiten der Verwaltung des Nationalforsts reagierte man mit Schutzmaßnahmen und begann, Teile des Geländes einzuzäunen. Es handelte sich um ein einmaliges Experiment mit ungewissem Ausgang.

Jetzt zeigt sich, dass die Maßnahmen zu einem großen Teil zu scheitern drohen. Die Schutzmaßnahmen umfassten etwa die Hälfte des Waldes, doch nur 16 Prozent des Baumbestands waren durchgehend effektiv genug umzäunt, um Wild abzuhalten. Bei etwa einem Drittel des Waldes waren die Zäune zeitweise beschädigt. Der Wald entwickelt sich nun in drei unterschiedliche Richtungen.

In den nicht umzäunten Bereichen tritt ein, was Rogers bereits prophezeite: Jungbäume können nicht schnell genug heranwachsen, um alte Bäume zu ersetzen. Dort stirbt der Wald. Doch auch das Drittel mit den inzwischen reparierten Zäunen ist nicht mehr gesund. In diesem Bereich fehlt eine Baumgeneration, die Jungbäume sind gegenüber den alten, sterbenden Bäumen in der Minderheit.

Rogers betont, dass die Auswirkungen eines Rückgangs von Pando nicht nur den Wald selbst betreffen würden. Obwohl er nur aus Klonen besteht, sorgt er für hohe Biodiversität. Espenwälder sind etwa ein wichtiger Lebensraum für unzählige Tiere und Pflanzen.

Der Wald entwickelt sich in drei unterschiedliche Richtungen, wie eine Grafik der Universität Utah zeigt.
Foto: S.J. & Jessie E. Quinney / Utah State University

Doch an verschärften Maßnahmen gegen Pandos Zersplittern äußert selbst Studienautor Rogers Zweifel. Der Wald verkomme vom Naturdenkmal zum Zoo, wenn noch mehr Zäune aufgestellt würden. Rogers tritt dafür ein, den Wildbestand zu regulieren. Außerdem erinnert er an andere Ökosysteme, die mindestens so dringend Schutzmaßnahmen benötigen wie der Rekordorganismus.

Pflanzliche Giganten

Pando ist nur ein Beispiel für eine Reihe von Superorganismen. Während der bekannte Espenwald das Lebewesen mit der meisten Biomasse ist, trägt den Titel des flächenmäßig größten Organismus der Welt eine Seegraskolonie vor der australischen Westküste. Bei genetischen Analysen zwischen 180 Kilometer entfernten Pflanzen wurde zufällig entdeckt, dass es sich um miteinander verbundene Klone handelt, in der Biologie "Genet" genannt. Auch die Seegraswiese ist mit einem Alter von 4500 Jahren eine Greisin.

Anspruch auf die Bezeichnung als ältestes Lebewesen wird Pando vermutlich weiterhin stellen dürfen, da er nicht völlig abstirbt. Teile der Schutzzonen sind gesund und sichern den Fortbestand. Doch der Zerfall des großen, durchgehenden Gebiets hat bereits begonnen.

Umsonst waren die Anstrengungen nicht. So außergewöhnlich die Größe des Espenwaldes bei Salt Lake City ist, handelt es sich im Prinzip nur um eine von vielen ähnlichen Superkolonien aus Espen. Rogers erwartet, dass die Erkenntnisse rund um die versuchte Rettung von Pando künftig dabei helfen, diese besonderen Laubwälder zu erhalten. (Reinhard Kleindl, 22.9.2022)