Bless Amada ist der jüngste Schauspieler im Burgtheater-Ensemble und spielt in "Die Ärztin" von Robert Icke (nach Schnitzlers "Professor Bernhardi") den Doctor Michael Copley.

Foto: Irina Gavrich

Bless Amada in "Die Ärztin", im Hintergrund: Ernest Allan Hausmann als Doctor Cyprian.

Marcella Ruiz Cruz

In den Theaterhäusern werden Ensembles derzeit deutlich gemischter zusammengesetzt, als das bisher der Fall war – um die Diversität zu steigern und so neues Publikum anzusprechen. Das Burgtheater hat hier eine Vorreiterrolle und unter Martin Kušej auch entscheidende Schritte gemacht. Nun kooperiert das Nationaltheater mit dem Aktionsbündnis Black Voices, das das derzeit laufende Antirassismusvolksbegehren auf den Weg gebracht hat.

STANDARD: Herr Amada, Sie sind Mitinitiator der Kooperation mit Black Voices. Warum ist es Ihnen wichtig, dass Ihr Theater dabei ist?

Amada: Weil sich das Burgtheater generell stark dafür einsetzt, Menschen marginalisierter Gruppen besser zu repräsentieren, im Ensemble und in den Inszenierungen.

STANDARD: Das Theater kämpft immer wieder mit Rassismus-Vorwürfen, strukturell, aber auch in anlassbezogenen Vorfällen. Sind Theater, wie einmal jemand behauptet hat, "geschützte weiße Räume"?

Amada: Ich denke, so ist es nach wie vor. Denn das Theater spricht immer noch eine zu homogene und letztlich zu kleine Gruppe an. Das ist der Punkt: Die Leute, die zugehörig sein könnten, fühlen sich nicht angesprochen. Es gibt kein Futter für sie – und deshalb kommen sie nicht.

STANDARD: Theater produziert also, auch wenn es das nicht möchte, Rassismus ständig mit – über die Spielplänen, über die Ensembles. Bewegt sich da nichts?

Amada: Doch schon, aber es braucht Zeit. Zunächst muss es überhaupt das Bewusstsein für diesen Ausschluss geben. Und dann muss man daran arbeiten, diese voreingenommenen Bilder, die wir von der Gesellschaft haben, zu brechen und neue zu schaffen. Und es ist letztlich immer eine Frage von Repräsentation. Es gibt also definitiv zu wenig Bewusstsein dafür, dass immer nur eine kleine gesellschaftliche Gruppe repräsentiert wird.

STANDARD: Seit den 1990er-Jahren befasst man sich mit Critical Whiteness. Und doch gibt es regelmäßig rassistische Vorfälle, etwa vor zwei Jahren den Whitefacing-Skandal an der Oper Berlin. Oder aktuell die rassistische Diskussion über die Darstellung der Arielle im neuen Disney-Film. Wird es das immer geben?

Amada: Arielle ist eine fiktive Figur, nirgends steht, dass sie weiß dargestellt werden muss. Aber diese Vorstellung von White Supremacy scheint tief verankert zu sein. Es geht also ganz entscheidend darum, neue Bilder einzuführen, um zu sagen, so geht's auch! Denn die Welt sieht anders aus. Macht will eben immer sich selbst sichern und keinen Raum abgeben, ganz logisch.

STANDARD: Würden Sie den Othello spielen? Ist das als PoC (Person of Color, Anm.) nicht auch "doing race"?

Amada: Ich würde gern den Jago spielen! Denn er ist der Spielmacher, eine wahnsinnig interessante Figur. Aber um zu Ihrer Frage zu kommen: Wenn man Othello anders besetzt, lässt sich der Rassismus, den die Figur erfährt, nicht erzählen und man eliminiert ein Hauptthema dieses Stücks. Aus meiner Sicht macht es also Sinn, dass Othello von einer Person of Color gespielt wird.

STANDARD: Was raten Sie einer Theaterleiterin in einer mittleren Kleinstadt, die einen PoC-Absolventen für eine konkrete schwarze Rolle engagieren will, aber die Absage bekommt: "Ich mach euch nicht den Schwarzen"?

Amada: Das ist ein echtes Dilemma für alle Beteiligten. Ich würde mich auch fragen, ob ich nur wegen meiner Hauptfarbe angefragt werde. Mein Freund und Kollege Tyron Ricketts sagte mir: "Guck mal, Bless, wir kämpfen schon so lange um Platz. Trotz solcher Gedanken müssen wir jetzt die Chance ergreifen. Denn sonst wird es schwierig, diese Veränderung herbeizuführen." Und der Theaterleiterin würde ich raten, den Schauspieler nicht als Quoten-Mann für diese Rolle, sondern fest ins Ensemble zu engagieren.

STANDARD: Ist der Dramenkanon überhaupt kompatibel mit einem diversen Ensemble?

Amada: Ja, ist er. Trotzdem finde ich es wichtig, dass historische Personen als solche nachvollziehbar bleiben. Also Hitler würde von einer schwarzen Person gespielt wenig Sinn machen. Aber darüber hinaus spricht doch nichts dagegen, Stücke bunter zu besetzen, wie ja jetzt in der Inszenierung "Die Ärztin" auch geschehen. Und man müsste anfangen, auch Geschichten aus anderen Kulturräumen zu erzählen.

STANDARD: Wie sieht die weitere Zusammenarbeit mit Black Voices aus?

Amada: Das steht noch ganz am Anfang. Das Ziel ist einfach, mehr PoC-Publikum dazuzugewinnen. Die Black Voices sind eine Brücke zu Menschen, die sich bisher nicht angesprochen gefühlt haben. (Margarete Affenzeller, 22.9.2022)