Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj richtete sich in einer Videobotschaft an die UN-Vollversammlung.

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New York – Russland ist nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht ernsthaft an Friedensgesprächen interessiert. "Sie reden über die Gespräche, aber sie kündigen eine militärische Mobilisierung an. Sie reden über die Gespräche, aber sie kündigen Scheinreferenden an", sagte Selenskyj am Mittwoch per Videobotschaft bei der Generaldebatte der Uno-Vollversammlung. "Russland will Krieg." Zudem solle Moskau das Vetorecht im Uno-Sicherheitsrat entzogen werden.

Wegen des russischen Angriffskriegs hatte das Gremium Selenskyj zuvor per Ausnahmegenehmigung erlaubt, sich per Videobotschaft in New York zu äußern. In seiner Rede forderte er außerdem die Einrichtung eines Sondertribunals. "Gegen die Ukraine wurde ein Verbrechen begangen, und wir verlangen gerechte Bestrafung", so Selenskyj. Neben der Einrichtung eines Sondertribunals verlangte der Präsident außerdem, Russland das Vetorecht im Uno-Sicherheitsrat zu entziehen.

Warnung vor Nuklearkatastrophe in Saporischschja

Angesichts der Lage beim umkämpften ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja warnte Selenskyj vor einer internationalen Nuklearkatastrophe. Das russische Vorgehen dort "macht Sie alle zu einem Ziel". Die "russische Strahlenerpressung ist etwas, das jeden Einzelnen von Ihnen betreffen sollte", denn niemand werde einen Impfstoff gegen die Strahlenkrankheit haben, ergänzte er in eindringlichen Worten.

Das Kernkraftwerk Saporischschja steht seit Anfang März unter russischer Kontrolle. Mit seinen sechs Reaktoren und einer Nettoleistung von 5.700 Megawatt ist es das größte Atomkraftwerk in Europa. Moskau und Kiew lasten sich den Beschuss der Anlage gegenseitig an. Eine Häufung von Vorfällen, die zur Abschaltung von Reaktoren und Stromausfällen führten, hatte international die Sorge vor einer Atomkatastrophe erhöht.

IAEA verhandelt über AKW-Schutzzone

Die Internationale Atomenergiebehörde hat nach Angaben von Direktor Rafael Grossi "echte Verhandlungen" mit Russland und der Ukraine über die Einrichtung einer Schutzzone für das umkämpfte Atomkraftwerk aufgenommen. Er habe sich am Rande der Generaldebatte der Uno-Vollversammlung in New York neben anderen Treffen sowohl mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, als auch mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba getroffen, sagte Grossi. "Die Räder sind in Bewegung."

Ein konkretes Ergebnis gebe es noch nicht, so Grossi, aber er habe den Eindruck, dass es auf allen Seiten die Überzeugung gebe, dass die Einrichtung einer solchen Schutzzone unverzichtbar sei. Weil die Situation rund um das ukrainische AKW sich noch weiter verschlechtert habe und ihm "riesige Sorge" bereite, sei Eile geboten, sagte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde. "Wir müssen das so schnell wie möglich entscheiden." Er hoffe, dass er bald in die Ukraine und dann auch nach Russland reisen könne, um die Verhandlungen fortzusetzen. (APA, red, 22.9.2022)