Die Proteste wurden durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ausgelöst, die zuvor von Irans Sittenpolizei festgenommen worden war.

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Teheran – Bei Protesten und Unruhen in dutzenden Städten des Irans sind mindestens 17 Menschen ums Leben gekommen. Die Organisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo sprach am Donnerstag sogar von mindestens 31 toten Zivilisten. Darunter sollen auch ein Polizist und ein Mitglied einer regierungsnahen Miliz sein. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben, die weist die Vorwürfe zurück.

Bei den Protesten geht es um den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die am Freitag in einem Krankenhaus in Teheran gestorben ist. Sie war zuvor von der Sittenpolizei festgenommen worden, wegen des Vorwurfs, gegen die strengen Hidschab-Vorschriften verstoßen zu haben. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Jedenfalls fiel sie ins Koma und starb am Freitag in einem Krankenhaus.

Festnahmen nach Demonstrationen

Seitdem demonstrieren landesweit tausende Menschen gegen den repressiven Kurs der Regierung. In zahlreichen Städten lieferten sich Demonstranten in der Nacht zum Donnerstag erneut Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften, die laut Augenzeugen nach einer massiven Einschränkung des Internets mit Härte vorgingen.

Auf Videos, die nicht verifiziert werden konnten, wird von Schüssen mit scharfer Munition berichtet. Unter den Opfern seien sowohl Sicherheitskräfte als auch Demonstranten, berichtete das Staatsfernsehen am Donnerstag. Die kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw teilte mit, zehn Demonstranten seien von iranischen Sicherheitskräften getötet worden, drei davon am Mittwoch. Offizielle iranische Stellen bestreiten dies. Ihren Angaben zufolge haben vermutlich bewaffnete Dissidenten die Demonstranten erschossen. Die Angaben beider Seiten konnten nicht verifiziert werden.

Eine Journalistin und ein Aktivist wurden festgenommen. Bei der Journalistin handelt es sich um Nilufar Hamedi von der Reformzeitung "Shargh", wie das iranische Onlineportal Emtedad am Donnerstag unter Berufung auf ihren Anwalt berichtete. Außerdem sei der Autor und Aktivist Hamidresa Jalaipur vom Geheimdienst aufgegriffen worden. Er befinde sich im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der Hauptstadt Teheran.

Warnung vor Teilnahme

Der iranische Geheimdienst warnte am Donnerstag, dass die Teilnahme an den Protesten illegal sei und Demonstrantinnen und Demonstranten strafrechtlich verfolgt würden. Das berichteten iranische Nachrichtenseiten.

"In Anbetracht der Ausnutzung der jüngsten Vorfälle (Proteste) durch konterrevolutionäre (Oppositions-) Bewegungen, wird jede Anwesenheit und die Teilnahme an solchen illegalen Versammlungen ... eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen", zitierten die Nachrichtenseiten das Ministerium in einer Erklärung.

Beileidsbekundung von Khamenei

In sozialen Medien war spekuliert worden, Amini sei nach ihrer Festnahme geschlagen worden. Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli und die Polizei wiesen diese Darstellung zurück. Dennoch leiteten die Behörden Ermittlungen ein. Ayatollah Ali Khamenei, das politische und Religiöse Oberhaupt des Iran, hat der Familie Mahsa Aminis nach Angaben eines ranghohen Beraters diese Woche sein Beileid und seinen Schmerz über den Tod der jungen Frau ausgedrückt.

Inzwischen solidarisierten sich Prominente Iraner im Exil mit der Protestbewegung. Auch im Iran wurden Stimmen laut, die sich ungewöhnlich scharf gegen den Kurs der Regierung stemmten. Der Fußballstar Ali Karimi etwa solidarisierte sich mit den Protesten. Der Ex-Profi erhielt dafür Zuspruch vieler Iranerinnen und Iraner. "Hab keine Angst vor starken Frauen. Vielleicht kommt der Tag, an dem sie deine einzige Armee sind", schrieb der Ex-Profi, der in der Vergangenheit auch in der Bundesliga verpflichtet war, auf Twitter.

Internet blockiert

Die Menschenrechtsgruppe Hengaw und die Beobachtungsstelle für Internetsperren NetBlocks berichten, die Behörden hätten das Internet massiv blockiert. Der Zugang zu Instagram, der einzigen großen Social-Media-Plattform, die der Iran normalerweise zulässt, sei eingeschränkt worden. Zudem seien einige Mobilfunknetze abgeschaltet worden. "Der Iran unterliegt nun den strengsten Internetbeschränkungen seit dem Massaker im November 2019", teilte NetBlocks mit. 2019 waren bei Protesten gegen steigende Benzinpreise 1.500 Menschen getötet worden.

Unterdessen solidarisierte sich der iranische Fußballstar Ali Karimi mit den Protesten, er erhielt dafür viel Zuspruch. "Hab keine Angst vor starken Frauen. Vielleicht kommt der Tag, an dem sie deine einzige Armee sind", schrieb der Ex-Profi, der in der Vergangenheit auch in der Deutschen Bundesliga verpflichtet war, auf Twitter. Karimi lebt selbst im Iran.

Strenge Vorschriften

Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften. Insbesondere in den Metropolen sehen viele Frauen die Regeln inzwischen aber eher locker und tragen beispielsweise ihr Kopftuch nur auf dem Hinterkopf – zum Ärger erzkonservativer Politiker. Religiöse Hardliner im Parlament versuchen seit Monaten, die islamischen Gesetze strenger anwenden zu lassen.

Christiane Amanpour, langjährige Korrespondentin des US-Senders CNN, berichtete, dass sie ein Interview mit Irans Präsident Ebrahim Raisi am Rande der Uno-Vollversammlung in New York geplant hatte. Raisi sei aber nicht zum vereinbarten Termin erschienen. Stattdessen sei ein Mitarbeiter Raisis 40 Minuten später gekommen und habe gesagt, der Präsident schlage vor, dass sie (Amanpour) ein Kopftuch trage. Sie habe dies abgelehnt, twitterte Amanpour. Kein iranischer Präsident zuvor habe das Tragen eines Kopftuches verlangt, wenn er außerhalb des Irans interviewt worden sei. Der Mitarbeiter Raisis habe erklärt, das Kopftuch sei eine Frage des Respekts und habe auf die Lage im Iran hingewiesen.

Kritik und Sanktionen

Die US-Regierung verhängt Sanktionen gegen die iranische Moralpolizei und hochrangige Sicherheitsbeamte. Die Moralpolizei sei verantwortlich für Gewalt gegen iranische Frauen und verletze die Rechte friedlicher Demonstranten, teilte das US-Finanzministerium am Donnerstag mit. Von den Maßnahmen seien auch hochrangige Führungskräfte verschiedener Sicherheitsorganisationen des Landes betroffen – darunter der Leiter der Moralpolizei. Diese Beamten beaufsichtigen dem Ministerium zufolge Organisationen, die routinemäßig Gewalt anwenden, um friedliche Demonstranten und Mitglieder der iranischen Zivilgesellschaft zu unterdrücken.

Die US-Regierung verurteile diesen "skrupellosen Akt" auf das Schärfste und fordere die iranische Regierung auf, die Gewalt gegen Frauen und die anhaltende gewaltsame Unterdrückung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu beenden, erklärte US-Finanzministerin Janet Yellen. Als Folge der Sanktionen wird etwaiger Besitz der Betroffenen in den USA eingefroren, US-Staatsbürgern werden Geschäfte mit ihnen untersagt. (APA, Reuters, red, 22.9.2022)