Im Gastblog zeigt Kurt Tutschek Darstellungen aus dem Jahr 1846, in denen die Welt der Tiere mit der damaligen Gesellschaft verbunden wurde. 

Jean Ignace Isidore Gerard war ein französischer Illustrator und Karikaturist des 19. Jahrhunderts, der unter dem Pseudonym Grandville seine einzigartigen Bilder veröffentlichte. Bekannt wurde er vor allem durch seine Buchillustrationen zu Klassikern wie den Fabeln von La Fontaine, Robinson Crusoe von Daniel Defoe, Gullivers Reisen von Jonathan Swift und Don Quijote von Cervantes.
Daneben galt sein Interesse aber vor allem der anthropomorphen Tier- und Pflanzendarstellung. Seine Illustrationen bevölkern immer wieder Mischwesen aus Bestandteilen von Menschen, Tieren und Blumen. Diese verzerrte Darstellung diente Grandville dazu, die charakteristischen Eigenschaften der ins Bild Gesetzten pointiert zu illustrieren.

Les Fleurs Animées

Als eines seiner bezauberndsten Werke gilt Les Fleurs Animées (Lebende Blumen oder auch Die Seele der Blumen) aus dem Jahr 1846, das erst kurz nach Grandvilles Tod im Jahr 1847 posthum veröffentlicht wurde.
Er illustriert darin Texte, in der populärwissenschaftliche, aber auch philosophische und poetische Aspekte rund um das Thema 'Blumen und Blüten' behandelt werden. Im Text behaupten die Pflanzen selbstbewusst: "Sans nous la poésie n`existerait pas." (Ohne uns gäbe es keine Poesie.) Und so spielen die zauberhaften Darstellungen der surrealen Mischwesen auch immer mit der Frage, ob hier Pflanzen vermenschlicht wurden oder vielmehr Menschen in das Reich der Pflanzen ausgewandert sind.

Flieder (im Gespräch mit einem Gelbrandkäfer)
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Kornblume und Mohn (beim Konzertbesuch)
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Weißdorn (in Abwehrhaltung)
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Distel (mit einem Verehrer)
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Margerite (und Familienmitglieder)
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Geißblatt (und tänzelnde Ziege)
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Rose (samt Hofstaat)
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Kapuzinerkresse (in stillem Gedenken)
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Kaktus (kokett posierend)
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Sonnenblume (zum Sonnengott betend)
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Pfeilkraut (und Fische beim Synchronschwimmen)
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Narzisse (beim Besuch der Nachbarschaft)
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Tulpe (in orientalischer Anmutung)
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Schlafmohn (bei nächtlicher Berufsausübung)
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Tee und Kaffee (beim Nachmittagsplausch)
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Schierling (inklusive erfolgreich geleertem Becher)
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Primel und Schneeglöckchen (durch den Schnee stapfend)
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Blumenball (Influencerinnen im Vordergrund)
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Zeitlebens als Illustrator und Grafiker bekannt, geriet Grandville nach seinem Tod bald in Vergessenheit. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass den weitaus größten Teil seiner Arbeiten tagesaktuelle Karikaturen ausmachten, die sich mit politischen und gesellschaftlichen Zuständen auseinandersetzten und daher hauptsächlich an die Zeit, in der sie entstanden, gebunden waren. Auch wurden seine Werke von Zeitgenossen wie Honoré de Balzac und Charles Baudelaire nicht eben wohlwollend aufgenommen und besprochen. Erst Jahrzehnte später wurde Grandville als bedeutender Künstler des 19. Jahrhunderts anerkannt. (Kurt Tutschek, 24.9.2022)

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