Der erste Gedanke vieler Russen nach der Ankündigung Wladimir Putins zur Teilmobilmachung von 300.000 Reservisten für den Krieg gegen die Ukraine dürfte nachvollziehbar sein: Flucht. Das legten anfangs neben erhöhten Suchanfragen zum Thema auch zahlreiche Berichte via Social Media nahe. Zu viele, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, denn es gibt auch Informationen, die in dieser Form nicht stimmen dürften.

One-Way-Ticket aus Russland

Wer es sich leisten konnte, nahm den Platz im Flieger, um aus Russland in ein Land zu flüchten, das visafreie Einreise erlaubt. Nach der Ankündigung des russischen Präsidenten fand ein regelrechter Run auf Tickets ins Ausland statt. Laut dem Onlinedienst Google Trends wurden die Suchbegriffe "Tickets" und "Flugzeug" seit Mittwoch in der Früh in Russland doppelt so häufig eingegeben wie sonst üblich. Die Suchanfrage "Russland verlassen" war hundertmal häufiger als an normalen Tagen zu sehen.

Zahlreiche Airlines teilten am Mittwoch in weiterer Folge mit, dass Flüge von St. Petersburg oder Moskau aus erst gegen Ende der Woche wieder verfügbar oder schon komplett ausgebucht seien. Das führte auch dazu, dass die Preise ins Unerschwingliche hochschnellten. Die "Wirtschaftswoche" berichtete, dass das letzte Economy-Ticket bei Emirates am Mittwoch fast 10.000 Euro kostete. Flightradar 24 zeigt dazu auch das aktuelle Flugaufkommen aus den beiden russischen Metropolen.

Berichte in sozialen Netzwerken über kilometerlange Staus, die sich an der finnisch-russischen Grenze gebildet haben sollen, ließen sich am Donnerstag zunächst nicht bestätigen.

Die finnische Grenzschutzbehörde Rajavartiolaitos berichtete zuletzt davon, dass der Verkehr an der östlichen Grenze im Vergleich zu den letzten Wochen zugenommen habe, das Aufkommen verglichen zu Zeiten vor der Pandemie aber immer noch gering sei.

Eine kurze Recherche auf Google Maps zeigt, dass die Daten von Donnerstag, 14.15 Uhr, zu Vaalimaa, dem wichtigsten Grenzübergang zwischen Finnland und Russland, nur ein "geringes Verkehrsaufkommen" ausweisen.

Laut Google Maps gibt es keinen Stau an der finnisch-russischen Grenze.

Auch ein Blick auf die Webcam-Bilder von der Grenze zeigte am Donnerstag, 14.15 Uhr, keinerlei Hinweise, dass viele Russen über diese Route auf der Flucht seien. Am Freitag meldete Finnland dann ein geschäftiges Treiben an der russischen Grenze: "Heute Morgen ist immer noch viel los ... vielleicht noch ein bisschen mehr als gestern", sagte ein Sprecher des Grenzschutzes am frühen Freitagmorgen.

Die längste Schlange bildete sich am stark frequentierten Grenzübergang Vaalimaa. Dort stauten sich die Autos auf einer Länge von etwa 500 Metern. Auch am zweitgrößten Grenzübergang Nuijamaa waren die Warteschlangen "länger als sonst". Weitere Updates gibt es auch im Ticker des STANDARD. (red, 22.9.2022)

Update von Donnerstag, 14 Uhr: Ergänzung um einen aktuellen Tweet der finnischen Grenzschutzbehörde, wonach sich das Verkehrsaufkommen während der Nacht leicht erhöht habe.

Update von Freitag, 9:44 Uhr: Der Artikel wurde mit den Informationen von Freitag in der früh aktualisiert.

Update vom 30.09., 17:31 Uhr: In einer früheren Version des Beitrags haben wir uns auf eine Webcam bezogen, die fälschlicherweise nur den finnischen Teil der Grenze zeigt und nicht auch den russischen. Wir haben die Verweise auf die Webcam entfernt und entschuldigen uns für den Fehler.