Shit! Geblitzt. Von vorne. Wie konnte das passieren? Wir fahren gut, keine Frage. Gerne zügig, wenn möglich. An Tempolimits halten wir uns, natürlich. Aber für E-Autos gilt der Lufthunderter nicht. Das haben wir im Vorfeld recherchiert. Geblitzt wird man trotzdem, wenn man auf 130 km/h beschleunigt, wo eigentlich Tempo 100 nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft gilt – also für Verbrenner.
Das Radargerät unterscheidet die Autos nicht, eine Strafe bekommen die mit dem grünen Nummerntaferl aber nicht. Also Musik wieder an. "Azzurro" klingt im Tesla Model Y Performance wie in einer italienischen Großraumdisco. Wir fahren ans Meer – Tesla testen. Es ist das Dolcefarniente, kann man sagen. Selbst muss man in diesem Auto nicht mehr viel machen. Nicht einmal aufsperren: Das übernimmt die Smartphone-App, sobald man in die Nähe des Teslas kommt.
Erste Ansage
Gut aufgetankt geben wir über die Sprachsteuerung unser Ziel ein: Grado. Zwischenstopp: Mönichwald – da crashen wir noch die Hochzeit eines Kollegen. Das Tablet in der Mitte des Armaturenbrettes – wenn man das ohne Tacho und Co überhaupt noch so nennen kann – spuckt uns die Route aus. Außerdem: die Akkustände, mit denen wir ankommen, und die Tesla Supercharger auf unserem Weg – inklusive Vorschlag, wie lange getankt werden sollte, um das beste Ergebnis zu erzielen. Die 129 Kilometer bis zum ersten Stopp sind kein Problem. Mehr als 500 Kilometer Reichweite mit voller Batterie gibt Tesla für sein Model Y Performance an.
Das schafft der Wagen aber nur unter optimalen Voraussetzungen. Sprich: bei stromsparendem Fahren, Geschwindigkeiten abseits der Autobahn, am besten ohne Klimaanlage und andere Späßchen, von denen es genug gäbe. Die Einstellungen zum Niedrigverbrauch – "lässig", nicht "sportlich" und harte Motorbremse statt sanftes Rollen – sind besonders in der Stadt gewöhnungsbedürftig. Dass man das Bremspedal kaum verwendet, weil den Fuß vom Gas zu nehmen völlig ausreicht, um rasch zum Stillstand zu kommen, ist anfangs irritierend. Die angegebenen 17,1 kWh auf 100 Kilometer schaffen wir trotzdem nicht – wir liegen bei rund 23 kWh. Die Reichweite verringert sich.
Gewöhnen müssen wir uns auch an die Toter-Winkel-Kamera und daran, dass der 3S-Blick durch einen 2S-plus-Tablet-Blick ersetzt wird. Aber auf dem Bildschirm spielt sich sowieso alles ab, was man braucht. Unter der Geschwindigkeitsanzeige – und dem nicht immer korrekten Tempolimit – zischt ein weißer Tesla-Avatar zwischen anderen eintönigen grauen Wagen. Farbig wird’s, wenn die Spur nicht gehalten wird, sich der Abstand zum Vorderen gefährlich verringert oder wir den Blinker einlegen, obwohl ein anderes Auto dort fährt, wo wir hinwollen. Achtung: Rot!
Hände weg!
Blau wird die eigene Spur auf dem Tablet beim Test des Autopiloten. Der hält sich an die per Tempomat festgelegte Geschwindigkeit, fährt perfekte Kurven, wechselt selbstständig die Spur, wenn man den Blinker antippt, und bremst, wenn er es für nötig hält. Unheimlich ist das, auch wenn die Hände am Lenkrad bleiben müssen. Loslassen kann – nein: muss – man, wenn man den Tesla selbstständig einparken lässt. Das kann er nämlich auch. Jedoch bevorzugt er Lücken in der Größe, für die wir eh keine Hilfe bräuchten.
Auf der Autobahn oder Schnellstraße kann der Tesla Y endlich performen und zeigen, wofür er seine 534 PS hat. Und dabei geht es nicht einmal ums Rasen, sondern ums Beschleunigen. Überholmanöver strengen die beiden Elektromotoren kein bisschen an. Eigentlich kein Wunder, rühmt sich das Modell doch damit, es von null auf 100 in weniger als vier Sekunden zu schaffen.
Dabei drückt es uns schon einmal in die Sitze. Fünf gibt es davon, und auch die Hinterbänkler thronen wie in der Businessclass unter dem Panorama-Glasdach. Platz gibt es überhaupt genug: vorne, hinten und ganz hinten. In den Kofferraum passen laut Hersteller rund 850 Liter, mehr als doppelt so viele, wenn die zweite Sitzreihe umgelegt ist. Bei uns finden drei mittelgroße Trolleys, zwei große Taschen, ein Rucksack und ein gelbblütiger Blumenstock problemlos Raum. Wem das nicht reicht, der kann unter die Motorhaube stapeln. Im "Frunk" gibt es zusätzliche 117 Liter Stauraum.
Letzte Abfahrt
Nachdem der Blumentopf das Hochzeitspaar erreicht hat, verbleiben uns noch rund 360 Kilometer bis ans Meer. Dafür braucht der Tesla Nachschub. Dreimal haben wir auf dem Weg nach Grado getankt. Zugegeben: nie voll. Das Angebot an Superchargern – Teslas hauseigenen Schnelltankstellen – ist auf der Südachse ausreichend ausgebaut.
Ganz eilig sollte man es aber nicht haben. Eine kleine Bergstraße führt bei der Abfahrt Laßnitzhöhe in die Pampa. Durch die Kurven cruist der Wagen angenehm. Nur die Federung ist ein wenig schroff. 124 kW laden wir dort: 20 Minuten Pause, und die Batterie ist wieder auf 80 Prozent. Das Glück, die Höchstladekapazität von 250 kW zu erreichen, haben wir auch in Maribor und Ljubljana nicht. Der Akku reicht trotzdem für ausgiebige Strandspazierfahrten in Grado.
Auf dem Rückweg schnellt der Ladestand dafür in Palmanova, dem italienischen Parndorf, hinauf. Von acht auf 100 Prozent tanken wir in unter einer Stunde. Auf den 530 Kilometern nach Wien ist nur der Stopp in Maribor notwendig, sagt der Tesla. Zur Sicherheit tanken wir noch in der Einsamkeit von Wiener Neustadt. Einmal Nenas 99 Luftballons in der autoeigenen Karaokeversion gegrölt – und fertig. Bis nach Wien ist es ja nicht mehr weit.
Wer trotz Teuerungskrise 70.000 Euro auf der Seite hat, sollte sich die Anschaffung dieses Schlittens überlegen. Wir fahren wieder U-Bahn, weiter elektrisch, nicht ganz so zügig, aber man wird auch nicht geblitzt. (Oona Kroisleitner, Katharina Mittelstaedt, 24.9.2022)