Florence Pugh als Hausfrau, der langsam dämmert, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht.

Foto: Warner

Jeden Morgen brutzeln Ham and Eggs in der Pfanne. Die Routinen des Hausfrauendaseins unterstreicht der Film mit dem Close-up auf dieses herzhafte Frühstück. Danach wird staubgesaugt, Fenster müssen geputzt, Lebensmittel eingekauft werden. Für die Einsicht, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt, fehlt Alice noch das Bewusstsein.

Auch sind die Ablenkungen zu groß: Am Pool mit den Nachbarinnen an einem Cocktail zu schlürfen hält das Glücksgefühl genau so stabil wie der hemmungslose Ehemann, der den Dinnertisch zum Ehebett umfunktionalisiert. Zumal, wenn dieser vom britischen Popstar Harry Styles verkörpert wird.

Warner Bros. Pictures

Doch wie in allen fragwürdigen Retro-Idyllen, die an überkommenen Rollenbildern festhalten, treten auch in Don’t Worry Darling irgendwann Risse auf. US-Regisseurin Olivia Wilde weiß sie in ihrem zweiten Film nach der gefeierten Highschool-Komödie Booksmart mit surrealer Symbolik zielsicher in Szene zu setzen. Beim Fensterpolieren wird Alice von einem Regal wie ein Insekt an die Scheibe gedrückt. Die Frühstückseier sind leere Hüllen, ganz ohne Eiweiß und Dotter. Alles nur Einbildung? Zum nächsten Gedankenschritt, die kunterbunte Fassadenhaftigkeit dieser 1950er-Suburbia-Welt zu hinterfragen, ist es jedenfalls nicht mehr weit. Die Frage ist nur, ob das Wahnhafte innen oder außen zu verorten ist.

Graue Haare bei Warner

Wildes paranoider Thriller war als ein Prestigeprojekt vom US-Studio Warner geplant, ein "sophisticated" Genrefilm, der sich aus dezidiert weiblicher Perspektive mit zeitgenössischen Genderdiskursen befasst. Dann schlitterte er schon in der Produktionsphase in die Gossip-Gasse, aus der ihn auch die Premiere beim Filmfestival Venedig nicht mehr richtig herausmanövrieren konnte: Wilde und Styles wurden am Set zum Paar, Shia LaBoeuf, der ursprünglich dessen Rolle hatte, unter einigem Wirbel ausgetauscht.

Und rund um Florence Pugh, der Alice des Films, gab es Tratsch um Gehaltsungleichheiten – sie hält sich nun, obwohl der betörende Star im Zentrum, bei der Promotion merkbar zurück.

Das alles sollte mit Blick auf Schadensbegrenzung eigentlich nur der Marketingabteilung von Warner graue Haaren bescheren. Ganz davon befreien kann sich jedoch auch der Film nicht, schließlich geht es um eine Frau, die um ihre Glaubwürdigkeit kämpft. So kann man sich etwa die Frage stellen, ob ein männlicher Kollege von Wilde dieselbe Erregung im Blätterwald erzeugt hätte oder ob hier andere Maßstäbe gelten. Zugleich lässt die Vorabskandalisierung auch Pughs Figur in dieser Genderparabel nicht unberührt: Mit ihrer trotzigen Renitenz wirkt sie noch ein wenig isolierter, ja alleingelassener im Film.

Viele bekannte Vorbilder

Wildes stilistisch überhöhte, temporeiche Inszenierung betont nicht nur das Artifizielle des Settings, sondern unterstreicht auch die Pin-up-Qualitäten der anderen Protagonisten. Die Vorzeigekommune liegt am Rande einer Wüste wie ein ominöses Luxusvorstadt-Retreat, die Regisseurin selbst führt eine Riege an Ehefrauen an, die sich mit toupierten Frisuren brav an die Devise halten, nur ja keine Fragen zu stellen. Die Männer dagegen gehorchen streng den Vorgaben ihres Gurus Frank, den Chris Pine perfekt als aalglatten Charismatiker gibt.

Die Vorbilder für den Stoff sind recht evident, man denkt an den "feministischen Horror" der uniformen, gleich zweimal verfilmten The Stepford Wives oder an satirische Mediendystopien wie The Truman Show. Wilde streut auch filmhistorische Verweise ein.

In Schwarz-Weiß-Flashes spuken Alice beispielsweise Busby-Berkeley-ähnliche Tanzchoreografien durch den Kopf, in denen sich Starlets zu beweglichen Ornamenten zusammenfügen. Der Tenor: Frauen sind in dieser Welt Objekte, die zum Schein, nicht zum Sein verpflichtet wurden.

Quietschlebendige Florence Pugh

Trotz solcher gelungenen visuellen Ideen vermag es Don’t Worry Darling jedoch nicht so recht, das Set-up dieser Erweckungsgeschichte erfinderisch weiterzuentwickeln. Das anfängliche Mysterium wirkt mit der Dauer zu groß, oder Wilde dröselt es einfach nur mit zu naheliegenden Mitteln auf.

Bis zuletzt begeistert jedoch Florence Pugh. Sie beißt sich so quietschlebendig durch ihren Part, dass alle anderen – inklusive Styles, sorry – daneben wie Kleiderständer erscheinen. (Dominik Kamalzadeh, 23.9.2022)