Bei seinem Auftritt vor der Uno-Generalversammlung in New York kritisierte der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg Russland scharf.

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Der Krieg in der Ukraine habe dazu geführt, dass rund um die Welt "Millionen von Menschen in Hunger, Armut und Schulden gestürzt wurden". Denn Russland setze "auf zynische Weise" neben militärischen Mitteln auch Nahrungsmittel und Energie "als Waffe" ein. Mit dieser ernüchternden Zwischenbilanz zu den weltweiten Auswirkungen des russischen Angriffskriegs wartete Außenminister Alexander Schallenberg in der Nacht auf Freitag bei seiner Rede vor der 77. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York auf.

Derzeit seien global 1,7 Milliarden Menschen mehr oder minder direkt von einer Dreifachkrise in den Sektoren Getreide, Energie und Finanzen betroffen, führt Schallenberg weiter aus. Die Ärmsten würden besonders stark getroffen. Die Rede sollte den Vertretern der 193 Mitgliedsstaaten verdeutlichen, dass dieser "Krieg auf europäischem Boden", der "kein europäischer Krieg" sei, alle Staaten betreffe – auf allen Kontinenten.

Schallenberg: Moskau will Grenzen mit Gewalt verschieben

Zudem rühre dieser "eklatante Bruch des Völkerrechts" an den Grundfesten der Ziele, die die UN in ihrer Charta festgelegt hätten. Wenn die Herrschaft des Rechts und der regelbasierten internationalen Ordnung durch "das Gesetz des Dschungels" ersetzt werde, dann sei das für kleine Staaten wie Österreich eine besondere Bedrohung, erklärte Schallenberg.

Die UN-Ziele sähen vor, dass "internationale Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beigelegt werden" und "auf Gewaltanwendung gegen die territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit jedes Staates" verzichtet werde. Russland habe diese Vereinbarungen brutal gebrochen, indem es versuche, Grenzen mit Panzern und Raketen zu verschieben. Das habe es seit Saddam Husseins Invasion in Kuwait 1990 nicht mehr gegeben.

Putin untergrabe Friedensfundamente

Der Aggressionskrieg, zuletzt die nukleare Drohung aus Moskau, habe viele Illusionen zerstört, dass die Sicherheitsarchitektur mit friedlichen Mitteln weitergebaut werden könne nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, erklärte der Minister. Dafür seien nicht die Sanktionen der EU gegen das Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin verantwortlich, sondern einzig und allein die Entscheidungsträger im Kreml, sagte Schallenberg.

Das wolle er mit aller Klarheit festhalten: "Ursache und Wirkung dürfen nicht verwechselt werden." Die EU-Sanktionen seien nicht an der Dreifachkrise schuld. Entgegen den falschen "Erzählungen" von russischer Seite müsse man festhalten, wer die Fundamente von Frieden und Sicherheit infrage gestellt habe: "Wir müssen entschlossen sagen, bei wem die Verantwortung dafür liegt."

Wenig Optimismus

Schallenbergs Rede diente vor allem dazu, bei möglichst vielen – und vor allem kleinen – Staaten ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass nur ein gemeinsames, international abgestimmtes Vorgehen dazu führen könne, den Krieg zu beenden. Er zeigte sich wenig optimistisch, dass es bald zu einer Lösung komme. Der Krieg und die Krisen würden wohl noch andauern, meinte der österreichische Außenminister.

Umso wichtiger sei es jetzt, Gegenmaßnahmen zu setzen gegen die Folgen des Krieges – sei es Massenmigration oder seien es verstärkte soziale und politische Spannungen. Österreich sei dazu bereit. Aber keine Regierung allein könne die Herausforderungen schultern. Es brauche ein funktionierendes multilaterales System beziehungsweise die Wiederherstellung der regelbasierten internationalen Ordnung. "Der Krieg ist kein Konflikt zwischen Osten und Westen oder des Nordens gegen den Süden", erklärte der Außenminister.

Auch wenn die Apokalyptiker derzeit eine Blütezeit hätten, dürfe man gerade jetzt den Ängsten nicht nachgeben, den Selbstzweifeln und der Schicksalsergebenheit. Es gelte, "standhaft zu bleiben und unsere Werte zu verteidigen", schloss der Außenminister seine UN-Rede. (Thomas Mayer aus New York, 23.9.2022)