Die Vorwürfe im Prozess wegen Amtsmissbrauchs bezogen sich auf die Verlegung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in das Asylquartier Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) im November 2018.

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St. Pölten – Der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl und die Mitangeklagte, eine ehemalige Landesbedienstete, wurden am Freitag im St. Pöltner Prozess um Amtsmissbrauch freigesprochen. Die Urteile des Landesgerichts sind nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab.

Der Schöffensenat hatte laut Richterin Silvia Pöchacker rechtlich zu beurteilen, ob ein geeignetes Quartier im Sinne des Grundversorgungsgesetzes vorlag. Das Kindeswohl stehe dabei an erster Stelle. "Wir sind zum Schluss gekommen, dass die Unterkunft nicht per se ungeeignet war", begründete Pöchacker das Urteil. Die Jugendlichen seien nicht eingesperrt gewesen. "Ein Bauzaun in Betonschuhen mit einer Reihe Stacheldraht darüber stellt per se keine die Persönlichkeit destabilisierende Maßnahme dar", meinte die Richterin. Nichtsdestotrotz sei der Stacheldraht "unnötig und entbehrlich" sowie "ein unüberlegter politischer Wunsch" gewesen.

Die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs bezogen sich auf die Verlegung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in das Asylquartier Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) im November 2018. Oberstaatsanwalt Michael Schön sagte im Schlussvortrag, dass es um die Frage der Unterbringung in einer geeigneten Unterkunft gehe. Das Quartier sollte laut dem Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den "Anschein eines Gefängnisses und eines Abschiebezentrums erwecken" und war ungeeignet. Durch angeordnete Maßnahmen wie Stacheldraht, Hund und Kamera seien Flüchtlinge einer ihre Persönlichkeit destabilisierenden Maßnahme unterworfen worden. Zumindest 14 Jugendliche sollen in ihrem Recht auf Grundversorgung und Unterbringung in einer geeigneten Unterkunft geschädigt worden sein.

Stacheldraht laut Waldhäusl Schutz

Auch wenn der Landesrat von "Wünschen" gesprochen habe, handle es sich um Weisungen, hielt der Staatsanwalt fest. In den Formulierungen sei kein Spielraum für Prüfungen gewesen. In der Anklage gehe es nicht um die hygienischen Zustände in der Unterkunft und auch nicht darum, ob Bewohner tatsächlich aus dem Quartier hinauskonnten, stellte Schön klar. Das Kindeswohl sei der entscheidende Faktor.

Die betroffenen Jugendlichen seien dem Landesrat "ein Dorn im Auge" gewesen, der Freiheitliche habe deshalb eine "Sonderhandlung" angestrebt, sagte Schön: "Der Politiker Waldhäusl darf sich äußern, wie er möchte. Nicht aber der Landesrat Waldhäusl." Als Landesrat sei der Angeklagte oberstes Verwaltungsorgan und mache sich strafbar, wenn er derartige Maßnahmen anordne und nicht im Sinne der Grundversorgung handle. Dass Waldhäusl davon sprach, der Stacheldraht solle die Jugendlichen schützen, wies der Staatsanwalt als "Schutzbehauptung" zurück. Die weibliche Angeklagte habe ebenfalls wissentlich ihre Befugnisse missbraucht und Weisungen weitergegeben.

Unterkunft laut Verteidiger "geeignet"

Waldhäusls Verteidiger Manfred Ainedter ortete im Schlussplädoyer eine "unklare" Rechtslage in Bezug auf die Eignung eines Quartiers. Zum Staatsanwalt sagte er: "Ich widerspreche ganz entschieden. In Wirklichkeit war diese Unterkunft geeignet." Weiters erklärte der Rechtsanwalt: "Der Stacheldraht hat überhaupt keine Rolle gespielt", das hätten auch Zeugen angegeben. "Es gab keine Weisung vom Landesrat, sondern er hat einen politischen Wunsch geäußert", so Ainedter. Weder Juristen noch der Betreiber hätten Einwände gehabt. Letztlich gab es "aus optischen Gründen eine Reihe Stacheldraht auf einem beweglichen Bauzaun". Der Verteidiger beantragte einen Freispruch.

Philipp Wolm, Rechtsanwalt der ehemaligen Landesbediensteten, betonte, man könne seiner Mandantin nicht unterstellen, sie habe Flüchtlinge "bewusst in ihrer Grundversorgung schädigen" wollen. Die 55-Jährige ist auch wegen Fälschung eines Beweismittels und Verleumdung angeklagt. Sie soll im Ermittlungsverfahren eine E-Mail unvollständig vorgelegt und so den Verdacht auf ihren Vorgesetzten gelenkt haben. Der Rechtsanwalt wies die Vorwürfe zurück und ersuchte um einen Freispruch für seine Mandantin.

"Wie ein Gefängnis"

Zuvor wurden in der Schöffenverhandlung am Freitag zwei Zeugen, die damals als Securitys in der Unterkunft tätig waren, befragt. Demnach durften und hatten die Bewohner das Quartier verlassen. Ein in die Einrichtung verlegter Flüchtling meinte hingegen, es "war so wie ein Gefängnis", "es war schrecklich". "Ich dachte, sie würden mich abschieben. Ich hatte Todesangst", so der 21-jährige Afghane. Die Bewohner durften laut seiner Aussage nur in Begleitung von Securitys bis zur Tankstelle gehen.

Vor dem Gerichtsgebäude wurde wie an vorangegangenen Verhandlungsterminen gegen den Freiheitlichen protestiert. Auf Transparenten war u. a. zu lesen "Waldhäusl muss weg!" und "Waldhäusl entlassen". (APA, 23.9.2022)