Eine Buchpräsentation, die schon Tage vor dem Stattfinden für Krawall sorgt: Das ist selbst für Wiener Verhältnisse ungewöhnlich. Anlass geben erotische und teils pornografisch wirkende Arbeiten Arnulf Rainers, die seit einigen Jahren die Gerichte beschäftigen. Eine komplexe Causa, über die der STANDARD bereits berichtete. Ende 2017 erwarb die Sammlerin Brigitte Löw-Radeschnig ein Konvolut von 600 Werken, die der Künstler zwischen 2011 und 2014 in seinem Atelier auf Teneriffa schuf: Übermalungen, denen Fotos zugrunde lagen, bei denen Rainer erstmals selbst die Bildregie geführt hatte.

Teneriffa 2013: Der Künstler inmitten einiger Arbeiten.
Foto: Courtesy GAA-Foundation

Verkauft wurden diese Bilder von Rene Rietmeyer, einem Künstler und Kulturmanager, der einige Jahre (2009–2014) mit Arnulf Rainer kooperierte: Seine Stiftung Global Art Affairs (GAA) organisierte Ausstellungen, publizierte Projektdokumentationen oder Kataloge und produzierte für Rainer in diesem Zeitraum die Vorlagen für Übermalungen.

Bondage-Séancen

Bei diesen vom Künstler als Séancen bezeichneten Shootings wirkten auch zwei GAA-Kuratorinnen mit. Und teils ging es mehr zur Sache, als unverfängliche Serientitel wie Schleiertanz oder Wrestling erahnen lassen, Bondage und Orgasm trafen es schon deutlicher.

Aus der "Bondage"-Serie von 2014: Die Vorlage für Arnulf Rainers Übermalung stammt von Rene Rietmeyer.
Foto: Rene Rietmeyer / GAA / ECC

Finanziert wurden diese Produktionen samt Ausarbeitung der Abzüge von Rietmeyer. Für die angefallenen Kosten und Spesen sowie für das Urheberrecht der Vorlagen überließ ihm Rainer Werke aus diesen Serien: 620 an der Zahl, allesamt signiert und damit autorisiert, andernfalls wäre es ja keine Abgeltung gewesen, wie er vor Gericht aussagte.

"Heisse Tage auf Teneriffa" (184 Seiten, EUR 37,–) wird nun neu gedruckt. Vorbestellungen beim Verlag unter www.vfmk.org.
Foto: Verlag für moderne Kunst

2014 war es jedoch zum Bruch der Zusammenarbeit gekommen. Rückblickend löste das einen Ballawatsch aus, der nun auf dem Rücken der Sammlerin ausgetragen wird. Ob dabei ein intimes Verhältnis Arnulf Rainers mit einer der Darstellerinnen eine Rolle spielte, bleibt eine Mutmaßung.

68 Leihgaben und eine Anzeige

Offiziell ging es vorerst um 68 Werke, die Rietmeyer aus seinem Fundus für eine Ausstellung 2013 zur Verfügung gestellt hatte, die das Atelier Rainer später für sich beanspruchte. Die Familie ortete eine Veruntreuung und zeigte Rietmeyer an. Die Staatsanwaltschaft sah den Verdacht nicht gegeben und verwies auf den Zivilrechtsweg. Darauf verzichtete Familie Rainer.

Warum? Offenbar stand die Durchsetzbarkeit des Herausgabeanspruchs auf wackeligen Beinen. Es gab nur ein Dokument, auf dem die Anzahl der "Akt Bilder 2009–2013" und deren Formate aufschienen. Aber es gab weder Fotos noch eine "exekutionsrechtlich verwertbare Beschreibung" der Werke, wie Alexander Pflaum, Rechtsanwalt von Arnulf Rainer und dessen Lebensgefährtin und Managerin Hannelore Ditz, erläutert.

Fälschungsvorwurf

Im Umfeld einer für 2019 geplanten Ausstellung in einer Wiener Galerie, in der einige Bilder aus der 600 Rainer-Werke umfassenden Sammlung Brigitte Löw-Radeschnigs zu sehen sein sollten, erfuhr Ditz, dass Rietmeyer Werke ihres Mannes verkauft hatte. Darunter wohl auch jene 68, auf die man zivilrechtlich keine Ansprüche mehr erhoben hatte.

In einem Telefonat mit dem Galeristen soll sie erklärt haben, dass sie "in den Besitz dieser Bilder zu setzen sei", andernfalls würde sie diese zu Fälschungen erklären. Gesagt, getan: Als im Sommer 2019 bei "im Kinsky" zwei dieser Arbeiten versteigert werden sollten, ließ Ditz diese wegen Fälschungsverdachts beschlagnahmen (mittlerweile wurden sie versteigert).

"Klimt-Schiele" nennt sich eine der Serien von Arnulf Rainer, für die Rene Rietmeyer Vorlagen produzierte. Hier eine der im Buch nun publizierten Übermalungen.
Foto: Rene Rietmeyer GAA-ECC

Löw-Radeschnig hatte sich vergeblich um eine Klärung bemüht und setzte sich schließlich zur Wehr: Sie klagte auf Unterlassung der Behauptungen, unter dubiosen Umständen in den Besitz der Bilder gekommen zu sein, bei denen es sich mehrheitlich um Fälschungen handle. Ende August wurde die Klage in erster Instanz abgewiesen: Auch, weil Hannelore Ditz vor Gericht den ursprünglichen Fälschungsvorwurf teils bestritt. Die Sammlerin wird nun in Berufung gehen, bestätigt Alfred Noll namens seiner Mandantin. Denn die Ergebnisse aus dem Beweisverfahren seien nicht entsprechend gewürdigt worden.

"Farce der Sonderklasse"

Was Arnulf Rainer zu sagen hätte, bleibt unbekannt. Er wird abgeschottet. Aus Gesundheitsgründen sah das Gericht von einer Vorladung ab. Als Sprachrohr fungierten deshalb bisher Hannelore Ditz und ihr Anwalt. Hinter den Kulissen, auch im Umfeld von Sammlern und Galeristen mit engem Kontakt zum Künstler, mehren sich die Stimmen jener, die in den erotischen Motiven die Ursache für die Verwerfungen sehen. Es sind ja Arbeiten, die auch die Affäre Rainers mit der Kuratorin dokumentieren. Eine gekränkte Lebensgefährtin könnte mit dem Fälschungsverdacht den für die Managerin nicht kontrollierbaren Handel mit solchen Arbeiten zu verhindern versuchen.

"Eine Farce der Sonderklasse", kommentiert Philipp Konzett, Sammler und Galerist. Jene Arbeiten, die er bisher gesehen hat, hält er zweifelsfrei für echt. Rainer habe hier seine Sexualität ausgelebt, das sei großartig und dürfe keinesfalls von Ditz zensuriert werden. Das käme einer Entmündigung gleich. Nachsatz: Rainer habe schon immer Dinge an Ditz vorbei veräußert, um an Bargeld zu kommen, dessen Bedarf er sonst hätte rechtfertigen müssen.

Neue Klage

Die Buchpräsentation am Dienstag war überaus gut besucht: Heiße Tage auf Teneriffa titelt das von Brigitte Löw-Radeschnig im Verlag für moderne Kunst herausgegebene Buch. Als Autor kommt (Auktionshausinhaber und Sachverständiger) Otto Hans Ressler zu Wort, die kunsthistorische Einordnung liefert Marlene Steinz (u. a. Kuratorin Museum Angerlehner). Illustriert ist es mit 65 Arbeiten aus der Sammlung, begleitet von Zitaten aus dem umfangreichen Quellenmaterial (u. a. Videos, Transkripte), das Hintergründe beleuchtet.

Kaum war die Einladung verschickt worden, konterte Familie Rainer mit einer einstweiligen Verfügung und einer Klage. Stein des Anstoßes sind Fotos, die den Künstler bei der Arbeit an den Serien zeigen. Damit, so der Vorwurf, wolle die Echtheit aller im Buch gezeigten Werke bewiesen werden. Alfred Noll kündigte namens seiner Mandantin einen Widerruf an. Derweil geht eine Neuauflage ohne Rainer-Fotos in Druck. (Olga Kronsteiner, 23.9.2022)