Einer der drei Probenbehälter. Links oben im Bild ist ein Stück fremdes Material zu sehen, bei dem es sich um Aluminium handelt, das von der Raumsonde selbst stammen dürfte.
Foto: AFP PHOTO / JAXA

Es war eine äußerst ambitionierte Mission: Nachdem die Rosetta-Mission der Europäischen Weltraumagentur (ESA) 2014 die erste Landung auf einem Kometen realisierte und unerwartete Oberflächenstrukturen fand, brach im selben Jahr die japanische Hayabusa-2-Sonde zum Asteroiden Ryugu – japanisch für "Drachenpalast" – auf, um 2019 nicht nur Proben zu nehmen, sondern diese vom 300 Millionen Kilometer entfernten Asteroiden zur Erde zurückzubringen.

Die erfolgreiche Landung des Probencontainers im Dezember 2020 in der australischen Wüste war eine wissenschaftliche Sensation. Gerechnet wurde ursprünglich mit etwa 0,1 Gramm Asteroidenmaterial, geworden sind es mehrere Gramm. Seither wurden mit Spannung die Analyseergebnisse erwartet. Nun berichten Forschende im Fachjournal "Science" von ihren Entdeckungen, die einige Überraschungen enthalten.

Ein Mitarbeiter der japanischen Weltraumagentur Jaxa bei der Bergung der Probe vom Asteroiden Ryugu im Dezember 2020.
Foto: AP / JAXA

Eines der an den Untersuchungen beteiligten Teams wird von Frank Brenker von der Goethe-Universität Frankfurt geleitet. Für die Analyse nutzten die Forschenden eine zerstörungsfreie und zugleich extrem genaue Form der Tomografie mit Röntgenstrahlen. Sie erlaubt eine räumliche Auflösung von etwa 100 Nanometern, das ist ein Zehntausendstel eines Millimeters.

16 Körner des Asteroidenmaterials nahm das Team um Brenker unter die Lupe. Dabei zeigte sich, dass Ryugu aus sogenannten CI-Clondriten besteht, die in ihrer Elementenverteilung der Zusammensetzung der Sonne am nächsten kommen. (Die Sonne besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium, enthält aber in geringeren Mengen auch eine Reihe anderer Elemente.) Dieses Material wurde auch in Meteoriten auf der Erde gefunden, doch bisher war unklar, wie sehr es beim Eintritt in die Erdatmosphäre verändert wurde.

Überraschende Anreicherung

Mit den Proben aus Ryugu gab es erstmals unversehrtes, 4,6 Milliarden Jahre altes Material mit dieser Zusammensetzung zur Verfügung. Und das lieferte eine Überraschung: Bisher gingen Fachleute davon aus, dass in der frühen Phase des Sonnensystems wegen der niedrigen Temperaturen bei der Entstehung von Asteroiden aus Cl-Clondrit kaum Materialtransport und damit keine Chance für eine massive Anreicherung von einzelnen Elementen gab.

Der Landeplatz der Sonde im Woomera-Sperrgebiet im Süden Australiens, das in der Vergangenheit für militärische Zwecke, aber auch für Raketentests genutzt wurde.
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Doch in einem der Körner fanden die Forschenden eine feine Ader aus Magnetit und Hydroxylapatit, einem phosphathaltigen Mineral. Andere Forschungsgruppen konnten zeigen, dass sich diese Adern bei niedrigen Temperaturen von etwa minus 40 Grad Celsius gebildet haben müssen.

In den Hydroxylapatit-Adern gab es außerdem eine starke Anreicherung von Seltenen Erden, die eine wichtige Rolle in der Halbleiterindustrie spielen. "Die Seltenen Erden kommen in dem Hydroxylapatit des Asteroiden in einer hundertfach höheren Konzentration vor als sonst im Sonnensystem", wundert sich Brenker. Alle seltenen Erden seien im gleichen Maß angereichert, was laut Brenker ein Zeichen für die Urtümlichkeit des Asteroiden ist.

Mehr als hundert Institute

Das Team von Brenker ist nur eines von vielen Forschungsteams von über hundert wissenschaftlichen Instituten aus aller Welt, die an der nun publizierten Studie beteiligt waren. Forschende aus Japan nutzten etwa Myonen aus dem Teilchenbeschleuniger J-PARC in der Region Ibaraki zur Analyse des Asteroidengesteins.

Esen Ercan Alp vom US-Forschungsinstitut Argonne, dessen Team die Proben mit Spektroskopiemethoden untersuchte, hält den Ursprung des Asteroiden dank der neuen Untersuchungen für geklärt: "Es gibt genügend Beweise dafür, dass Ryugu im äußeren Sonnensystem entstand." Die Körner, aus denen der Asteroid besteht, seien viel feiner, als man es erwarten würde, wenn er bei höheren Temperaturen entstanden wäre, sagt Alp. Zum anderen sei die Struktur der Bruchstücke porös, was bedeutet, dass sie einst Wasser und Eis enthielten.

Trotz seiner urtümlichen Zusammensetzung durchlief auch Ryugu in seiner Laufbahn als Asteroid eine Transformation: Vor etwa einer Milliarde Jahren kollidierte ein anderer Himmelskörper mit dem Mutterasteroiden von Ryugu und brach ihn in Stücke. Daraus bildete sich der heutige Asteroid.

Der Asteroid Ryugu, wie ihn die japanische Sonde Hayabusa 2 bei ihrem Anflug sah.
Foto: AFP PHOTO / JIJI PRESS / JAXA

Ryugu ist nicht der erste Himmelskörper, von dem Materialproben zur Erde zurückgebracht werden. Es gab erfolgreiche Missionen zum Marsmond Phobos und zu drei unterschiedlichen Asteroiden. Am meisten außerirdisches Gestein gibt es vom Mond, in Summe über 380 Kilogramm – genug, dass damit sogar Schwarzhandel betrieben wurde.

Außerirdisches Material ist auf der Erde generell nichts Ungewöhnliches. Unser Planet wird andauernd von Asteroiden geradezu bombardiert. Viele der Stücke bestehen aus Material, das bei Meteoriteneinschlägen auf anderen Planeten herausgeschlagen wurde. So gibt es etwa eine ganze Reihe von Meteoriten aus Marsgestein. Auch über 90 bestätigte Mondmeteoriten gibt es, die insgesamt aber nur etwa 30 Kilogramm wiegen.

Das Besondere an dem von der japanischen Mission gesammelten Material ist seine Unversehrtheit. Durch die dynamischen Prozesse auf Planeten ist das Gestein dort ständigen Transformationen unterworfen. Asteroiden und Kometen konservieren hingegen Material aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystems beinahe unversehrt und gelten damit als Zeitkapseln, die einen tiefen Einblick in die Vergangenheit vor der Entstehung der Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren bieten. Mit weiteren Erkenntnissen aus den Untersuchungen des Materials von Ryugu ist also zu rechnen. (Reinhard Kleindl, 24.9.2022)