Man weiß schon vorher, dass die Scheibe in tausend Teile zerspringt, wenn sich in Terminator 2 der T-1000 den T-800 schnappt und durch ein Schaufenster schleudert. Der T-800, verkörpert von Arnold Schwarzenegger, schaut ein wenig betroppezt drein – selbst ein Android steckt so einen Sturz durch ein Fenster nicht so einfach weg.
Der Effekt zeigt Wirkung. Doch er beruht auf einem Fake. Höchstwahrscheinlich war die Scheibe, durch die Arnie 1991 auf der Kinoleinwand geflogen ist, nur aus Kunststoff-Effektglas: einem Kunststoffgemisch, das so konzipiert ist, dass es leicht in tausende ungefährliche Splitter zerbirst.
Von einem Nachstellen der Filmszene im echten Leben muss deshalb dringend abgeraten werden. Erstens ist Glas spätestens seit der Herausgabe entsprechender Normen so stabil, dass es wirklich große Kraft braucht, um beispielsweise durch ein Fenster zu springen. Zweitens würde man sich, wenn es doch funktioniert, wahrscheinlich stark verletzen. Denn anders als Filmglas zerspringt eine Scheibe nicht komplett, sondern nur teilweise.
Das bedeutet: Die übrig gebliebenen Stücke bleiben stehen und sind scharf. Eine Ausnahme sind Seitenfenster im Auto. Diese sind extra aus einem Einscheibensicherheitsglas, das beim Bruch in viele kleine Scheiben zerfällt, um weitere Verletzungen zu vermeiden. Die Windschutzscheibe ist sogar ein Verbund-Sicherheitsglas: mehrere Scheiben, die durch eine Folie zusammengehalten werden. Wird eine der Scheiben beschädigt, hält die Folie die Splitter zusammen. So funktioniert auch Panzerglas, hier gibt es mehrere Schichten aus Glas und reißfester Folie.
Man sieht schon: Glas ist nicht gleich Glas. Und vielleicht auch deswegen ranken sich um das Thema viele Mythen und Fragen. Wohl aber auch deswegen, weil das Konzept Glas einerseits sehr alt ist – es ist auf die Ägypter zurückzuführen –, andererseits wurde es als Baustoff erst während des 18. und 19. Jahrhunderts so richtig salonfähig. Und heute ist es aus der modernen Architektur kaum noch wegzudenken.
Herstellung mit 1100 Grad
Günstiges und qualitativ hochwertiges Flachglas gibt es erst seit der Entwicklung des heute noch gängigen Float-Verfahrens. "Dabei wird die flüssige und rund 1100 Grad heiße Glasschmelze auf ein Bad aus flüssigem Zinn gegossen", erklärt Andreas Kolbitsch, der an der TU Wien die Vorlesung "Glas und Glaswerkstoffe" hält. "Das Glas schwimmt durch das geringere Gewicht oben und verteilt sich wie ein Film auf der Oberfläche." Das Herunterkühlen verhärtet die Schmelze und lässt sie zu einer glatten Scheibe erstarren.
Je schneller das Herunterkühlen stattfindet, desto stabiler ist das Glas. Zusätzlich kann man das Glas noch "vorspannen". Dadurch entsteht in den äußeren Schichten der Scheibe ein gewisser Druck. Mikrorisse, die je nach Anzahl und Tiefe zum Bruch führen, können dadurch schlechter fortschreiten.
Das Float-Verfahren war zwar ein großer Schritt im Bau mit Glas, aber bei weitem nicht der letzte. Gebogene Fassadengläser, wie sie vor allem von der Firma Seele überall auf der Welt verbaut werden, bioaktive Gläser für die Zahnmedizin, metallische Gläser – die Liste geht endlos weiter. "Die Vakuumisolierverglasung ist aber der wohl spannendste Schritt", sagt Kolbitsch.
Fenster bestehen in der Regel aus zwei Scheiben, zwischen denen ein Hohlraum existiert, der mit Luft oder Edelgasen gefüllt ist. Bei der Vakuumverglasung ist dazwischen, wie der Name schon sagt, ein Vakuum. Das spart nicht nur Platz – Vakuumgläser sind in der Regel sehr viel dünner als herkömmliche Gläser –, sondern ist auch thermisch besser. Denn durch das Vakuum fehlt ein Leiter, der die Wärme von der einen auf die andere Seite transportiert.
Glasanteil sorgt für Hitze
Thermische Probleme sind etwas, das Glas als Baustoff schon immer vorgeworfen wird. Ein Glasturm im Finanzviertel Londons hatte beispielsweise den Effekt, dass die Reflexion seiner konkav geformten Fassade ganze Autos hat schmelzen lassen. Und auch im Inneren sieht es nicht besser aus: Glas ist ein hervorragender Wärmeleiter, weswegen große Glaspaläste vor allem im Sommer mit hohen Temperaturen zu kämpfen haben.
Auch an der Helmut-Richter-Schule in Wien kannte man dieses Problem. 1994 wurde der Schulbau mit der Eingangs- und Sporthalle aus Glas fertiggestellt, seit 2017 steht er leer. Grund dafür: energetische Mängel. Vor allem im Sommer hätten sich die Räume, die von Glas umringt waren, zu sehr aufgeheizt.
Ein Fakt, den Architektin Silja Tillner und Architekt Alfred Willinger ändern wollen. Mit ihrem Projekt "Green-Tech Renovation" sammeln sie Maßnahmen, um die ikonische Schule am Kinkplatz zu sanieren – und wieder nutzbar zu machen. Als ein geplantes Partnerprojekt der Initiative Europäisches Bauhaus soll es ein Leuchtturmprojekt in Europa werden, um zu zeigen, was mit älteren Gebäuden mit hohem Glasanteil passieren muss, um sie klimafit zu machen.
Lüftungskonzept nie umgesetzt
"Ein großes Problem war, dass das angedachte Lüftungskonzept von Richter scheinbar nie richtig eingesetzt wurde", erklärt Tillner. Über das Erdreich sollte kalte Luft in die Turnhalle geschickt werden, während die warme Luft über die Dachfenster nach draußen geleitet wird. Diese Fenster scheinen aber nie wirklich genutzt worden zu sein.
Darüber hinaus will man steigenden Temperaturen mit der richtigen Begrünung entgegenwirken. Um neues Glas wird man aber wohl nicht herumkommen: "Die thermische Qualität der aktuellen Gläser ist einfach nicht mehr gegeben. Kein Wunder, das Gebäude ist fast 30 Jahre alt", sagt Willinger.
Auch weitere Innovationen hat man dafür im Blick: Algenfassaden, photochromes Glas, also Glas, das sich bei Sonneneinfall selbst verdunkelt, wie man es heutzutage eher von Brillen kennt, oder Gläser mit eingebauten Photovoltaikanlagen. Letzteres hatte Richter schon in den 1990er-Jahren angedacht, er musste die Idee aber aufgrund der zu hohen Kosten verwerfen.
Ähnlich wichtig ist die Verwendung des richtigen Glases im Bereich der Passivhäuser. Denn hier geht es nicht nur darum, dass so wenig Wärme wie möglich von innen nach außen gelangt. Gleichzeitig sollte das Glas Wärme durch die Sonne reinlassen, um den Raum zu heizen. Ein polnisches Forscherteam hatte dafür einst auf einer internationalen Passivhaustagung ein zwölflagiges Fenster vorgestellt.
Glas im Neubau
Außen mit zwei herkömmlichen Scheiben, dazwischen ein System aus zehn Glasfolien. Heute sind es in der Regel Dreischeibenfenstergläser, die verbaut werden. Um diesen Effekt zur Beheizung optimal zu nutzen, sind Passivhäuser mit üppigen Fensterfassaden meist gen Süden ausgerichtet. So soll der Wärmegewinn größer als der Wärmeverlust sein.
Doch Glas ist vor allem im Neubau ein gern eingesetzter Baustoff. Das beweist unter anderem Maria Megina, Architektin bei Dietrich Untertrifaller Architekten und für einige Wiener Glaswohnbauten verantwortlich. Beispielsweise "In der Wiesen Süd", ein Projekt der gemeinnützigen Heimbau, das stark auf den Einsatz von Glas setzt. Im Prinzip bestehen die Wohnhäuser aus Glasfassaden, die lediglich durch Balkone unterbrochen werden.
"Die Faszination daran ist, dass Glas eine intensive Kommunikation mit der Umgebung ermöglicht", sagt sie. "Es ist ein Fließen von innen nach außen und umgekehrt ein Einatmen des städtischen Treibens." Wichtig sei aber zu bedenken: Glas könne nie allein betrachtet werden, sondern müsse immer mit Zusätzen gedacht werden. Dazu zählen unter anderem Sonnen- und Blickschutz.
Im Wohnbau sei Glas vor allem bei knappem Wohnraum ein wichtiger Aspekt: "Es ist ein eklatanter Unterschied, wenn Sie in einem Raum mit einem herkömmlichen Fenster stehen oder in einem Raum derselben Größe, der komplett verglast ist." Das sei nicht nur optisch, sondern auch wohnqualitativ ein großer Unterschied, unter anderem wegen der veränderten Lichtverhältnisse. Und im Bereich der Kultur- und Firmenbauten habe durch Glas ein Sinneswandel eingesetzt: "Die größten Unternehmen unserer Zeit setzen bei ihren Headquarters viel Glas ein, um so Werten wie Transparenz und Weltoffenheit Ausdruck zu verleihen."
Dünnere Fassaden möglich
Hinzu kommt, dass man durch die bereits angesprochenen Innovationen auch im Wohnbausektor keine Bedenken mehr haben müsse, wenn es um die thermische Qualität einer Glasfassade geht. Und die höheren Kosten könne man durch den gewonnenen Innenraum wieder ausgleichen: "Eine herkömmliche Wand hat eine Dicke von 40 Zentimetern, eine Glasfassade rund zehn Zentimeter. Den Platz kann man wiederum nutzen, das vergessen viele Entscheidungsträger."
Ob nun teuer oder nicht, mehr oder weniger Platz: Den Versuch, durch das Fenster zu springen, sollte man "In der Wiesen Süd" trotzdem nicht wagen. Das könnte eine Beule und am nächsten Tag einen dicken Kopf hervorrufen. Überlassen Sie das lieber dem Arnie, der hat damit Erfahrung. (Thorben Pollerhof, 25.9.2022)