Künftig nur noch halb so viel Text auf ORF.at, dafür mehr Video und Audio: Das kündigte ORF-Chef Roland Weißmann bei den Medientagen an.

Foto: ORF.at Screenshot

Wien – Die Redaktionsvertretung und der Betriebsrat von ORF.at protestierten Freitag in einem Schreiben an ORF-Generaldirektor Roland Weißmann gegen die geplante Reduktion des Textangebots auf ORF.at – und dass sie aus den Medien davon erfuhren. Eine Beschränkung der "blauen Seite" "schadet dem Ansehen des ORF als öffentlich-rechtliches Medium", heißt es in der Mail. Weißmann hat daraufhin eine Aussprache mit der Redaktion kommende Woche angeboten.

"Protest auf das Schärfste"

"Mit sehr großer Verwunderung haben wir von dem Angebot des ORF an die Zeitungsverleger gehört, wonach die Berichterstattung auf ORF.at halbiert werden soll", heißt es in dem Schreiben: "Die Belegschaftsvertretung protestiert auf das Schärfste, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von ORF.at das aus den Medien erfahren müssen."

Die Personalvertreter schreiben, "dass eine Beschränkung der 'blauen Seite' dem Ansehen des ORF als öffentlich-rechtliches Medium mit dem gesetzlichen Auftrag zur Grundversorgung schadet", wie auch zahlreiche Reaktionen auf die Ankündigung zeigten.

"Eingeschränktes Angebot zur freien Information"

Die Redaktionsvertreter wörtlich: "Wenn die Zeitungen wie angekündigt ihre Bezahlschranken hochfahren, wird es in weiterer Folge nur noch ein sehr eingeschränktes Angebot zur freien Information geben – auch für die derzeitigen GIS-Zahler und -Zahlerinnen, die dann Desinformation im Netz noch mehr ausgeliefert sind. Entsprechend birgt die Beschneidung des öffentlich-rechtlichen Informationsangebots und der meistgelesenen Nachrichtenseite im Land große Risiken für die demokratiepolitische Entwicklung."

Grüne Mediensprecherin: Keine Vereinbarung in Koalition

"Es gibt derzeit keinen Deal": So kommentiert die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger Freitag im Ö1-"Mittagsjournal" die von ORF-Chef Roland Weißmann angekündigte Halbierung des Textangebots auf ORF.at. Im Parlament werde beschlossen, "was sich die Koalitionspartner ausmachen" – und über die Reduktion gebe es in der Koalition keine Vereinbarung.

Blimlinger spricht von einem Deal des ORF mit dem Zeitungsverband VÖZ: "Was sich ORF und VÖZ ausmachen, ist die eine Geschichte" – was zähle, seien die Beschlüsse der Koalition.

ORF-General und Infodirektor

Als Alleingeschäftsführer des ORF und Infodirektor dürfte Roland Weißmann allerdings auch aus eigenem Rahmenbedingungen für ORF.at vorgeben können – solange nicht Redakteursstatut oder gar ORF-Gesetz entgegenstehen. Das ORF-Gesetz legt keine Umfänge für ORF.at und seine Meldungen fest – nur für Landesstudios gibt es bereits seit 2010 ein Limit von 80 Regionalmeldungen pro Woche, damals eine Forderung privater Medienhäuser.

Redaktionsratsvorsitzender fürchtet Abwanderung zu Politseiten und Fake-News

Der oberste Redaktionsvertreter des ORF, Dieter Bornemann, äußert sich kritisch über die angekündigte Reduktion der Textmeldungen auf ORF.at von derzeit rund 120 bis 130 auf rund 60 pro Tag. Er befürchtet, dass Menschen sich dann womöglich anderen, ebenfalls kostenlos zugänglichen Plattformen zuwenden, die eine politische Agenda hätten und/oder Fake-News lieferten, wenn ORF.at nicht mehr in vollem Umfang berichten könne.

Halbierung bei den Medientagen

ORF-Generaldirektor Weißmann kündigte am Donnerstag zunächst seinen Chefredakteuren die Halbierung der Textmeldungen auf ORF.at und im Gegenzug mehr Video- und Audioinhalte dort an. Am späten Nachmittag gab Weißmann die Reduktion bei den Österreichischen Medientagen in der medienpolitischen Abschlussrunde bekannt.

Eine wesentliche Reduktion des Textangebots auf ORF.at war eine zentrale Forderung privater Medienhäuser – ORF.at mache Onlineplattformen von Verlagshäusern gebührenfinanziert und frei zugänglich Konkurrenz.

Bewegung für Digitalnovelle

Weißmann will den Forderungen der Verleger einen deutlichen Schritt entgegenkommen. Wenn sich ORF.at bewegt, dann hoffe er auch auf Bewegung bei der Digitalnovelle. Von ihr erhofft sich der ORF mehr Möglichkeiten im Streaming und auf Social Media. Der Geschäftsführer des Zeitungsverbands VÖZ, Gerald Grünberger, nahm Weißmanns Ankündigung grundsätzlich positiv auf und unterstrich, dass Video und Audio Kernbereich des ORF sind und sein müssten – das gelte auch für Streaming.

Auf Twitter zeigten sich Redakteurinnen und Redakteure von ORF und ORF.at überrascht und irritiert von der Ankündigung.

Bewegte Bilder im Aufmacher

Nach STANDARD-Informationen soll sich die Gestaltung und Struktur von ORF.at künftig an der Konzeption eines neuen, für November geplanten ORF-Spartenportals für Wissenschaft, Kultur, Religion orientieren. Die Medienbehörde und die Wettbewerbsbehörde haben "Topos" als zusätzliches Angebot bereits abgenickt.

Für dieses Portal Topos liegen bisher außerhalb des ORF nur Darstellungen aus einem Trailer über das ORF-Streamingportal-Projekt ORF-Player von 2021 vor. In dem Demofilm wurde Topos so dargestellt – die Visualisierung ist aber nach STANDARD-Infos schon überholt.

So stellte der ORF die Plattform Topos 2021 in einem Präsentationsvideo für den ORF-Player dar – das Layout soll inzwischen überholt sein.
Foto: ORF

Topos dürfte, soweit von außen abzusehen, aber mit größeren Bildelementen arbeiten als ORF.at bisher. Die Videobeiträge sollen, so wird kolportiert, schon auf der Übersichtsseite Ausschnitte aus den Videos zeigen, um multimediales Angebot zu signalisieren.

Dieser Bewegtbildzugang dürfte auch für die Aufmacherseite von ORF.at geplant sein, die bestehende Bildfläche oben dafür etwas überarbeitet werden und ebenfalls Ausschnitte aus Videobeiträgen zeigen. (fid, omark, 23.9.2022)