Die meisten Kinder sind täglich online, oft mehrere Stunden pro Tag. "Etwas schauen" ist dabei die häufigste Aktivität.

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Das Internet ist ein gefährliches Pflaster, dennoch verbringen immer mehr Kinder ohne Aufsicht der Eltern Zeit im World Wide Web – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Boston Consulting Group (BCG), für die 41.000 Kinder und Eltern in aller Welt befragt wurden, davon 7.200 in Europa. Die Studie liegt dem STANDARD in Österreich exklusiv vor.

17 Prozent berichten von sexueller Belästigung

In der Umfrage geben 72 Prozent der befragten Kinder an, sich online bereits mindestens einer Gefahr ausgesetzt gefühlt zu haben. Dazu zählen für 47 Prozent der Befragten zwar auch an und für sich harmlose Dinge wie unerwünschte Werbung und Pop-ups, doch mehr als ein Drittel (36 Prozent) berichtet auch von "unangemessenen Inhalten und Bildern". Jeweils knapp jedes fünfte Kind hatte schon Kontakt mit Bullying (19 Prozent), sexueller Belästigung (17 Prozent) und Securitythemen wie Hacking und Phishing (17 Prozent).

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Problematisch ist das in vielerlei Hinsicht, wie die Autorinnen und Autoren der Studie festhalten. Demnach sind Opfer von Cyberbullying um 160 Prozent mehr gefährdet, Suizid zu begehen. Andere Studien setzen exzessive Onlinezeit in Verbindung mit schlechten Schulnoten und psychischen Problemen wie Angstzuständen und Depressionen. Auch auf körperliche Probleme wie Fettleibigkeit und Haltungsschäden wird in der Studie verwiesen.

Online in jungen Jahren

Ergänzend dazu ergibt die Studie, dass die Kinder schon in sehr jungen Jahren online gehen: In Europa ist fast jedes der befragten Kinder (93 Prozent) im Alter von zwölf Jahren im Web aktiv, knapp die Hälfte (48 Prozent) macht den ersten Schritt ins WWW mit acht Jahren.

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Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass das Internet der Dinge – darunter auch Wearables und "smarte" Spielsachen – die Problematik verschärfen wird. Diese Geräte seien ständig online, so würden die Kinder noch stärker den Gefahren exponiert.

Täglich online, mehrere Stunden pro Tag

Unter den befragten Kindern gehen 81 Prozent täglich online, davon verbringt knapp die Hälfte mehr als drei Stunden pro Tag im Web. Die gute Nachricht dabei ist, dass Lernen für die Schule für 66 Prozent eine der Aktivitäten ist, für die sie online gehen. Die schlechte Nachricht lautet, dass die Schule nur an zweiter Stelle steht: 73 Prozent gehen online, um "etwas zu schauen". Auf den weiteren Top-Plätzen liegen Gaming (gleichauf mit der Schule, 66 Prozent) und Social Media (56 Prozent).

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Eltern tun zu wenig

Geht es um die Meldung der Gefahren bei den Eltern, so gehen die Angaben von Groß und Klein stark auseinander: 83 Prozent der befragten Kinder geben an, bei Gefahren im Internet Hilfe bei ihren Eltern zu suchen – doch nur 39 Prozent sagen, dass sich ihre Kinder bei negativen Erfahrungen tatsächlich an sie gewendet haben.

Werden die Eltern auf die Probleme aufmerksam, so reagieren sie oft nicht angemessen, heißt es weiter in der Studie: Oft reagieren sie bloß, indem sie Inhalte einfach löschen (56 Prozent), anstatt den Vorfall der Polizei zu melden (41 Prozent) oder die Schule zu informieren (34 Prozent).

Auch scheint es an präventiven Maßnahmen zu mangeln: Nur 60 Prozent überwachen die Internetaktivitäten ihrer Kinder regelmäßig, 20 Prozent tun dies maximal einmal pro Jahr. Zwar sind sich fast alle Eltern diverser Kontrollmöglichkeiten wie Contentsperren für Kinder bewusst – aber nur die Hälfe nutzt sie wirklich.

Entsprechend dieser Ergebnisse sehen die Autorinnen und Autoren der Studie alle Stakeholder – Tech-Konzerne und Politik, aber auch Eltern und Lehrpersonal – in der Pflicht, ihre Bemühungen zum Schutz der Kinder zu verstärken. (Stefan Mey, 23.9.2022)