Christoph Eschenbach spielt mit den Wiener Symphonikern den Auftakt des Brahms-Zyklus.

Manu Theobald

Christiane Karg spielt mit den Wiener Symphonikern den Auftakt des Brahms-Zyklus.

Gisela Schenker

Matthias Goerne spielt mit den Wiener Symphonikern den Auftakt des Brahms-Zyklus.

Marie Staggat

Wien – "Sagen muss ich dir noch, dass ich ganz und gar erfüllt bin von Deinem Requiem", schreibt Clara Schumann voll Bewunderung an Johannes Brahms. Zu Weihnachten 1866 hatte der Komponist ihr den Klavierauszug seines Deutschen Requiems geschickt.

Es sei ein gewaltiges Stück, dass den Menschen in einer Weise ergreife, wie wenig anderes. "Der tiefe Ernst, vereint mit allem Zauber der Poesie, wirkt wunderbar, erschütternd und besänftigend". Das Requiem war das erste großdimensionierte Werk des Komponisten – ein Schlüsselwerk, das von den letzten Dingen handelt, die alle Menschen bewegen: Tod, Trauer und Trost.

"Charfreitag"

Mehr als zehn Jahre hatte Brahms an dem Werk gearbeitet, und auch die Uraufführung brauchte mehrere Anläufe. Ende 1867 erklangen die ersten drei Sätze in Wien, im April 1868 folgte mit Brahms am Pult im Bremer Dom die Aufführung des bis dahin sechssätzigen Werkes für Bariton, Chor und Orchester. Mahr als 2000 Menschen nahmen am "Geistliche Concert am Charfreitag" – so der originale Titel des Programmhefts – teil, darunter auch Clara Schumann und Vater Johann Jakob Brahms.

Publikum und Presse waren begeistert, nur Brahms war mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden. Wenig später komponierte er das berührende Sopran-Solo Ihr habt nun Traurigkeit und fügte es als fünften Satz in die Partitur ein. Am 18. Fe bruar 1869 fand schließlich die Uraufführung der Gesamtfassung im Leipziger Gewandhaus statt – ein Triumph für den 36-jährigen und der endgültige Durchbruch als Komponist.

Brahms-Zyklus

Ohne konfessionelle Zwänge und ohne kirchlichen Ritus, mit deutschen statt lateinischen Worten, rhythmischen Finessen und einer modernen, zeitgemäßen Harmonik schuf Brahms ein universell gültiges Werk. Dass Brahms in Wien so populär wurde, ist nicht zuletzt den Wiener Symphonikern zu verdanken, die seit ihrer Gründung 1900 nicht nur die Symphonien, sondern auch etliche seiner Chorwerke und Instrumentalkonzerte aufführten. Das Requiem mit Christoph Eschenbach, Christiane Karg, Matthias Goerne und der Wiener Singakademie am 29. September ist das erste von vier Brahms gewidmeten Konzerten, die bis Mai 2023 in der Lothringerstraße erklingen.

Die Zitate für den Requiem-Text fand der Komponist in seiner Hausbibel. Brahms, selbst liberaler Protestant, wollte mit dem Werk keine liturgische Totenmesse schreiben, sondern Musik, die den Hinterbliebenen Trost spenden soll.

Kein Anlass

Anders als etwa Giuseppe Verdi, der sein Requiem zum Tod des Schriftstellers Manzoni schrieb, gab es für Brahms’ Komposition keinen konkreten Anlass. Der Verlust von geliebten Menschen, etwa der Tod seiner Mutter oder jener Robert Schumanns, dürfte auch bei Brahms eine wichtige Rolle gespielt haben: "Ich habe meine Trauermusik vollendet als Seligpreisung der Leidtragenden. Ich habe nun Trost gefunden". (Miriam Damev, 24.9.2022)