Große Vorfreude mag bei der RTX-4000-Serie von Nvidia noch nicht aufkommen.

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Als Jen-Hsun Huang von Nvidia letzten Dienstag auf der GTC die Katze aus dem Sack ließ, kannte man sie eigentlich schon. Die Leaks im Vorfeld der nächsten Grafikkartengeneration RTX 4000 stellten sich zum Großteil als richtig heraus.

Damit bewahrheiteten sich nicht nur die Befürchtungen, dass die kommenden Grafikkarten einen sehr hohen Stromverbrauch haben werden, sondern auch hohe Anschaffungskosten: Das günstigste Modell wird anfangs nicht unter 1.100 Euro zu bekommen sein, das teuerste kostet in der Founders Edition von Nvidia fast 2.000 Euro.

Ein neuer Marketing-Stunt

Apropos Modelle. Nvidia schaffte es einmal mehr, potenzielle Kundschaft mit der Benennung seiner Grafikkarten zu irritieren. Die sprunghaften Bezeichnungen "Ti" und "Super" für Nachfolger innerhalb einer Serie muss man nicht unbedingt gutheißen, kann sie aber immerhin noch verstehen. Es stellt sich allerdings ernsthaft die Frage, wie man auf die Idee kommen kann, zwei auf dem technischen Datenblatt doch recht unterschiedliche Modelle beide unter der Bezeichnung "RTX 4080" laufen zu lassen.

Tatsächlich unterscheiden sich die Karten nämlich nicht nur in der Speicherbestückung, sondern auch wesentlich im buchstäblichen Kern, nämlich in der Zahl der Cuda-Cores. Ob damit der nächste Fehlkauf als vermeintliches "Schnäppchen" vorprogrammiert sein kann, werden Benchmarks zeigen müssen.

Etwas verwirrend: drei Modelle, zwei Typenbezeichnungen.
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Man könnte das Datenblatt durchaus auch so interpretieren, dass eine Karte der 70er-Serie offiziell erstmals mehr als 1.000 Euro kostet. Das hätte preislich aber womöglich ein gar zu schlechtes Bild abgegeben, weshalb sich Nvidia für den nominellen Aufstieg zur "kleinen" 4080er entschieden haben könnte.

Ein weiterer Grund, weshalb die 70er-Serie zumindest auf dem Papier noch nicht zu sehen ist, sind die hohen Restbestände der letzten Generation. Sie lassen tatsächlich keine Lücke im Portfolio vermissen, überhaupt wenn sie noch weiter im Preis fallen. Auch kein Hellseher muss man sein, um zu erkennen, dass die Tabellenplätze für die nachfolgenden Ti-Modelle links und rechts von der 4090er bereits reserviert sind. Nvidia hat in den letzten zwei Jahren erkannt, dass es offenbar genügend Kunden gibt, die bereit sind, für Grafikkarten tief in die Tasche zu greifen. Und will sich das nicht nehmen lassen.

Groß und hungrig

Erfreulich ist immerhin, dass Nvidias eigenes Founder-Design beim unumstritten smarten und bewährten Kühlungsprinzip der 3000er-Serie bleiben wird. Ob sich das Konzept bei der offensichtlich leistungshungrigeren Ada-Architektur bewährt, bleibt abzuwarten. Immerhin beträgt die Leistungsaufnahme bis zu 450 Watt beim Flaggschiff RTX 4090, woraus sich eine Netzteilempfehlung von mindestens 850 Watt ergibt. Die tatsächliche Stärke kann je nach Systemkonfiguration schwanken und durchaus höher ausfallen.

Wer bei den neuen RTX-Modellen keinen beiliegenden Adapter mit bis zu vier 8-Pin-Kabeln nutzen will, braucht ein neues Netzteil und ein 12VHPWR-Kabel.
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Und auch bei den Abmessungen hat Nvidia nicht gespart, alle drei neuen Modelle belegen jetzt – wie die 3090er in der Founders Edition auch schon – ganze drei PCI-Slots im Gehäuse. Hinzu kommt die Erschwernis beim Einbau, dass die Karten aufgrund der Stromversorgung entweder ein neues Netzteil nach dem ATX-3.0-Standard benötigen, wenn man das neue 12VHPWR-Kabel verwenden möchte. Bei älteren Netzteilen muss man auf das beiliegende Adapterkabel zurückgreifen und bis zu vier (!) PCIe-8-Pin-Kabel anschließen.

Das Problem mit den Boardpartnern

Wer sich gewundert haben sollte, warum Nvidia bei der Keynote nicht die Grafikkarten seiner Boardpartner erwähnt hat, wurde kurze Zeit später mit separaten Ankündigungen derselben eines Besseren belehrt. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass Nvidia EVGA vor kurzem als Partner verloren hat, dürften sich die anderen Hersteller offenbar auch noch recht schwer damit tun, die Spezifikationen der Ada-Architektur zu bändigen.

Das Kartendesign der Boardpartner ist seit Jahren unverändert und scheint bei Ada hinsichtlich der Abmessungen an seine Grenzen zu stoßen.
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Treffender als Steve Burke von Gamers Nexus hätte man es jedenfalls kaum formulieren können, dass bei der neuen Generation "Clownkarten" im Angebot seien: In vielen Fällen versucht ein buntes RGB-Lichtermeer darüber hinwegzutäuschen, dass die besonders groß ausgefallenen Karten mehr als drei PCI-Slots im Gehäuse brauchen. Damit sind aber nicht nur exakt drei oder vier Slots gemeint, es gibt tatsächlich auch 3,15- oder 3,75-Slot-Designs.

Es kommt noch besser: Aufgrund des hohen Gewichts wird manchen Karten eine Stützhilfe (wahlweise auch mit RGB-Beleuchtung) beigelegt, um ein Absacken zu verhindern. Das ist an sich nichts Neues, aber in dieser Form ein Indiz, dass das Kartendesign, an dem man jahrelang festgehalten hat, möglicherweise schon etwas überholt sein dürfte.

Es bleibt spannend

Natürlich ist noch nichts entschieden: Weder haben ausreichend Benchmarks in der "freien Wildbahn" gezeigt, was die Karten wirklich drauf haben. Eine überragende Performance könnte die RTX 4000 in ein besseres Licht rücken, dazu zählt auch der neue Upscaler DLSS 3.0. Noch hat Nvidia gezeigt, wie die tatsächliche Mittel- und Einsteigerklasse für RTX 4000 aussehen wird. Und auch Konkurrent AMD wird erst im November zeigen, wie viel die RDNA-3-Architektur Ada wirklich entgegensetzen kann.

Nach dem, was Nvidia bislang vorgestellt hat, ist aber auch nicht auszuschließen, dass das Unternehmen in eine ähnliche Situation geraten könnte wie Intel zuletzt im CPU-Bereich. Dort hatte man AMD unterschätzt und nagt bis heute an Ryzens Erfolgsgeschichte. (Benjamin Brandtner, 24.9.2022)