Was ist des Österreichers und der Österreicherin liebstes Hobby? Matschgern und sudern, auf Hochdeutsch: jammern und sich beklagen. Das kann man nicht nur in mehr oder weniger humorigen literarischen Auslassungen über das Österreichische an sich nachlesen. Das kann man gerade hautnah miterleben. Jüngster Anlass: der Klimabonus, immerhin 500 Euro für Erwachsene, 250 Euro für Kinder, die wegen der Energiekrise vorzeitig, schon ab September, ausbezahlt werden.

Dass so etwas an sich Erfreuliches Anlass für Ärger gibt, mag für Außenstehende absurd klingen. Für uns hier in Österreich ist das ganz normal. Hier lassen wir keine Gelegenheit aus, um schnurstracks auf den Pfad der Empörung einzubiegen und nach Haaren in der Geldsuppe zu suchen.

Der Klimabonus, 500 Euro für Erwachsene, 250 Euro für Kinder, wird wegen der Energiekrise, schon ab September, ausbezahlt.
Foto: imago images/imagebroker

Nun kann man schon diskutieren, wie es Datenschützer tun, ob bei der Auszahlung über ein Privatunternehmen tatsächlich der Datenschutz gewahrt wurde. Man kann auch thematisieren, dass sich die Steuerzahler diesen Bonus ja quasi selbst bezahlen – und auch infrage stellen, ob sich diese Einmalzahlung tatsächlich als Teuerungsausgleich eignet. Doch der Fokus der Aufregung liegt zumeist woanders.

Ein kleiner Auszug der vergangenen Tage, vom Boulevard liebevoll aufbereitet: Der Nachbar hat den Bonus schon, ich noch nicht!; der Partner (Mama, Papa, Oma, Opa) hat ihn schon – wann krieg’ ich ihn endlich?; Skandal: Einige Babys bekommen ihn gar nicht!; dafür bekommen ihn Tote, Inhaftierte, Asylwerber! Absurd! Anstößig! Abzulehnen!

Vor allem die Sache mit den Asylwerbern war offenbar so empörend, dass Teile der ÖVP sogar die Koalition mit den Grünen beenden wollten, allen voran die Ex-Generalsekretärin der Partei.

Neiddebatte

Die spontane Aufwallung war vorgeschoben. Alle an dieser Debatte Beteiligten wissen genau, dass der "Klimabonus für alle" von Türkis und Grün einstimmig beschlossen worden ist. Hier geht es nur darum, dass manche wittern, dass man mit diesem Thema eine Neiddebatte anfachen könnte – und von dieser ist man dann schnell bei einer Antiausländerdebatte. Und mit einer solchen hat die ÖVP unter Sebastian Kurz mehrfach erfolgreich Wahlkampf betrieben.

Es ist immer schäbig, Neid politisch zu schüren. Gerade jetzt, da die Menschen durch Krieg, Klimakrise und Corona massiv verunsichert sind, ist es brandgefährlich. Statt zu versuchen, Verunsicherte zu stützen, suchen manche in der christlichen und einst staatstragenden ÖVP ihr Heil im Aufsagen des rechtspopulistischen Abc: negative Gefühle ansprechen und verstärken, Sündenböcke schaffen und anprangern.

Hier zeigt sich, wie tiefgreifend die inneren Probleme der ÖVP sind. Die Ära Kurz hat ihr zwar zwei gewonnene Nationalratswahlen beschert, aber auch den hartnäckigen Geruch von Korruption und Trickserei eingebracht. Und es gibt nicht wenige ÖVP-Politiker und Funktionäre, die nicht mehr so genau wissen (wollen), wofür die ÖVP eigentlich steht – und was sie von der FPÖ unterscheidet.

Das ist keine erfreuliche Entwicklung, doch sie nimmt jedem und jeder Einzelnen in Österreich nicht die Verantwortung, den eigenen Neid zu bekämpfen, Matschgern und Sudern einmal sein zu lassen. Etwas mehr Gelassenheit könnte Österreich insgesamt wahrlich nicht schaden. (Petra Stuiber, 24.9.2022)