Die Causa um das Flüchtlingslager Drasenhofen ging für den FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl ohne Verurteilung aus.

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St. Pölten – Gottfried Waldhäusl sitzt aufrecht und mit Pokerface auf der Anklagebank. Neben ihm hat seine Ex-Untergebene W. Platz genommen. Mit gekrümmtem Rücken ist sie bemüht, der Zuschauerschaft ihr Gesicht zu verbergen.

Hinter dem FPÖ-Politiker thront sein siegessicherer Verteidiger: "Ein Freispruch entspricht dem Verhandlungsverlauf. Der Verdacht hat sich in keinster Weise erhärtet", sagt Manfred Ainedter schon vor Verhandlungsbeginn.

Er sollte recht behalten. Freispruch für den niederösterreichischen Asyllandesrat sowie für seine ehemalige Mitarbeiterin W. hieß es am Nachmittag, nach drei weiteren Zeugenaussagen, eineinhalb Stunden Aktenverlesung und den Plädoyers. "Wir sind zum Schluss gekommen, dass die Unterkunft nicht per se ungeeignet war", begründete Richterin Silvia Pöchhacker ihren Spruch. Dieser ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft gab in dem seit mehr als einem Jahr laufenden Verfahren keine Erklärung ab.

Psychischer Schaden

Anlass der von der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angestrengten Causa war die Verlegung von 16 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in ein mit Stacheldraht begrenztes Asylquartier im niederösterreichischen Drasenhofen im November 2018. Das habe die als schwierig geltenden, zum Teil vorbestraften jungen Burschen in ihrem Vertrauen, und damit psychisch, geschädigt, meinte die Anklage.

Geplant und leitend durchgeführt hätten das Waldhäusl und die Ex-Landesbedienstete – und sie hätten dabei "wissentlich" ihre amtliche Befugnis missbraucht.

Jugendliche nicht eingesperrt

Der Schöffensenat sah das anders. Die Jugendlichen seien nicht eingesperrt gewesen, sagte Richterin Pöchhacker. "Ein Bauzaun in Betonschuhen mit einer Reihe Stacheldraht darüber stellt per se keine die Persönlichkeit destabilisierende Maßnahme dar", meinte sie. Trotzdem: "Der Stacheldraht war unnötig und entbehrlich" sowie "ein unüberlegter politischer Wunsch" des als höchst asylwerberkritisch geltenden Waldhäusl.

Genau entgegengesetzt hatte das Oberstaatsanwalt Michael Schön dargestellt. "Als Politiker kann Waldhäusl fordern, was er will, als Landesrat ist er den gesetzlichen Vorgaben verpflichtet", sagte er in seinem Plädoyer. Zu folgen habe Waldhäusl dem Grundversorgungsgesetz. Diesem habe er durch Weisungen zuwidergehandelt.

Ort der Einschüchterung

Konkret, so Schön, hätten Waldhäusl und W. angeordnet, das Quartier weitab jeder Infrastruktur, mit Securitypersonal, einem Hund als Bewacher, Kameras und dem Stacheldrahtzaun zu gestalten. Damit hätten sie bewusst "die Einschüchterung einer ohnehin bereits eingeschüchterten Gruppe" in Kauf genommen.

Das reizte Waldhäusl-Verteidiger Ainedter zu Widerspruch: "Wie Sie den Landesrat hier vorstellen, dass er die Jugendlichen einschüchtern wollte, das hat mit Objektivität nichts zu tun", stritt er für seinen Mandanten jede Wissentlichkeit ab.

Dass der Drasenhofen-Aufenthalt für die betroffenen Jugendlichen einschneidend war, dokumentierte indes die Aussage des 21-jährigen Zeugen Farad R., eines Afghanen mit inzwischen subsidiärem Schutz und einem Job am Bau. "Dort war das so wie in einem Gefängnis. Wir waren drinnen und durften nicht raus, denn es gab zwei Securitys und Hunde. Auch die Fenster konnte man nur kippen, und davor gab es Gitter", schilderte er.

"Ich hatte Angst"

Eines Nachmittags völlig überraschend aus seiner vorherigen Unterkunft in Bad Vöslau geholt, wo er die Schule und ein Bäckereipraktikum besuchte, sei er davon ausgegangen, in ein Abschiebezentrum gebracht worden zu sein. "Ich hatte Angst", sagte R. (Irene Brickner, 23.9.2022)