Muss sich Kritik gefallen lassen: Magnus Carlsen.

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Lausanne – Erstmals seit der Eskalation rund um Schach-Weltmeister Magnus Carlsen hat sich am Freitag der Weltschachverband (Fide) zu Wort gemeldet. Präsident Arkadi Dworkowitsch reagierte in einem Statement auf die Vorfälle.

"Wir sind der Überzeugung, dass der Weltmeister eine moralische Verantwortung hat, da er als weltweiter Botschafter des Spiels angesehen wird. Seine Handlungen wirken sich auf den Ruf seiner Kollegen und die sportlichen Ergebnisse aus und können unserem Spiel schaden. Es hätte bessere Wege gegeben, mit dieser Situation umzugehen", heißt es in dem Schreiben.

Schritt nach vorne

Was war passiert? Anfang September verlor Carlsen beim Sinquefield Cup in St. Louis überraschend gegen den jungen US-Amerikaner Hans Niemann und zog sich erstmals in seiner Karriere von einem Turnier zurück. Der Norweger deutete über die sozialen Medien Betrug an. Zwei Wochen später gab Carlsen in einem Online-Wettbewerb gegen Niemann vor seinem zweiten Zug auf.

Beide Partien waren nicht von der Fide organisiert, dennoch sei es die Pflicht des Verbandes, "die Integrität des Spiels und sein Image zu schützen, und angesichts der Tatsache, dass der Vorfall weiter eskaliert, halten wir es für notwendig, einen Schritt nach vorne zu machen."

Präventivmaßnahmen

Die Fide sei bereit, "ihre Fair-Play-Kommission mit einer gründlichen Untersuchung des Vorfalls zu beauftragen, wenn die entsprechenden ersten Beweise vorgelegt werden und alle beteiligten Parteien die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen offenlegen. Wir sind uns bewusst, dass Unsicherheit die Leistung der Spieler beeinträchtigen kann. Sie kann auch dem Ruf eines Spielers schaden – deshalb bestehen wir darauf, dass die Anti-Betrugs-Protokolle eingehalten werden."

Betrug im Allgemeinen sei keinesfalls hinzunehmen: "Wir bekräftigen unsere Null-Toleranz-Politik gegenüber Betrug in jeder Form. Ob online oder am Brett, Betrug bleibt Betrug. Wir engagieren uns stark in diesem Kampf und haben in die Bildung einer Gruppe von Spezialisten investiert, die ausgefeilte Präventivmaßnahmen entwickelt haben, die bereits bei FIDE-Spitzenveranstaltungen Anwendung finden."

Carlsen im Zillertal

Schach auf höchstem Niveau gibt es Anfang Oktober im Zillertal zu sehen: Beim Vereins-Europacup in Mayrhofen geben sich vom 3. bis 9. Oktober unter anderem Carlsen sowie Ex-Weltmeister Viswanathan Anand aus Indien die Ehre. Bei den Frauen sind mit den Ukrainerinnen Mariya Muzychuk und Anna Ushenina zwei Ex-Weltmeisterinnen am Start.

Carlsen, der für seinen norwegischen Verein Offerspill antritt, spielt erstmals als Weltmeister bei einem Profi-Turnier in Österreich Schach. Bisher war der Skandinavier hierzulande lediglich als Zehnjähriger und bei einem PR-Event in der Wiener Hofburg zu Gast.

Offerspill als Außenseiter

Mit Offerspill hat Carlsen im Europahaus Mayrhofen allerdings nur Außenseiterchancen auf den Sieg im mit 25.000 Euro dotierten Männer-Bewerb. Als Favorit gilt das rumänische Team CSU ASE aus Bukarest mit Anand und dem 16-jährigen indischen Toptalent Dommaraju Gukesh, dem zweitjüngsten Großmeister der Schachgeschichte. Als größter Herausforderer gilt der tschechische Club Novi Bor, für den mit Markus Ragger Österreichs Nummer 1 spielt.

"Es haben insgesamt 87 Mannschaften genannt, das ist ein neuer Teilnehmerrekord", freute sich Turnierdirektor Johann Pöcksteiner. Unter den 70 Vereinen bei den Männern befinden sich vier heimische, bei den Frauen sind es drei von 17 Clubs. (red, APA; 23.9.2022)