Fiskalrat-Chef Christoph Badelt rügt die Regierung für ihre Gießkannen-Politik bei der Verteilung von Förderungen. Hier gehöre die soziale Treffsicherheit erhöht.

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Wien – Seit der Corona-Pandemie fließen in Österreich laufend Förderungen. Die Regierung verteilt Milliarden an Unternehmen und Haushalte. Das Thema der Staatsschulden komme dabei kaum mehr in die Debatte. Mit den aktuellen Maßnahmen zur Abfederung der hohen Inflation und Energiepreise, hat die Regierung erneut rund 30 Milliarden Euro in die Hand genommen. "Hilfe für sozial Schwache müssen wir uns leisten", sagt Ökonom Christoph Badelt im Ö1 Mittagsjournal. Der Chef des Fiskalrats weist aber darauf hin, dass die Regierung ihre Geldverteilung via Gießkanne stoppen sollte.

Das rasche Tempo für die Maßnahmen und die Zielgenauigkeit der Förderung in den beiden Pandemie-jahren bezeichnete Badel als ziemlich krass. Es sei jetzt auch wieder der Fall, dass Mittel sehr rasch aber wenig treffsicher verteilt werden. Badelt betonte, dass es von der Regierung mehr Druck hätte geben müssen, um Daten zu bekommen, die die Treffsicherheit der Fördermaßnahmen erhöhen – etwa bei der Förderung von Stromkosten.

Mehr Druck bei Daten

Die Regierung sage zwar, sie sei bei der Erhebung von Daten nicht untätig, aber solche Prozesse dauerten eben. Datenschutzrechtliche Bedenken könne man laut Badelt auch mit Gesetzen regeln.

Österreich solle jedoch nicht aufhören, Hilfen zu verteilen. "Wir können leider nicht davon ausgehen, dass diese Krise schnell vorbei sein wird", sagt Badelt. Gezielte Stützungsmaßnahmen werden also Thema bleiben. "Deswegen wäre es so wichtig, das Geld nicht zu großzügig zu verteilen", so der Fiskalrat-Chef, dessen Team errechnet habe, dass die Regierung wohl zwei Drittel der Ausgaben für die Strompreisbremse einsparen könnte, wenn die Verteilung gerechter und sozial treffsicher wäre.

Not muss verhindert werden

"Der Staat darf nicht zulassen, dass es zu einer breiten Not kommt", sagte Badelt. Das berge die Gefahr von sozialen Unruhen. Da dürfe man nicht zuschauen. Auch nicht dabei, wie populistische Strömungen immer größer würden. Besserverdiener könnten die aktuell höheren Kosten schultern – auch ohne Förderung. Auch, wenn das einen Wohlstandsverlust mit sich bringe. Eine soziale Not wie in den 1930-Jahren fürchtet Badelt aber nicht.

Dennoch müsse auch klar sein, dass die Regierung eine hohe Inflation nicht wegregulieren könne. Die "Preise-runter-Debatte" greife daher zu kurz. Eingriffe in die Preise führten oft zu Folgeproblemen wie geschwächter Wettbewerbsfähigkeit oder zu Engpässen.

Dass die Stimmung im Lande oft die sei, dass die Bevölkerung den Eindruck habe, es passiere wenig bis nichts, obwohl die Regierung ein Hilfspaket nach dem anderen schnürt, liegt für Badelt daran, dass von der Ankündigung bis zur Umsetzung oft viel Zeit vergehe. Zeit, die es aber braucht, um Strukturen herzustellen und entsprechende Gesetzestexte zu verfassen.

Dass nach Strom auch Gas gefördert werden soll, sieht Badelt nicht als richtiges Folgethema an. Mit Gas heize nicht jeder Haushalt, Strom brauche hingegen jeder. Dennoch mache eine Förderung von Heizkosten Sinn, die Ausgestaltung sei jedoch schwierig.

Metaller: rascher Abschluss wäre sinnvoll

Von der rekordhohen Forderung der Metaller, die ein Plus von 10,6 Prozent fordern, zeigte sich Badelt nicht überrascht. Die Gewerkschaft müsse kräftig in die KV-Verhandlungen gehen. Wichtig sei in der aktuellen Lage, dass man die Verhandlungen dann aber auch rasch abschließe. Der Fiskalrat-Chef erwartet eine Einigung bei rund acht Prozent. Vergessen werde dürfe nicht, dass der Staat mit der Abschaffung der kalten Progression hier schon in Vorleistung gegangen sei.

Das Budget sei wegen der aktuellen Förderungen bereits aufgeschnürt worden. Die Maastricht-Kriterien werden wir laut Badelt weder heuer noch nächstes Jahr einhalten. Die EU sei ob der Krise diesbezüglich aber auch milder und greife nicht ein. "In der Not dürfen die Staatsschulden auch steigen", betonte Badelt. Man müsse aber eben vorsichtig agieren und darauf achten, dass man Geld nur ausgibt, wo es nötig ist. Zudem brauche es einen Konsolidierungspfad für die Zeit nach der Krise.

Betreffend der Förderung von Energiekosten hält Badelt eine Auszahlung bis in die Mittelschicht für gerechtfertigt. Ebenso gehörten Unternehmen unterstützt. Hier aber nur jene, die nicht insolvenzgefährdet sind und die höhere Kosten nicht an die Kunden weitergeben können.

EU soll Regeln für Abschöpfung von Übergewinnen machen

Zur laufenden Debatte bezüglich der Abschöpfung von Übergewinnen sagte Badelt, dass er dafür sei, das auf Europäischer Ebene anzugehen. Europaweit könnten 140 Milliarden Euro abgeschöpft werden. Dieses Geld könnte für gezielte Fördermaßnahmen herangezogen werden.

Zwei Dinge besorgen den Fiskalrat-Chef derzeit. Zum eines das Faktum, dass derzeit nicht abgeschätzt werden kann, wie lange die Krise noch dauern werde. Das verhindere die Erstellung eines Gesamtkonzeptes. Zum anderen weist Badelt auf die Gefahr einer politischen Radikalisierung hin, die es zu verhindern gelte. (bpf, 24.9.2022)