Österreichische Filmdrehs sind häufig Schauplatz von Diskriminierung und Übergriffen – das muss sich ändern.

Foto: Vienna Film Commission

Freitagabend fand mit "Filmkultur: #metoo, Diversität. Status Quo und Perspektiven" die erste branchenübergreifende Diskussionsveranstaltung zu Diskriminierung in der österreichischen Filmszene statt. Vor vollem Saal diskutierten sechs Panelgäste über die Frage "Welche Kultur hat unsere Branche?": Regisseurin und #MeToo-Aktivistin Katharina Mückstein, #we_do!-Koleiterin Meike Lauggas, Obmann des Fachverbandes der Film & Musikwirtschaft in der WKÖ Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Sophie Rendl, Leiterin der neuen Vertrauensstelle *vera, Schauspielerin Benita Bailey sowie Produzent Michael Kitzberger.

Frauen leisten die Aufklärungsarbeit

Frauen waren in der Mehrzahl, sowohl am Podium als auch im Publikum. Das sei ein Problem, waren sich die Panelgäste einig. Denn diejenigen, die für die Situation verantwortlich sind – Mückstein benannte die Verursacher von Übergriffen als vorwiegend weiß, hetero und cis-männlich – erkennen nicht an, dass ihr Verhalten das eigentliche Problem ist. Stattdessen leisten Frauen und anderweitig diskriminierte Personen die Aufklärungsarbeit. Mücksteins Aufruf galt deshalb den Männern in der Filmbranche: "Männer müssen sich weiterbilden, Männer müssen die Weiterbildungsangebote pushen. Wir brauchen Männer, die sagen, es geht so nicht."

Männer in der Pflicht

Gerade die anwesenden Männer, wie die Produzenten Alexander Dumreicher-Ivanceanu und Michael Kitzberger, seien in der Pflicht, als Vermittler aufzutreten. Meike Lauggas erinnert daran, dass diskriminierendes Verhalten durch Männer nicht nur auf mangelndes Gespür zurückzuführen ist, sondern auf "Macht, Konkurrenz, Privilegien, Vorteile": "Die Komplizenschaft der Männerbünde muss gebrochen werden." Es gebe Akteure und Akteurinnen, oft in Machtpositionen, die konkret adressiert und deren Macht beschnitten werden müsse.

Anonymität als wichtiger Schutz

Der Ruf nach Namen und juristischen Maßnahmen ist jedoch zu simpel. Meist wünschen sich Betroffene keine extremen Konsequenzen, sondern nur, dass die alltäglichen Übergriffe und Diskriminierungen aufhören. Es fehlt allerdings an niederschwelligen Maßnahmen, Verursacher zur Verantwortung zu ziehen. Radikale Konsequenzen, wie Kündigung oder ein Prozess, seien in den meisten Fällen weder erwünscht noch möglich. Ein großes Problem ist auch, dass Personen, die namentlich über einen Übergriff berichten, abgewertet, diskreditiert und beruflich übergangen werden. Anonymität ist ein wichtiger Schutz. Nicht die Opfer, sondern die Zeugen und Zeuginnen sind in der Pflicht, die sogenannte Schweigekultur zu brechen.

Ein guter Film ist kein Freibrief

Mit Blick auf die konkrete Diskussion rund um Ulrich Seidls "Sparta", kritisierte Meike Lauggas die Erklärung des Festivalleiters von San Sebastian, die Vorwürfe gegen Ulrich Seidls Arbeitsweise würden aufhören, nachdem man gesehen habe, wie gut der Film sei. "Totale Rückendeckung im Namen der Kunst" könne nicht länger der Maßstab der Filmproduktion sein. Dumreicher-Ivanceanu sieht hier die Produktionsfirmen in der Verantwortung bewusstseinsfördernde Maßnahmen zu ergreifen, erinnert aber auch an Zeit- und Finanzdruck bei Filmproduktionen. Wird ein Übergriff gemeldet, kann es zu einem Drehstopp kommen. Dass dies den Betroffenen, nicht den Verursachern, zulasten gelegt wird, ist ein eklatanter Missstand. Doch bislang zählt nur das Ergebnis, der fertige Film – die Mittel spielen keine Rolle.

Verpflichtende Evaluationen und Workshops

Als direkte Maßnahmen schlägt Regisseurin Katharina Mückstein Evaluationen der Arbeitsprozesse ebenso wie verpflichtende Antidiskriminierungsworkshops für Personen in leitenden Funktionen vor. Benita Bailey berichtet von einer App, über die Übergriffe gemeldet werden können. Zudem sollten Produktionsfirmen beim ersten Teamtreffen eine Informationsveranstaltung einplanen, um ein klares Signal zu senden.

Stimmen aus dem Publikum

Marijana Stoisits von der Vienna Film Commission appelliert vehement an die Produktionsfirmen und ihre Verantwortung für die Arbeitsbedingungen am Set. Außerdem wird die Forderung nach Räumen und Personen am Set bekräftigt, um über grenzwertige Situationen zu sprechen. Iris Zappe-Heller vom Österreichischen Filminstitut gibt grünes Licht für die Förderung künftiger präventiver Maßnahmen wie Setpsychologinnen und -psychologen sowie Intimacy Coordinators, die intime Szenen begleiten und vorbereiten. Da die Diskussion über Diskriminierung erst jüngst ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist, fordern weitere Stimmen aus dem Publikum, das Thema fortan zur höchsten Priorität zu ernennen. (Valerie Dirk, 24.9.2022)