Nach dem Tod von Mahsa Amini wird nicht nur im Iran, sondern weltweit protestiert. Das Bild stammt aus Washington DC.

Foto: IMAGO/NurPhoto/Allison Bailey

Teheran – Bei den andauernden regimekritischen Protesten im Iran sind Medienberichten zufolge 41 Menschen getötet worden. Das meldete der iranische Staatssender IRIB am Sonntag, eine offizielle Bestätigung lag aber nicht vor. Aktivisten gingen schon am Freitag von mindestens 50 Toten aus. Die Proteste, die durch den Tod einer jungen Frau ausgelöst worden waren, gingen demnach auch in der Nacht weiter.

In den sozialen Medien wurden Videos geteilt, die Proteste in der Hauptstadt Teheran und anderen Teilen des Landes zeigten. Die Aufnahmen konnten nicht verifiziert werden.

Raisi kritisiert "Krawalle"

Der iranische Präsident forderte die Sicherheitskräfte, wie bereits am Samstag, zu einem "entschiedenen Vorgehen" gegen die Demonstrierenden auf. Staatschef Ebrahim Raisi bezeichnete die vom Tod einer jungen Frau infolge ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei ausgelösten Proteste als "Krawalle". Am Sonntag bestellte das Außenministerium die Botschafter Großbritanniens und Norwegens wegen "Einmischung" in Zusammenhang mit den Demonstrationen ein.

Augenzeugen: Gewaltbereitschaft nimmt zu

Laut Augenzeugen in Teheran nimmt unterdessen die Gewaltbereitschaft sowohl vonseiten der Sicherheitskräfte als auch unter den Demonstranten stark zu. Sicherheitskräfte würden immer aggressiver und es seien vermehrt Schüsse zu hören, hieß es.

Unter den Demonstranten gingen vor allem jüngere aggressiv vor. Sie zerstörten öffentliche Einrichtungen, setzten Autos und Mülleimer in Brand und verprügelten Polizisten. Slogans gegen die islamische Führung würden zudem radikaler: Neben "Tod dem Diktator" skandierten die Demonstranten auch "Das ist das Jahr des Blutvergießens!" und: "Lieber sterben wir als weiterhin Erniedrigung zu ertragen!".

Tod von Mahsa Amini löste Protestwelle aus

Auslöser der Proteste ist der Tod der 22 Jahre alten Mahsa Amini. Sie war von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung festgenommen worden. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Bekannt ist, dass sie zunächst ins Koma fiel und am 16. September in einem Krankenhaus starb. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück.

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Gegendemonstrationen

In der iranischen Hauptstadt Teheran und mehreren anderen Städten fanden Medienberichten zufolge Gegendemonstrationen zu den systemkritischen Protesten der letzten Tage statt. An den Versammlungen hätten am Sonntag Tausende Menschen teilgenommen, um die andauernden Proteste von Regimekritikern zu verurteilen, berichteten Staatsmedien.

Neben den üblichen Slogans "Tod Amerika!" und "Tod Israel!" skandierten die Menschen auch: "Wir folgen dem System und den islamischen Führern!". Sie äußerten zudem Drohungen gegen Regimegegner.

Die Teilnehmer protestierten den Berichten zufolge auch gegen den angeblichen Umgang einiger Demonstranten mit dem Koran. Die iranische Führung wirft diesen vor, mehrere Kopien des Korans verbrannt zu haben. Das wird im Iran als Gotteslästerung und somit als schwere Straftat eingestuft, auf die die Todesstrafe steht.

Kritiker werfen der Regierung immer wieder vor, bei Protesten Gegendemonstrationen zu inszenieren, um die Solidarität der Mehrheit der Menschen mit dem System herauszustellen. Unterdessen lösten unbestätigte Berichte Besorgnis aus, wonach die iranische Regierung auch Hisbollah-Milizen aus dem Libanon zur Niederschlagung der Proteste einsetzen wolle.

Innenministerium: Polizei hat Amini nicht geschlagen

Am Samstag hatte sich der iranische Innenminister zum Fall Amani geäußert. Demnach wurde der Tod der Frau nicht von der Polizei verursacht. "Die medizinischen Untersuchungen und jene der Gerichtsmedizin zeigen, dass es weder Schläge (seitens der Polizei) noch einen Schädelbruch gegeben hat", sagte Minister Ahmad Wahidi laut der Nachrichtenagentur Irna am Samstag. Die voreiligen Schlüsse in diesem Fall und die darauf folgenden Proteste seien daher auf der Basis von falschen Interpretationen entstanden, so der Minister.

Aminis Vater kritisierte den Bericht der Gerichtsmedizin vehement. Seine Tochter habe keinerlei Herzprobleme gehabt und könne daher auch nicht an Herzversagen gestorben sein. (APA, red, 25.9.2022)

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