Tausch alter Ferraris-Zähler gegen neue Smart Meter: Wegen teurer Beschaffung nehmen Stromversorger kaum Neukunden auf.

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Untertags, wenn Fabriken auf Hochtouren produzieren, der Lärmpegel in den Büros hoch ist und das Leben pulsiert, ist der Stromverbrauch gewaltig, elektrische Energie entsprechend teuer; in der Nacht, wenn die Produktion ruht und die meisten Menschen schlafen, ist der Stromverbrauch vergleichsweise niedrig. Das schlägt sich da und dort auch in niedrigeren Nachttarifen nieder, vielmehr – es hat sich niedergeschlagen. Denn in den vergangenen Jahren hat sich so manche Routine verändert.

Zwar hat die Regulierungsbehörde E-Control Ende der Vorwoche insgesamt 53 Stromlieferanten aufgelistet, die flächendeckend in Österreich oder lokal begrenzt spezielle Zusatzprodukte für Niedertarif – sprich Nachtstrom – im Tarifkalkulator eingepflegt hatten; die Liste reicht von A wie Anton Kittel Mühle Plaika GmbH, Niederösterreich, bis W wie Wien Energie Vertrieb GmbH & Co KG. Kaum einer der aufgelisteten mehr als 50 Anbieter nimmt aktuell aber Neukunden auf, wie ein Rundruf des STANDARD ergeben hat.

Preisentwicklung hinderlich

Das hat Gründe – und die haben mit der Entwicklung zu tun, die sich in den vergangenen Monaten auf den Gas- und Strombörsen abgespielt hat. Die Großhandelspreise für Strom, wichtige Wegweiser für alle, die elektrische Energie produzieren und in großen Mengen kaufen, sind infolge der Knappheit bei Gas auf 300 Euro die Megawattstunde (MWh; entspricht 30 Cent je Kilowattstunde), kurzzeitig sogar auf bis zu 1000 Euro je MWh gestiegen. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren bewegten sich die Großhandelspreise bei Strom noch in einer Bandbreite zwischen 20 und 30 Euro je MWh.

Die meisten Anbieter beliefern nur mehr ihre Stammkunden. "Wir nehmen derzeit keine neuen mehr auf", sagt Hannes Taubinger von der Kittelmühle in Plaika. Denn das, was er eigentlich verlangen müsste, um seinen Strom nicht schlechter zu verkaufen als am Großhandelsmarkt, erzeuge Gewissensbisse bei ihm, sagt Taubinger.

Minderheitenprogramm

Auch habe sich der Markt grundsätzlich verändert. "Tagstrom wird im Mittel billiger als Nachtstrom, weil es viel Photovoltaik gibt und im Sommer sehr viel Sonne da ist. Der Preis ist mittlerweile zwischen 18 Uhr und 24 Uhr am höchsten – ganz im Gegensatz zu früher, als Strom ab 22 Uhr um ein Eckhaus billiger war", sagt Taubinger.

Das war die Zeit, als Nachtspeicheröfen populär wurden, als es insbesondere auf dem Land noch kaum Gasleitungen und auch wenig Fernwärme gab. Nachtspeicherheizungen sind mittlerweile ein Minderheitenprogramm. Verbund hatte bis Frühjahr 2016 einen eigenen Nachtstromtarif, seither nicht mehr.

Flexi-Tarife

Wien Energie hat einen solchen noch für Bestandskunden. "Das ist ein absolutes Nischenprodukt", sagt Wien-Energie-Sprecherin Lisa Grohs. Kurzfristig werde sich daran auch nichts ändern, mittelfristig denke man aber daran, die Möglichkeiten zu nutzen, die sich mit den intelligenten Stromzählern, den sogenannten Smart Metern, bieten: keine starren Tages- oder Nachttarife, dafür flexible Verträge, wo in Spitzenzeiten mehr zu zahlen ist, in Zeiten geringerer Nachfrage weniger.

Mit dem Produkt Optima Smart Natur bietet EVN Kunden in ihrem Netzgebiet einen etwas günstigeren Freizeittarif an. Der gilt von acht Uhr abends bis acht Uhr früh, ist inklusive Steuern und Abgaben um 6,65 Cent je kWh günstiger als der Werktagtarif und auch samstags und sonntags wirksam. Unternehmenssprecher Stefan Zach geht davon aus, dass mit entsprechenden Anreizen in Zukunft mehr Kunden ihren Verbrauch in die Nachtstunden verlegen werden, wenn sich das im Alltag als praktikabel erweist.

Einfacher mit Smart Meter

War früher ein zusätzlicher Zähler nötig, um Nachtstrom zu beziehen, ist dies im elektronischen Zeitalter nicht mehr der Fall. Das macht die Übung einfacher und billiger.

Auch in Brüssel ist man interessiert, dass die Spitzenlasten geglättet und der Stromverbrauch in die Nacht geschoben wird. Zuletzt gab es einen Appell an Unternehmen, nach Möglichkeit mehr in der Nacht zu produzieren. Wenn sich Strom verbilligt, rechnen Experten mit einer Vielzahl neuer Tarife. Wer Strom verbraucht, wenn die Nachfrage gering ist, wird weniger zahlen. (Günther Strobl, 26.9.2022)