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Die Tiroler Wahl wurde vielfach als Testwahl für die nächsten anstehenden Wahlen gesehen – und daher nicht zuletzt in Niederösterreich besonders genau beobachtet: Dort muss sich ja Anfang kommenden Jahres Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einer Neuwahl stellen. Zuletzt hat sie im Windschatten des ersten Nationalratswahlsiegs von Sebastian Kurz im Jahr 2017 noch 49,6 Prozent erreicht – ein Wahlerfolg, der ähnlich jenem von Günther Platter in Tirol war.

Der niederösterreichische VP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner kommentiert daher extratrocken: "Natürlich ist das heute kein gutes Ergebnis für die Tiroler Volkspartei. Aber es gibt für diesen Verlust auch klare Gründe: die schwierige Zeit, in der wir uns befinden, die kurze Zeit, die Anton Mattle hatte, und den Gegenwind, den ihm manche Meinungsforscher mit falschen Prognosen bereitet haben." Christian Stocker, der aus Niederösterreich stammende neue ÖVP-Generalsekretär, wies überhaupt die Idee zurück, dass das Wahlergebnis über Tirol hinausgehende Bedeutung habe.

Der Wahlforscher Thomas Hofer verspürte "ein deutliches Durchschnaufen der ÖVP", weil das erwartete große Desaster ausgeblieben sei. Er sieht damit auch die Position von Kanzler Karl Nehammer halbwegs gefestigt und keine dräuende Personaldiskussion in der Bundespartei.

SPÖ betont eigene Themen

Besonderen Jubel gab es aber auch bei den befreundeten Organisationen der anderen Parteien nicht. Für die SPÖ, die unter manchen Erwartungen geblieben ist, ist der dritte Platz in Tirol blamabel – auch wenn es nun zu einer schwarz-roten Koalition kommen dürfte. Die SPÖ, die in bundesweiten Umfragen den ersten Platz hält, kann daraus bundespolitisch nicht viel machen, Rückenwind für Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ist aus dem Ergebnis schwerlich abzuleiten. Im roten Burgenland aber hat man ohnehin andere Sorgen.

Der dortige SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst muss kommenden Sonntag Gemeinderatswahlen schlagen. Einerseits sind das eigenständige Kommunalwahlen, andererseits muss er dem Tiroler Parteifreund (der von Rendi-Wagner lange geschnitten wurde) doch Lob zollen: "Georg Dornauer hat sich mit den Themen leistbares Wohnen, Pflege, Antiteuerung und Energieunabhängigkeit für ein Regierungsamt qualifiziert." Großer Wahlverlierer sind für Fürst die Umfrageinstitute und die Medien, die der ÖVP Verluste von 20 Prozentpunkten vorausgesagt hätten.

Der Meinungsforscher Peter Hajek übte denn auch auf ATV massive Kritik an seinen Branchenkollegen, die in den vergangenen Wochen für die ÖVP mögliche Ergebnisse zwischen 26 und 37 Prozent vorhergesagt hatten: Diese Umfragen seien methodisch bedenklich gewesen – und sie eröffneten gleichzeitig der ÖVP die Möglichkeit, das tatsächliche Ergebnis nach Belieben als Erfolg zu interpretieren. Auch der Politikwissenschafter Peter Filzmaier sprach im ORF von einem gut gespielten "Erwartungsspiel" der ÖVP.

Bedauerliche Verluste bei Grünen

Der oberösterreichische Landesrat Stefan Kaineder (Grüne) kommentierte die Verluste seiner Parteifreunde in Tirol als bedauerlich, betonte aber, dass die Bundesregierung in einer der schwersten Krisen Europas ruhig arbeiten und sich dafür erst zum gegebenen Wahltermin verantworten müsse.

Der freiheitliche Generalsekretär Christian Hafenecker lobte dagegen den Erfolg der Tiroler Parteikollegen und bezeichnete es als erfreulich, dass die Grünen geschwächt würden. Die Freiheitlichen haben zwar ihr Ziel verfehlt, in eine Tiroler Koalition zu kommen – aber sie werden ihr Profil als Opposition im Land noch schärfen. Und im Bund sowieso: Dort kann sich Herbert Kickl einer weiteren Stärkung erfreuen.

Was für die Bundes-ÖVP und die Regierung erfreulich sein dürfte: Es dürfte zu keiner Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat kommen: Die ÖVP hält nach wie vor 26 Mandate, die Grünen fünf. Mit 31 Bundesräten behält die Koalition damit die Mehrheit in der Länderkammer. (Conrad Seidl, 25.9.2022)