Die Ruinen der Maya-Stadt Tikal sind mehr als 1.000 Jahre alt. Die Ruinenlandschaft sieht sehr grün und "natürlich" aus, ist aber schwer mit Quecksilber belastet.

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Die Maya beherrschten fast 4.000 Jahre lang große Teile Mittelamerikas. Doch trotz dieser Dauer lebte die Hochkultur nicht in völliger Harmonie mit ihrer Umwelt, wie eine neue Studie zeigt. Vielmehr verursachten die Maya eine schleichende Umweltkatastrophe, die womöglich zu ihrem Untergang beigetragen hat, der lange vor der Ankunft der Europäer besiegelt war.

Die Rede ist von hohen Konzentrationen von Quecksilber, die bis heute die Böden etwa der legendären Maya-Stadt Tikal verseuchen. Im Boden unter diesen Ruinen, die in Guatemala liegen, fanden Forschende bis zu 17,16 ppm (parts per million) von diesem toxischen Metall. Das ist ziemlich viel: Quecksilber im Boden gilt bereits ab 1 ppm als gesundheitsschädlich. Anders gesagt: Für archäologische Teams, die längere Grabungsarbeiten in Tikal vornehmen, herrscht echte Vergiftungsgefahr.

Eine chronische Quecksilbervergiftung kann nämlich zu Schäden am zentralen Nervensystem, an den Nieren und der Leber führen. Außerdem kann das flüssige Metall Zittern, Seh- und Hörstörungen, Lähmungen und psychische Probleme auslösen.

Viele offene Fragen

Doch wie groß war das Quecksilberproblem im Maya-Reich wirklich? Wodurch kam es zustande? Und welche gesundheitlichen Folgen könnte diese Kontamination für die Hochkultur gehabt haben?

Ein Team um den australischen Wissenschafter Duncan Cook (Australian Catholic University) hat in einer neuen Metastudie im Fachblatt "Frontiers in Environmental Science" bisherige Untersuchungen zu dem Thema ausgewertet. Konkret analysierte es alle Daten über Quecksilberkonzentrationen in Böden und Sedimenten in Chunchumil im heutigen Mexiko, Marco Gonzales, Chan b'i und Actuncan in Belize, La Corona, Tikal, Petén Itzá, Piedras Negras und Cancuén in Guatemala, Palmarejo in Honduras und Cerén El Salvador.

Die unterschiedlichen Quecksilberwerte der untersuchten Maya-Stätten und deren jeweiliges Alter.
Grafik: Duncan Cook et al., Frontiers in Environmental Science 2022

Dabei zeigte sich, dass die Quecksilberkonzentrationen stark schwankten und in späteren Jahrhunderten der Maya-Herrschaft tendenziell zunahmen. Was nicht weiter verwunderlich ist, da sich Quecksilber nicht nur im Gewebe, sondern auch im Boden anreichert. Den höchsten, bereits erwähnten Wert gab es in Böden aus der Spätphase von Tikal.

Reiche Quecksilbervorräte

Wie aber kam das Quecksilber in die Böden? In der Region, in der einst die Maya herrschten, ist Quecksilber rar. Es musste also in die Maya-Zentren geschafft worden sein. Tatsächlich haben Archäologen an mehreren Maya-Stätten versiegelte Gefäße mit Quecksilber gefunden sowie Gegenstände mit quecksilberhaltigen Farben. Mit anderen Worten: Die alten Maya dürften zur Dekoration quecksilberhaltiges Pulver und Zinnober – eigentlich das Mineral Cinnabarit (chemisch: Quecksilbersulfid) – für Innenhöfe, Fußböden, Wände und Keramiken verwendet haben.

Eine Jadefigur der Maya mit Zinnoberspuren in den Rillen.
Foto: Princeton University Art Museums Collections

Von hier aus dürfte das Quecksilber in den Boden und ins Wasser gelangt sein, wie eine Studie bereits vor zwei Jahren zeigte. Da halfen dann auch die Wasserreinigungsanlagen, die zur damaligen Zeit die weltweit besten waren, nicht mehr viel.

Rot und der Tod

Der Grund für das Quecksilber-Faible der Maya war, dass intensives Rot für sie eine ganz besondere Bedeutung hatte: Gegenstände mit dieser Farbe konnten Ch'ulel oder Seelenkräfte enthalten. Daher war das leuchtend rote Zinnoberpigment eine unschätzbare und heilige Substanz. Die Maya wussten aber nicht, dass es auch hochgiftig war.

Das Forscherteam vermutet, dass die gesundheitlichen Auswirkungen der hohen Quecksilberkonzentrationen bereits in der Geschichte der Maya ablesbar sind. So etwa wurde einer der letzten Maya-Herrscher von Tikal – Chitam II ("Dunkle Sonne"), der im Jahr 810 starb – als krankhaft fettleibig dargestellt. Das könnte das Ergebnis einer Quecksilbervergiftung gewesen sein. Ob und wie sehr das giftige Metall zum Niedergang der Maya beigetragen hat, müssen aber erst noch weitere Untersuchungen zeigen, so das Resümee der Forscher. (Klaus Taschwer, 27.9.2022)