Wenn der Staat Aufträge an private Unternehmen vergibt, soll das Vergaberecht dafür sorgen, dass das beste Angebot gewinnt. Das Gesetz öffnet den Beschaffungsmarkt für öffentliche Aufträge und sorgt europaweit für einen fairen, nichtdiskriminierenden sowie transparenten Bieterwettbewerb. Den Zuschlag soll das qualitativ beste oder, je nach Ausschreibung, billigste Angebot erhalten – unabhängig von der Nationalität des jeweiligen Bieters.

Ob der Zuschlag bei öffentlichen Auftragsvergaben an Unternehmen mit einer höheren Frauenquote fallen darf, obwohl andere Angebote billiger sind, ist umstritten.
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Diese Intention des Vergaberechts tritt aber vermehrt in ein Spannungsfeld mit verschiedenen gesellschaftspolitischen Ansinnen. Denn öffentliche Auftraggeber, die sich nicht für das Billigstbieterprinzip entscheiden, können über die Gestaltung der Zuschlagskriterien neben dem Preis auch die Qualität der Leistung in die Bewertung einbeziehen. Und da spielen in letzter Zeit immer öfter auch der Umweltschutz, die Unterstützung von Arbeitslosen oder die Förderungen von Lehrlingen oder Frauen eine wichtige Rolle.

Vergleichbare Kriterien?

Ein Beispiel aus jüngster Zeit: Bei der Ausschreibung eines öffentlichen Bauauftrags hat der öffentliche Auftraggeber die Beschäftigung einer Bauleiterin als Zuschlagskriterium vorgesehen und dieses bei der Bewertung der Angebote mit fünf Prozent gewichtet. Weitere fünf Prozent entfielen auf Bieter, die Lehrlinge beschäftigen.

Ein Bieter, der eine Bauleiterin und Lehrlinge einsetzt, kann im Vergleich zu einem Bieter, der dies nicht tut (oder nicht kann), somit ein um zehn Prozent teureres Angebot legen und kommt trotzdem zum Zug. Aber sind solche Zuschlagskriterien vergaberechtlich überhaupt zulässig? Auf Basis der derzeitigen Gesetzeslage spricht einiges dagegen.

Zuschlagskriterien dienen dazu, unter den eingelangten Angeboten das beste zu ermitteln. Klassische Kriterien sind der Preis, die Qualität oder die Qualifikation und Erfahrung des Personals, das mit der Ausführung des Auftrags betraut ist, sofern die Qualität des Personals Einfluss auf das Niveau der Ausführung haben kann.

Laut dem Bundesvergabegesetz muss es sich bei Zuschlagskriterien um nichtdiskriminierende und mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehende Kriterien handeln, die überdies die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleisten. Ein Zuschlagskriterium ist nur dann zulässig, wenn es in direktem Zusammenhang mit den Eigenschaften des Auftragsgegenstandes steht, mit dem bestimmten Prozess der Herstellung oder der Bereitstellung der zu erbringenden Leistung.

Die Zuschlagskriterien müssen also auftragsbezogen ausgestaltet sein; sie dürfen nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs nicht unternehmensbezogen sein (EuGH Rs C-448/01, EVN/Wienstrom). Die Zuschlagskriterien sollen schließlich eine vergleichende Bewertung des Leistungsniveaus jedes einzelnen Angebots ermöglichen. Nur dann, wenn das Kriterium eine Bewertung der Leistung selbst ermöglicht, ist diese Voraussetzung erfüllt. Erfüllt ein Zuschlagskriterium diese vergabegesetzlichen Anforderungen nicht, ist es unzulässig – und jeder Bieter kann die Ausschreibung auf dieser Grundlage anfechten.

Für die grundsätzliche Zulässigkeit der Frauenförderung spricht auf den ersten Blick § 20 Abs 6 BVergG 2018. Nach dieser Bestimmung kann im Vergabeverfahren auf die Beschäftigung von Frauen Bedacht genommen werden, etwa durch die Berücksichtigung bei der Beschreibung der Leistung oder auch bei der Festlegung konkreter Zuschlagskriterien. Diese Bestimmung ist allerdings in Einklang mit den sonstigen Grundsätzen und Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes zu bringen, vor allem mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung sowie des freien und lauteren Wettbewerbs.

Ein Zuschlagskriterium, das nur aufgrund des Geschlechts differenziert und keinen Rückschluss auf die Qualität der Leistung zulässt, wäre mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Für die Bewertung der Qualität einer Bauleistung ist ein ausschließlich nur am Geschlecht des eingesetzten Personals anknüpfendes Kriterium, anders als etwa die Ausbildung, Erfahrung oder Referenzen, wohl nicht geeignet.

Rechtlich problematisch

Der EuGH hat eine automatische Bevorzugung von Frauen im öffentlichen Dienst durch eine strikte Quotenregelung als mit der Gleichbehandlungsrichtlinie der Europäischen Union nicht vereinbar und damit unzulässig bewertet (EuGH Rs C-450/93, Kalanke gg Bremen, Slg 1995, I-3051; EuGH Rs C-407/98, Abrahamsson und Anderson). Ein Zuschlagskriterium, das einzig und allein am Geschlecht anknüpft, wäre auch vor dem Hintergrund des Diskriminierungsverbots wohl rechtlich problematisch.

Die Förderung von Frauen, vor allem auch in der Bauwirtschaft, ist zweifellos ein gerechtfertigtes und zu begrüßendes gesellschafts- und sozialpolitisches Anliegen, genauso wie die Förderung von Lehrlingen sowie Arbeitslosen oder umweltpolitische Anliegen. Als Zuschlagskriterium ist ein ausschließlich nur am Geschlecht anknüpfendes Kriterium vergaberechtlich allerdings wohl unzulässig. (Christian Nordberg, 28.9.2022)