Eines der letzten Bilder vor dem Aufprall: der Asteroid Dimorphos aus nächster Nähe, aufgenommen von Darts Kamera Draco.
Foto: Nasa

Die Nasa-Sonde Dart (kurz für: Double Asteroid Redirection Test) hat in der Nacht auf Dienstag Historisches geleistet: Mit über 22.000 Kilometern pro Stunde ist das Raumfahrzeug wie vorgesehen im Dienst des globalen Katastrophenschutzes mit dem Asteroiden Dimorphos kollidiert, wie die Nasa mittteilte. Die letzten Bilder von dem Aufprall, die Darts Onboard-Kamera Draco aufgenommen hat, hat die US-Raumfahrtbehörde hier bereitgestellt.

Im günstigsten Fall sollte mit diesem spektakulären Praxistest bewiesen werden, dass ein gefährliches Objekt auf Erdkurs von unserem Heimatplaneten weggelenkt werden kann. Ob der Frontalzusammenstoß bei Dimorphos tatsächlich eine Bahnveränderung bewirkt hat, müssen Beobachtungen in den kommenden Tagen erst zeigen.

Video: Nasa-Sonde auf Asteroid zerschellt: "Erdlinge können beruhigt schlafen"
DER STANDARD

Die Mission habe Geschichte geschrieben, sagte Nasa-Managerin Lori Glaze nach der erfolgreichen Kollision. "Wir brechen jetzt in eine neue Ära der Menschheit auf, in der wir die Möglichkeit haben könnten, uns gegen den Einschlag eines Asteroiden zu schützen." Auf den von der Kamera der Sonde zur Erde übertragenen Bildern wurde Dimorphos erst rund eine Stunde vor dem Einschlag als heller Punkt sichtbar, kurz vor dem Aufschlag konnte man viele Oberflächendetails erkennen.

Bangen bis zuletzt

Im Kontrollzentrum der Nasa brach daraufhin Jubel aus, das Team klatschte und umarmte sich gegenseitig. Bis kurz vor dem Aufprall war nicht ganz sicher gewesen, ob die Sonde, die die letzten Minuten im Autopilot unterwegs war, den Asteroiden von der Größe eines Fußballstadions auch wirklich treffen würde.

"Wir haben diesen Moment schon so lange geplant und so viel darüber gesprochen – aber die Bilder haben meine Erwartungen übertroffen", sagte Nasa-Managerin Nancy Chabot. Nasa-Chef Bill Nelson gratulierte seinem Team. "Das habt ihr richtig gut gemacht."

Doppelasteroid

Das Fluggerät war am 24. November 2021 an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Unternehmens Space X gestartet. Die Mission ist Teil des Aida-Programms (Asteroid Impact & Deflection Assessment), bei dem die Nasa gemeinsam mit der Europäischen Weltraumorganisation und weiteren Institutionen versucht, eine Asteroidenflugbahn durch den Einschlag einer Raumsonde zu verändern.

Der Impakt auf Dimorphos fand rund elf Millionen Kilometer von der Erde entfernt statt. Der Durchmesser des Brockens beträgt 165 Meter, und er ist gravitativ an einen größeren Brocken gebunden: Didymos durchmisst gut 780 Meter. Entdeckt wurde das Objekt 1996, doch erst 2003 fand man heraus, dass man es hier mit einem Doppelsystem zu tun hat. Im wissenschaftlichen Sinn zählt das Asteroidengespann (65803) Didymos zu den potenziell gefährlichen Objekten (potentially hazardous asteroids, PHAs).

Der "große Unbekannte"

Allerdings trifft diese Klassifizierung auf alle über 140 Meter großen Asteroiden zu, deren Umlaufbahnen sich dem Erdorbit auf weniger als 7,5 Millionen Kilometer nähern. Aktuell kennt man rund 2.300 PHAs, aber nur in etwa 20 Fällen kann ein Einschlag innerhalb der nächsten 100 Jahre nicht definitiv ausgeschlossen werden. Der Brocken mit den besten Aussichten auf ein Zusammentreffen mit der Erde ist laut dem Sentry Risk Table das Objekt 2020 CD3, es gilt nicht einmal als PHA. Es handelt sich um einen Zwei-Meter-Winzling, der mit einer nur 2,5-prozentigen Chance auf unserem Planeten einschlägt.

Video: Die letzten fünf Sekunden des Asteroiden.
JHU Applied Physics Laboratory

Doch das alles sind nur die bekannten potenziellen Bedrohungen – mit hoher Wahrscheinlichkeit kennt man jenen Asteroiden noch gar nicht, der der Erde einmal wirklich gefährlich werden könnte. Ob man dann gegen einen solchen "großen Unbekannten" rechtzeitig etwas wird ausrichten können, sollen nicht zuletzt die Ergebnisse des Dart-Experiments zeigen.

Der etwa 800 Meter durchmessende Asteroid Didymos besitzt einen kleinen Kompagnon: Der 160 Meter große Dimorphos braucht etwa zwölf Stunden für eine Runde um seinen größeren Partner.
Illustration: APA/AFP/JIM WATSON

Live-Übertragung des Aufpralls

Beim "Grande Finale" um 1.14 Uhr (MESZ) war die 570 Kilogramm schwere Dart-Sonde mit 22.500 Kilometern pro Stunde in Dimorphos gekracht. Nachdem die Sonde dabei völlig zerstört wurde, müssen andere Instrumente feststellen, ob dem Experiment Erfolg beschieden war. Einige davon befinden sich auf dem Kleinsatelliten Liciacube.

Die von der italienischen Weltraumbehörde ASI bereitgestellte Kleinstsonde hat sich wei Wochen vor dem Impakt von Dart abgekoppelt und dürfte etwa 2 Minuten und 45 Sekunden nach dem Crash an Didymos vorbeigeflogen sein. Vor und während dieser Passage sollte Liciacube mit seinen beiden optischen Kameras mit unterschiedlichen Brennweiten Bilder vom Einschlag und von dem folgenden Auswurf machen. Wegen seiner begrenzten Übertragungskapazitäten wird Liciacube mehrere Wochen brauchen, bis er alle seine Aufnahmen zur Erde geschickt hat.

Die Dart-Sonde ist kühlschrankgroß und wiegt 550 Kilogramm. Was ihr Aufprall auf Dimorphos bewirkt hat, wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen.
Illustration: Nasa / Johns Hopkins APL / Steve Gribben

Warten auf Ergebnisse

Ob beziehungsweise in welchem Ausmaß der kleine Asteroid auf seiner Umlaufbahn um Didymos vom Aufprall abgelenkt wurde, lässt sich allerdings nicht so bald einwandfrei feststellen. Simulationen ergaben, dass Dimorphos' zwölfstündiger Orbit nach der Kollision zwischen 73 und 600 Sekunden kürzer sein könnte. Um das tatsächlich nachzuweisen, bedarf es freilich genauer Beobachtungen mit erdgebundenen Teleskopen. Laut Nasa dürfte es mehrere Tage, vielleicht aber auch Wochen dauern, ehe ein verlässliches Ergebnis über die bewirkte Bahnabweichung vorliegt. (tberg, red, 27.9.2022)